Fremde neue Freunde bei der Sicherheitskonferenz
Europa fragt nach Amerika und diskutiert über sich selbst
MÜNCHEN - Selbstbewusstsein und europäische Einigkeit auf der Bühne hatte Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der 53. Münchner Sicherheitskonferenz, schon im Vorfeld gefordert. Man müsse den Amerikanern zeigen, dass Europa nicht am Ende sei, sondern lebendig. Aber jene Trump-Amerikaner, die der Eröffnung der Sicherheitskonferenz am Freitag beiwohnten, erlebten ein Europa, das mit sich selbst und seinen Fragen versucht klarzukommen.
In den letzten Jahren hatten viele europäische und amerikanische Politiker, Militärs und Wissenschaftler, sich immer gefragt, wie Russland wohl an der „Siko“, wie sie im Deutschen genannt wird, auftreten würde. Nach dem Brexit und der Wahl Donald Trumps, war die große Frage, wie diese Fremden, die doch eigentlich aus einer befreundeten und verbündeten Nation kommen, sich wohl darstellen würden. Am Freitag gab es dazu wenig klare Antworten.
Staats- und Regierungschefs, von der Präsidentin Estlands bis zum neuen UN-Generalsekretär, werden bis zum Sonntag mit Verteidigungsund Außenministern, mit Journalisten, Nachwuchspolitikern und Wirtschaftsvertretern über nationale und internationale Sicherheit, Flüchtlingskrise und hybride Kriegsführung diskutieren.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eröffnete die Konferenz. Wenn man ihr zuhörte, wie sie ihrem amerikanischen Amtskollegen James Mattis Recht gab, dass die Nato sich ändern müsse, dass man sich mehr engagieren und auch Deutschland sich mehr einbringen wolle, konnten Beobachter sich fragen, warum denn der deutsche Einsatz in Afghanistan oder im Kosovo oder die drei Jahre alte Forderung von Bundespräsident Joachim Gauck nach einem Ende des deutschen Abseitsstehens nicht stärker herausgestrichen wurden. Von der Leyen war hörbar bemüht, die Amerikaner zu beschwichtigen und die Forderung nach einer deutlichen Steigerung der Verteidigungsausgaben zu relativieren. Sie sprach streckenweise wie die Mitarbeiterin eines Chefs, den man ja nicht weiter verärgern will. Allerdings erklärte sie auch unmissverständlich, dass die Welt ein global engagiertes Amerika dringend brauche.
Wie schwierig es ist, allein in Europa Einigkeit über grundlegende Fragen der Nationalstaaten zu erzielen, zeigte ein offener, teils aggressiver Schlagabtausch im Anschluss an die wenig engagierte Rede des amerikanischen Verteidigungsministers. Polens Außenminister Witold Waszczykowski erklärte, man habe sich lange von den westlichen Natound EU-Staaten als Mitglied zweiter Klasse behandelt gefühlt. Erst mit der wachsenden Bedrohung durch russische Truppenkonzentrationen und der Stationierung deutscher und amerikanischer Soldaten im Baltikum, habe sich das geändert. Waszczykowski sagte aber auch, dass der neben ihm sitzende stellvertretende EU-Kommissionspräsident, der Niederländer Frans Timmermans, von Europa so rede, als betrachte er es aus dem Elfenbeinturm. Der Pole hatte sich, wie seine Regierung, durch Ermahnungen aus Brüssel, man möge bitte auch in Polen die Verfassung achten, respektlos behandelt gefühlt.
Vermittelnd in diesen Disput griff Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein. Man könne in Europa als Nationalstaat doch nur dann gewinnen, wenn man sich europäisch engagiere und es sei offensichtlich, dass unterschiedliche Mitgliedsländer der EU eben auch verschiedene Ansichten darüber hätten, was Europa bedeute. Das müsse man respektieren. Schäuble plädierte sehr engagiert für eine Einbindung auch jener europäischen Nachbarn, die nicht zur EU gehören.
Bei der Diskussion über Europa schien das Gespenst des Populismus im Saal zu schweben. Oder, fragten sich Beobachter, saß es vielleicht sogar im Saal?
Der irische Rocksänger Bono von U2 gab am Freitag die Rolle des Pragmatikers: mit vor Aufregung brüchiger Stimme dankte er den Militärs, die so lange die Freiheit des Westens garantiert hätten. Aber die Sicherheit, über die jetzt diskutiert werde, sei, so der Ire, nur mit Entwicklung zu haben. „Vorbeugung ist so viel kostengünstiger als Intervention“, appellierte er an die anwesenden Militärs und Politiker.