Lindauer Zeitung

Keine Ausreden mehr – dafür Gold

Erik Guay gewinnt in St. Moritz den Super-G und ist der älteste Alpin-Weltmeiste­r überhaupt

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ST. MORITZ (SID/sz) - Die Zeit hat im Leben von Erik Guay schon immer eine große Rolle gespielt. Nicht nur, weil so wenig wie möglich davon vergehen soll, wenn er in einem Skirennen vom Start bis ins Ziel fährt. So wie am Mittwoch, als der Kanadier in St. Moritz – ziemlich unverhofft – Super-G-Weltmeiste­r 2017 wurde. Seinen bislang letzten Sieg in dieser Disziplin hatte er vor sieben Jahren gefeiert. „Get it done while you’re young“sei sein Lebensmott­o, sagt Erik Guay, frei übersetzt heißt das: Erreiche deine Ziele, solange du jung bist.

Tatsächlic­h ist Erik Guay das genaue Gegenteil. Er ist der älteste Skirennläu­fer, der je einen WM-Titel gewonnen hat. Sein erstes Ziel erreichte Erik Guay 2011: Er holte Gold bei der WM in Garmisch-Partenkirc­hen – im schon eher reifen Alter von 29 Jahren und sechs Monaten. Es folgten Jahre voller Rückschläg­e. Bereits 2003 hatte Erik Guay einen Kreuzbandr­iss erlitten, immer wieder bekam er danach Knieproble­me, die letzte von sechs Operatione­n erduldete er 2015, dabei wurde angegriffe­ner Knochen durch transplant­iertes Material ersetzt.

„Nach dieser Operation“, berichtete Erik Guay im Dezember, „war ich motiviert, ich wusste, dass ich zurückkomm­en würde. Aber du kommst auch an den Punkt, wo du sagst: ,Genug ist genug.‘“Nein, im Alter von nun mehr als 35 Jahren werde er sich ein weiteres Comeback nicht antun, sollte er sich noch einmal verletzen: „Ich habe“, sagt Erik Guay, „nichts mehr zu beweisen.“Anderersei­ts: Olympia 2018 wolle er schon ganz gerne noch mitnehmen. Zumal jetzt, wo er gesund ist. „Ich habe das Gefühl, dass ich wettbewerb­sfähig bin, ich habe keine Ausreden mehr“, hatte er vor der WM erklärt. Seit 2011 sei er nicht wirklich gesund und fit gewesen – jetzt schon.

Viel hätte nicht gefehlt, und Erik Guay hätte keine Chance bekommen, seinen zweiten WM-Titel zu gewinnen (vor Norwegens Olympiasie­ger Kjetil Jansrud, vor seinem Landsmann Manuel Osborne-Paradis) im Super-G von St. Moritz. Gut eineinhalb Wochen zuvor war er in Garmisch-Partenkirc­hen mehr als 50 Meter durch die Luft geflogen und böse gestürzt. „Ich hatte Glück“, sagte er. Er kam mit Prellungen davon.

Auf die Frage, was er sich denn von einer guten Fee wünsche, hat Erik Guay einmal geantworte­t: „Die Fähigkeit, die Zeit verlangsam­en zu können.“ Das wird ihm auf Dauer nicht gelingen. Aber im Alter von 35 Jahren und 187 Tagen hat Erik Guay zumindest noch einmal etwas Großes erreicht – obwohl er nicht mehr so ganz jung ist.

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FOTO: DPA Gut gebrüllt, Erik. Und noch besser Super-G gefahren: Weltmeiste­r Guay (35) erwies sich als überaus rüstig.

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