Mit den Schulden kommt oft die Scham
732 Männer und Frauen suchten 2016 Hilfe bei der Caritas Memmingen-Unterallgäu
MEMMINGEN/UNTERALLGÄU (ver) - Es ist wie mit der Frage nach der Henne und dem Ei. 732 Männer und Frauen kamen im Jahr 2016 zur Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbands MemmingenUnterallgäu – und oft waren es Krankheit, eine Familienkrise oder der Verlust des Arbeitsplatzes, die der Notsituation vorausgingen. Nicht selten sei es aber auch umgekehrt so, dass finanzielle Schwierigkeiten solche Probleme auslösten, sagt Simone Jendrosch, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung.
Umso wichtiger ist für sie, dass Betroffene Hilfe in Anspruch nehmen: „Je eher sie zu uns kommen, desto besser lassen sich die Dinge regeln, oft noch ohne eine Privatinsolvenz.“Viele Menschen scheuten diesen Schritt jedoch lange aus Scham oder Angst, bedauert die Sozialpädagogin. Die Nachfrage nach der kostenlosen Schuldnerberatung bewegt sich nach ihren Worten gegenüber den Vorjahren auf einem konstanten Niveau.
Die Schuldnerquote beziffert Jendroschs Bericht für 2016 für Memmingen mit rund zehn Prozent, für den Landkreis Unterallgäu mit rund sechs. Der höhere Wert für die Stadt ist laut Jendrosch schnell erklärt: „Wegen des Arbeitsplatzes oder besserer Arzt- und Schulanbindungen ziehen viele Menschen dorthin: gerade auch junge Familien oder Alleinerziehende.“Die Altersgruppe der 30bis 39-Jährigen ist es laut der Sozialpädagogin, die mit einer Quote von rund 19 Prozent am häufigsten von Überschuldung betroffen ist, gefolgt von den 18- bis 30-Jährigen. Warum sich dies so verhält, verraten die Daten laut Jendrosch nicht. Für die Sozialpädagogin erschließt es sich jedoch beim Blick auf die Lebensphase, zu der die erste eigene Wohnung, eine Familiengründung, die Geburt eines weiteren Kindes oder der Bau eines Hauses gehörten. „Wenn dann durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung oder Scheidung ein Einkommen wegfällt, klappt es mit der Schuldenrückzahlung nicht mehr.“Denn solche unvorhersehbaren Krisen sind laut Jendrosch die Ursachen, die meist zur Ver- oder Überschuldung führen. Seltener sind ihren Worten zufolge Fälle, in denen Betroffene unüberlegt Geld ausgeben und etwa hohe Autofinanzierungen abschließen. „Manchmal ist es so, dass in der Familie nie über Geld gesprochen wurde und der Betreffende den Umgang mit Geld so nie wirklich gelernt hat“, sagt Jendrosch.
Wendet sich ein Hilfesuchender an die Caritas-Beratungsstelle, „dann schauen wir erst mal: Wo steht der Klient?“Zuvorderst gehe es um die Existenzsicherung, betont Jendrosch: also darum, Einnahmen und Ausgaben gegebenenfalls so anzupassen, dass Dinge wie „Miete, Strom, Gas, Lebensmittel oder auch Schulsachen für die Kinder bezahlt werden können“. Erst im nächsten Schritt drehten sich die Gespräche um Pläne dafür, die Schulden abzubauen.