Wenn der kleine hässliche Vogel trällert
Inszenierung begeistert Kinder und Erwachsene
LINDAU (isa) - Originell, skurril, mit ganz viel schräger und schöner Musik, aber vor allem mit jeder Menge Tiefgang hat die Theaterbühne „Follow the Rabbit“aus Graz im Stadttheater die Geschichte vom kleinen hässlichen Vogel erzählt. Eine musikalische Erzählung über Mobbing, das Anderssein und den Wert des Einzelnen. Eine Inszenierung, die die Grenzen zwischen Schauspiel, Performance und Musik auflöst. Beides zusammen ließ den Besuch der Vorstellung für Kinder wie Erwachsene zu einem Theatererlebnis werden.
Alles andere als ein märchenhafter Traum
Ein chaotisches Büro aus einer anderen Zeit, eine Frau, die mit dem Rücken zum Zuschauerraum vor einem Schreibtisch sitzt, das monotone Klappern der Tasten einer mechanischen Schreibmaschine. Das Theater hat bereits begonnen, bevor die Vorstellung überhaupt beginnt. Richtig beginnt sie erst in dem Moment, als sich die Frau mit der dicken Hornbrille umdreht, nach ihrer Frühstücksbox greift, sich einen Tee aus der altmodischen Thermoskanne in einen neumodischen Pappbecher einschenkt und in ihre Klappstulle beißt. Jetzt ist es auch still im Zuschauerraum. Die Kinder warten gespannt auf das, was da oben, auf der Bühne wohl passieren mag. Aber zunächst tut sich da nicht besonders viel. Im Gegenteil.
Die Frau mit der Brille, die eigentlich aussieht wie eine Eule, fällt in einen Schlaf, der so tief ist, dass weder Skurril, originell und völlig anders präsentiert „Follow the Rabbit“das Musiktheater „Der kleine hässliche Vogel“auf der Lindauer Theaterbühne.
ihr eigenes Schnarchen sie zu wecken vermag noch das amüsierte Kichern der Kinder. Auch nicht das durchdringende Staubsaugergeräusch des Putzmannes oder sein Versuch, ihr die Brille von der Nase wegzusaugen. Stattdessen fällt sie, wie die Zuschauer erst ganz am Ende der Geschichte erfahren werden, in einen Traum. Allerdings ist dies kein
Traum, in dem sie, wie im Märchen, als schöner Schwan erwacht, sondern als kleiner hässlicher Vogel. So erzählt es zumindest der Putzmann, der, kaum hat er sich den Gummihandschuh von den Fingern gesaugt und den Lampenschirm von der vermeintlichen Stehlampe entfernt, sich als Erzähler mit Gockelfedern und EGitarre (Martin Brachvogel) und damit
zum Rädelsführer einer Vogelschar entpuppt.
„Es war einmal ein kleiner Vogel. Er war hässlich. Also wirklich sehr hässlich. Hässlicher als schmutziger Schnee“, erzählt er und beginnt damit einen Mobbing-Feldzug, bei dem er alle Register zieht. Den Gegenpart zur mittlerweile von der Büroeule zum kleinen, hässlichen Vogel verwandelten Darstellerin (Nadja Brachvogel) spielt die schöne Irina (Irina Karamarkovic). Das Bürokabuff mutiert zum herbstlichen Wald, in dessen Wipfeln wohlgemerkt nur die schönen Vöglein zwitschern. Aus den stapelhohen Kisten, Aktenordnern und Büromaschinen wachsen orangefarbene Vogelfüße. Ja, selbst der Pappbecher, die Schreibmaschine und der Aktenvernichter warten mit Schnäbeln auf. Sogar die Bürolampe wird zur Freude der Kinder irgendwann noch bunte Federn lassen.
Ironisches Spiel mit Klischees
Und weil die Inszenierung die Geschichte vom kleinen Vogel, der zwar hässlich ist, aber besser singen kann als all die schönen, auch noch mit der Sprache der Musik erzählt, fangen selbst die Tastatur, die Rechenmaschine, der Drucker und der Staubsauger zu spielen an. Bis das Spiel in der Kakophonie eines Gesangswettbewerbs gipfelt, bei dem Mond und Habicht (Robert Lepenik) die tragenden Rollen spielen, die Kinder auf ihren Plätzen wippen und sich der Rote Adler in einem fulminanten Showdown auf den Habicht stürzt.
Natürlich geht die Geschichte gut aus. Der kleine hässliche Vogel blieb am Ende zwar immer noch klein und hässlich, dafür konnte er aber etwas besser als die anderen und wird dafür geliebt. Das, und dass es nichts bringt, andere auszugrenzen, dürften die Kinder sehr wohl verstanden haben. Zum Theatererlebnis für die Erwachsenen wurde die Inszenierung wegen ihrer Zweideutigkeit und dem ironischen Spiel mit Klischees.