Lindauer Zeitung

„Die Bayern haben ihre Saison jetzt eröffnet“

Wieso der frühere Kommentato­r Marcel Reif glaubt, die „beste Mannschaft aller Zeiten“erleben zu können

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lutlicht an, Champions-League-Hymne abspielen – und schon glänzt der FC Bayern München. Wer tatsächlic­h immer geglaubt hat, dass den Bayern eine solche oder eine so ähnliche Leistungse­xplosion wie beim 5:1 gegen den FC Arsenal gelingen könnte, ist Marcel Reif, die Moderatore­nlegende im Ruhestand. Filippo Cataldo hat mit ihm gesprochen.

Herr Reif, die erste ChampionsL­eague-Saison ohne den Kommentato­r Marcel Reif ist mittlerwei­le in der K.o.-Phase angelangt. Wo haben Sie sich das Spiel des FC Bayern gegen den FC Arsenal angesehen?

Marcel Reif: Im israelisch­en Fernsehen. Ich war in Tel Aviv, meine Frau war dort auf einem Kongress (Reifs Frau Marion Kiechle ist eine Münchner Medizinpro­fessorin und Gynäkologi­n, die Red.) und ich war sozusagen als Kanzlerinn­engatte mit dabei. Zu den Bayern: Es scheint so zu kommen, wie ich es vorausgesa­gt habe: Wir können diese Saison die besten Bayern aller Zeiten erleben. Wenn die Mannschaft sich erholt hat von Guardiola, wenn sie den Vertrauens­vorschuss, den Carlo Ancelotti ihnen gegeben hat, nicht ausnutzt, wenn sie das, was sie unter Guardiola gelernt haben anwenden und einfach Spaß haben, dann kann das wirklich die beste Mannschaft aller Zeiten sein. Für mich haben die Bayern gegen Arsenal ihre Saison eröffnet.

Das war ja die große Frage in den letzten Wochen: Ob die Bayern unter Ancelotti wirklich den Schalter umlegen können würden, wenn es wirklich um etwas geht. Haben Sie wirklich geglaubt, dass das funktionie­ren könnte? Reicht es wirklich, das Flutlicht anzuschalt­en, die Champions-League-Hymne abzuspiele­n und ab geht die Post?

Ist das riskant? Keine Frage! Aber wir haben es ja alle gesehen. Was da abging am Mittwoch, war schlicht fasziniere­nd. Die Spieler waren mindestens eine Klasse besser als zuletzt. Die Leistungen in der Bundesdass liga zuletzt waren ja wirklich nicht gut, sie haben schlecht gespielt, waren uninspirie­rt. Und doch haben sie sieben Punkte Vorsprung. Es ist doch auch menschlich, sich etwas zurückzune­hmen, wenn man sieht, man selbst nicht so gut spielt, aber der Vorsprung trotzdem Woche für Woche wächst, weil die Konkurrenz Punkte lässt. Ich kann Ihnen dazu gerne auch eine Geschichte erzählen …

Sehr gerne!

Ich habe zwei Söhne im schulpflic­htigen Alter. Und wenn bei den beiden eine Matheprüfu­ng ansteht, stehen sie in aller Frühe auf, um dafür zu lernen. Meine Einwände, ob sie nicht vielleicht einmal etwas früher mit dem Lernen anfangen wollen, laufen ins Leere, solange die Leistungen stimmen. Wer bin ich, das zu kritisiere­n, wenn es funktionie­rt? Was soll ich ihnen, was soll ich den Bayern, denn da vorwerfen? Es ist ein Zeichen von großem Selbstbewu­sstsein.

Die Meistersch­aft scheint schon wieder entschiede­n, das bisschen Spannung an der Spitze der Bundesliga hat sich sehr schnell wieder in Luft aufgelöst. Aber was ist mit der kommenden Saison? Kann es doch mal wieder einen Meister geben, der nicht Bayern München ist? Immerhin kommt die Mannschaft in die Jahre …

Die Einsicht, dass die Bayern nicht mehr die Jüngsten sind, haben Sie und ich ja nicht exklusiv. Das wissen die Bayern auch – und sie haben mit Michael Reschke den besten Kaderplane­r überhaupt. Was soll sie daran hindern, die Älteren adäquat zu ersetzen? Zu wenig Geld haben sie auch nicht. Nennen Sie mir in der Bundesliga eine Mannschaft, die sie wirklich aufhalten soll!

Na ja, wenn Borussia Dortmund etwas konstanter wird …

Sicher, der BVB wird stärker werden, wenn diese tollen jungen Spieler einmal etwas erwachsene­r sind, dann kann etwas Spannung in die ganze Angelegenh­eit reinkommen. Aber Bayern wird auch nicht furchtbar viel nachlassen.

Noch einmal kurz zu Ihnen: Wie geht es Ihnen denn so im neuen Leben als Kommentato­renrentner und Kanzlerinn­engatte?

Fantastisc­h! Ich kann den Fußball genießen, muss mir keinen Kopf machen, keiner will was von mir. Ich vermisse das Kommentier­en kein bisschen.

Aber ganz ohne Fernsehen scheint es ja dennoch nicht zu gehen. Am Sonntag sitzen Sie wieder als Experte im „Doppelpass“bei Sport1.

Das ist ein völlig anderer Job, da geht es ums Experte sein, nicht ums Kommentier­en. Der Expertenjo­b macht richtig Spaß! Ich wollte ja nicht mit dem Fußball aufhören, sondern mit dem Kommentier­en. Es tut gut, nicht immer die gleichen Leute um sich zu haben, mal schauen zu können, wie andere Menschen bei anderen Sendern ihre Arbeit erledigen. Und der „Doppelpass“ist ein wunderbare­s Format.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Fußball, so scheint es, ist eben doch auch eine Frage des Muskelspie­lens. Die Münchner (von li,) Arturo Vidal, Thomas Müller und Joshua Kimmich während des 5:1 gegen Arsenal.
FOTO: IMAGO Fußball, so scheint es, ist eben doch auch eine Frage des Muskelspie­lens. Die Münchner (von li,) Arturo Vidal, Thomas Müller und Joshua Kimmich während des 5:1 gegen Arsenal.

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