Rätselhafter Tod lenkt Verdacht auf Nordkoreas Diktator
Für den fülligen Mann war das Routine. Den Flug von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur in die chinesische Sonderverwaltungszone Macau hatte Kim Jongnam, ältester Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, schon viele Male gemacht. In beiden Städten besaß er Immobilien.
Am Montag kamen auf dem Flughafen zwei junge Frauen auf den 45Jährigen zu, berichteten am Mittwoch malaysische Zeitungen. Eine der beiden habe Kim Jong-nam ein Tuch über Mund und Nase gedrückt. Andere wollen gesehen haben, wie ihm ein Spray ins Gesicht gesprüht wurde. Der Nordkoreaner klagte nach dem Angriff über Kopfschmerzen, er starb später auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Polizei nahm eine Verdächtige fest. Die 28-Jährige mit vietnamesischem Pass wurde angeblich auf Bildern von Überwachungskameras identifiziert. Spekuliert wird darüber, dass die Frauen nordkoreanische Agentinnen waren.
Es ist möglich, dass der Unternehmer einem Giftanschlag zum Opfer fiel. Kim Jong-nam war der älteste Sohn des früheren Machthabers Kim Jong-il – einer von drei Söhnen, die der Diktator mit unterschiedlichen Frauen hatte. Die Mutter war Schauspielerin. Als Erstgeborener galt er in der einzigen kommunistischen Dynastie der Welt zunächst als potenzieller Nachfolger. Nach dem Tod des Vaters 2011 wurde das aber Kim Jong-un, sein jüngerer Halbbruder.
In Nordkoreas Machtapparat spielte Kim Jong-nam aktuell keine Rolle mehr. Mehrmals wurden von ihm kritische Äußerungen über die Zustände in seiner Heimat kolportiert. Aber ein Regimegegner war er gewiss nicht. Seit der Hinrichtung seines Onkels Jang Song Thaek – bis dahin einer der engsten Berater von Kim Jong-un – soll er jedoch sehr in Sorge um sein Leben gewesen sein.
Keine politischen Ambitionen
Doch warum hätte Nordkoreas Machthaber, wiewohl als brutal bekannt, seinen Halbbruder aus dem Weg räumen wollen? Kim Jong-nam lebte überwiegend im Ausland, genoss nach Medienberichten das Leben. Zumindest öffentlich zeigte er keine Ambitionen, eine Führungsrolle in seiner Heimat zu übernehmen.
Südkoreas Geheimdienstchef Lee Byong Ho äußerte die Vermutung, Kim Jong-un habe sich von „Paranoia“leiten lassen, weniger von der Sorge um eine direkte Gefahr für seine Macht. Das Regime in Pjöngjang habe 2012 einen Anschlagsversuch auf Kim Jong-nam unternommen.
Außerdem wird im Süden spekuliert, ein Anschlag könnte mit den Beziehungen zu China zu tun haben. Eine Theorie besagt, dass Kim Jongun auf die offizielle Anerkennung durch Peking wartet. Demnach fürchtete der Diktator, dass China eine „Marionetten-Regierung“unter Kim Jong-nam etablieren würde.
Muss auch der mittlere von Kim Jong-ils drei Söhnen, Kim Jong-chol, um sein Leben fürchten? Ihm wird nachgesagt, keinerlei politischen Ehrgeiz zu haben. Auf die Frage, ob der Zweitgeborene das Land führen könne, sagte der geflüchtete frühere Vize-Botschafter Pjöngjangs in London, Thae Yong Ho, Kim Jong-chol sei nur an Musik interessiert. (dpa)