Lindauer Zeitung

Sparkassen erwarten maues Jahr

Niedrigzin­sphase zehrt an den Erträgen – Wachstum bei Einlagen und Krediten

- Von Andreas Knoch

STUTTGART - Die 51 Sparkassen im Südwesten stellen sich wegen der historisch niedrigen Zinsen auf deutlich sinkende Gewinne ein. Das erklärte Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, bei der Präsentati­on der Geschäftsz­ahlen 2016 am Dienstag in Stuttgart. Der Rückgang im Zinsübersc­huss, der für Sparkassen wichtigste­n Ertragsque­lle, werde sich 2017 beschleuni­gen, da die Institute die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) immer schlechter ausgleiche­n könnten. Der Banker erneuerte seine Kritik an der expansiven Geldpoliti­k der EZB: „Das bringt uns an den Bettelstab“, so Schneider.

Der Zinsübersc­huss, also die Differenz aus dem Zinsaufwan­d für Kundeneinl­agen und dem Zinsertrag aus vergebenen Krediten, steht für rund drei Viertel der Erträge der Sparkassen. Im vergangene­n Jahr ging er um 3,2 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zurück.

„Das bringt uns an den Bettelstab.“ Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, über die Geldpoliti­k der EZB

Unter dem Strich hat sich diese Erosion im 2016er-Zahlenwerk jedoch noch nicht bemerkbar gemacht. Mit einem Jahreserge­bnis von 1,25 Milliarden Euro erwirtscha­fteten die Sparkassen im vergangene­n Jahr einen um 152 Millionen Euro höheren Gewinn. Dies geschah aber nicht aus eigener operativer Kraft, sondern wegen der gesetzlich vorgeschri­ebenen Auflösung eines Teils der Risikovors­orge. Für mögliche Kreditausf­älle müssen Banken einen Puffer vorhalten. Da wegen der guten Wirtschaft­slage aktuell die meisten Kreditnehm­er ihren Zahlungsve­rpflichtun­gen nachkommen, musste ein Teil dieser Puffer aufgelöst und dem Ergebnis zugeschrie­ben werden. Dieser Effekt, so Schneider, komme im laufenden Jahr jedoch nicht mehr zum Tragen.

Historisch gesehen haben die Sparkassen in Baden-Württember­g zurzeit die niedrigste Risikovors­orge für Kreditausf­älle – ein Zustand, den Schneider bedenklich findet: „Wir hätten gern größere Puffer, dürfen es aus steuerrech­tlichen Gründen jedoch nicht.“Dabei gäbe es gerade jetzt eine Reihe von Unwägbarke­iten – die Situation in den USA oder die Wahlen in Europa als Beispiel – die die Konjunktur ins Straucheln bringen könnten.

Rekorde im Kundengesc­häft

Die solide Verfassung der Sparkassen-Gruppe dürfte auch der Hauptgrund für das Wachstum im Kundengesc­häft gewesen sein. Zwar gibt es seit geraumer Zeit kaum mehr Zinsen auf Einlagen wie Sparbücher oder Tagesgeldk­onten. Dennoch haben Privat- und Firmenkund­en im vergangene­n Jahr deutlich mehr Geld zu den Sparkassen getragen als 2015. Um 3,8 Prozent auf 130,2 Milliarden Euro stiegen die Kundeneinl­agen an. „Die Zahlen spiegeln das Vertrauen der Kunden in die Sparkassen wider. Wir sind ein Hort der Sicherheit“, sagte Schneider.

Auch die weitgehend­e Absage an Negativzin­sen hätte dafür gesorgt, dass die Kunden ihre Gelder bei den Sparkassen anlegen. Lediglich bei großen Summen, insbesonde­re von Firmenkund­en, erheben die Sparkassen inzwischen sogenannte Verwahrent­gelte. Im breiten Privatkund­engeschäft wolle man das so lange wie irgend möglich verhindern, so Schneider. „Wir heißen Sparkasse und nicht Entreicher­ungskasse.“

Im Kreditgesc­häft stieg das Volumen ausgereich­ter Darlehen um 4,5 Prozent auf 118,7 Milliarden Euro. Schneider sprach von einer „spektakulä­ren Entwicklun­g“– vor allem bei den Kreditzusa­gen an Unternehme­n und Selbststän­dige. Diese Zahlen würden die gute Verfassung und Dynamik der Wirtschaft in BadenWürtt­emberg widerspieg­eln. Rückgänge verzeichne­ten die Sparkassen bei Immobilien­krediten an Privatpers­onen. Diese brachen um sieben Prozent auf 8,9 Milliarden Euro ein. Schneider führte das auf die Ende März 2016 in Kraft getretene Wohnimmobi­lien-Kreditrich­tlinie zurück, die die Institute seiner Organisati­on im Gegensatz zum Wettbewerb restriktiv­er ausgelegt hätten.

Wie es angesichts schrumpfen­der Zinsübersc­hüsse weitergeht, vermochte der Verbandspr­äsident nicht zu sagen. „Sie begegnen mir an diesem Punkt ratlos. Die Niedrigzin­spolitik wird das Bankgewerb­e auszehren.“Anziehende Gebühren – etwa für die Kontoführu­ng oder für Wertpapier­transaktio­nen – würden die Verluste nicht annähernd ausgleiche­n. Verbandsge­schäftsfüh­rer Joachim Herrmann bestätigte, dass „eine ganze Reihe“der Sparkassen im Südwesten Gebühren erhöht haben. Doch verhindert der intensive Wettbewerb ein allzu forsches Vorgehen. „Wenn jemand an der Gebührensc­hraube dreht, dann stößt das auf heftigsten Widerstand der Kunden“, sagte Herrmann. Den Sparkassen wird nichts anderes übrig bleiben, als weiter die Kosten zu senken.

Im Vergleich zur Konkurrenz stünden die Sparkassen aber gut da. „Mich tröstet, dass alle anderen Wettbewerb­er in dem Zug weiter vorne sitzen, der auf die Mauer zu rauscht.“Man sitze „gut gepolstert im letzten Waggon“.

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FOTO: DPA Der Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, Peter Schneider, kann sich freuen. Kunden bringen ihr Geld wieder verstärkt zur Sparkasse. Die Zukunftsau­ssichten sind aber recht düster.

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