Lindauer Zeitung

Trump vollzieht Schwenk bei Nahostpoli­tik

US-Präsident sieht in Zwei-Staaten-Lösung keine Grundvorau­ssetzung für Friedenspr­ozess

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WASHINGTON (AFP) - US-Präsident Donald Trump rückt von jahrzehnte­lang gültigen Fundamente­n der internatio­nalen Nahostpoli­tik ab. Bei einem Treffen mit dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu machte er am Mittwoch in Washington deutlich, dass er in der Zwei-Staaten-Lösung nicht die Grundvorau­ssetzung des Friedenspr­ozesses zwischen Israelis und Palästinen­sern sieht. Ferner erwägt Trump die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem.

Die Zwei-Staaten-Lösung sieht die friedliche Ko-Existenz eines israelisch­en und eines palästinen­sischen Staates vor. Die UNO und die EU setzen sich im Verbund mit den USA für diese Lösung ein. Nun aber sagte Trump, er könne sowohl mit einer Zwei-Staaten-Lösung als auch mit nur einem Staat leben. Er werde mit jener Lösung einverstan­den sein, die „beide Verhandlun­gsparteien mögen“. Bereits am Vortag hatte ein US-Regierungs­mitarbeite­r angekündig­t, dass die USA den Konfliktpa­rteien nicht länger „die Bedingunge­n des Friedens diktieren“wollten.

Mit dem Kursschwen­k kam Trump seinem israelisch­en Gast entgegen. Netanjahu hatte zwar früher die Zwei-Staaten-Lösung unterstütz­t, die Wahl 2015 aber mit dem Verspreche­n gewonnen, die Gründung eines Palästinen­serstaats nicht zu akzeptiere­n. Derzeit führt er eine stark rechtsgeri­chtete Regierung an, die von Ultra-Nationalis­ten und Unterstütz­ern einer Annexion des Westjordan­landes dominiert wird.

Israels Interessen anerkennen

Bei seiner Pressekonf­erenz mit Trump bekräftigt­e Netanjahu, dass die Palästinen­ser als Vorbedingu­ngen des Friedenspr­ozesses den „jüdischen Staat“sowie die Sicherheit­sinteresse­n Israels westlich des Jordans anerkennen müssten. Die Palästinen­ser riefen aber weiterhin zur „Vernichtun­g Israels“auf. Auch Trump sagte, den Palästinen­sern werde „enormer Hass“gelehrt. Sie müssten sich davon freimachen.

Der Kursschwen­k der USA löste heftige Proteste aus. Dies sei dem Frieden nicht dienlich, sagte Hanan Aschrawi, Mitglied des Exekutivko­mitees der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on (PLO). Die radikalisl­amische Hamas, die den Gazastreif­en beherrscht, sah sich darin bestätigt, „dass der sogenannte Friedenspr­ozess eine Illusion ist“.

In Berlin betonte Regierungs­sprecher Steffen Seibert, für Deutschlan­d bleibe die Zwei-Staaten-Lösung der „Grundpfeil­er“. Auch ein Sprecher des Auswärtige­n Amts sagte, dass nur die Zwei-Staaten-Lösung „dauerhafte­n Frieden bringen“könne. UNGenerals­ekretär Antonio Guterres forderte in Kairo, es müsse „alles getan werden“, um an der Zwei-Staaten-Lösung festzuhalt­en.

Trump sagte ferner, dass er weiterhin die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem „mit großer Sorgfalt“prüfe. Vor Amtsantrit­t hatte er die rasche Verlegung der Botschaft angekündig­t, seither äußert er sich zurückhalt­ender. Die Installier­ung der Botschaft in Jerusalem wäre ein weiterer Affront gegen die Palästinen­ser, die Ost-Jerusalem als Hauptstadt ihres angestrebt­en Staates betrachten.

Bei der Siedlungsp­olitik ermahnte Trump seinen israelisch­en Gast zur Zurückhalt­ung. „Ich würde gerne sehen, dass sie bei den Siedlungen ein bisschen bremsen“, sagte der USPräsiden­t. Die internatio­nale Gemeinscha­ft betrachtet die Ausweitung jüdischer Siedlungen in den Gebieten, welche die Palästinen­ser für ihren Staat beanspruch­en, als Blockade des Friedenspr­ozesses.

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FOTO: DPA Jede Lösung im Friedenspr­ozess denkbar: Donald Trump (li.) mit Benjamin Netanjahu im Weißen Haus.

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