Das Drama eines Irrtums
Badische Landesbühne zeigt am Donnerstag „Schmerzliche Heimat“in Ravensburg
RAVENSBURG (sz) - Die Badische Landesbühne spielt am Donnerstag, 16. Februar, „Schmerzliche Heimat“im Theater Ravensburg. Das Dokumentartheaterstück nach dem Buch von Semiya Simsek und Peter Schwarz kommt in der Fassung von Christian Scholze auf die Bühne. Beginn ist um 20 Uhr.
Im Theaterstück geht es um den Blumengroßhändler Enver Simsek, der das erste Opfer der Terrorzelle NSU war. Am 9. September 2000 wurde er in der Nähe von Nürnberg in seinem Mercedes Transporter erschossen. Von den Behörden wurde eine rechtsextremistische Tat nie in Betracht gezogen. Stattdessen wurde die Familie mit Verdächtigungen, Beschuldigungen und unzähligen Verhören konfrontiert, Enver Simsek habe Rauschgifthandel getrieben, es sei ein Mafiamord gewesen, der Täter käme aus dem familiären Umfeld. Erst elf Jahre später kam die Wahrheit ans Licht.
Semiya Simsek, die damals 14 Jahre alt war, hat mit Peter Schwarz zusammen das Buch „Schmerzliche Heimat“verfasst. Die Wut der Autorin treffe nicht nur die Behörden, für deren Hilflosigkeit sie teilweise Verständnis habe, so der Veranstalter. Sie trifft auch die Journalisten, die jahrelang ungeprüft die absurdesten Legenden verbreitet haben.
„Schmerzliche Heimat“bildet die Geschichte eines zielstrebigen Vaters ab, der gerne in der Produktion schichtet und zusätzliche Nebenjobs annimmt, um Geld für die Rückkehr in die Heimat zu sparen, der durch Fleiß beruflich aufsteigt und eines Tages kaltblütig erschossen wird. Der Verdacht der Polizei, die eigene Familie könnte hinter dem Mord stecken und die Strapazen, denen die Familie aus Rücksichtslosigkeit ausgesetzt ist, sind furchtbar.
Die Autorin erzählt laut Vorschau, wie es ist, wenn das Erlebte einen Menschen in einen jahrelangen Angstzustand versetzt. Sie erzählt von bestialischen Morden, deren Aufklärung teilweise so schlampig verläuft, nur weil Akten nicht richtig gelesen werden. Und sie spricht von einer Mediensprache, die nicht akzeptabel ist: „Irgendwann um 2006 stieß ich auf ein Wort, das mich unglaublich wütend machte. Ich schlug ahnungslos eine Zeitung auf, sah das Foto meines Vaters – und las daneben etwas vom Döner- Killer. Was hatte mein Vater mit Dönern zu tun? Wenn die Erschossenen Deutsche gewesen wären, hätte man dann KartoffelMorde geschrieben? Das war achtlos, zynisch und rassistisch.“Semiya Simsek erzählt die schreckliche Geschichte, die ihrem Vater und ihrer Familie widerfahren ist. Sie ist nur eine von mehreren Tragödien, die durch Schlampereien, Unachtsamkeit und das „Erblinden auf dem rechten Auge“zustande kommen und jahrelang nicht aufgeklärt werden. Umso wichtiger ist die Erzählung der Autorin, die uns in ihre persönliche Gefühlswelt einlädt. Sie lässt uns durch ihr Buch ganz nah an die Opfer der rechtsextremistischen Morde heran. Wie sie fühlen, was ihnen widerfuhr und wie sie damit umgehen. Semiya Simsek leistet mit ihrem Buch einen bewundernswerten, mutigen und selbstbewussten Beitrag zur gesellschaftlichen Vielfalt.