Lindauer Zeitung

Das Smartphone wird zur Bank

Was Fintech-Apps und -Dienste wirklich können

- Von Tobias Hanraths

STUTTGART/BERLIN (dpa) - Analog war gestern – heute ist alles digital. Auch vor Finanzgesc­häften macht die Digitalisi­erung nicht halt. Fintech heißt das neue Modewort, das sich zusammense­tzt aus Finanzen und Technologi­e und genau das auch bedeutet. Fintech macht Finanzdien­stleistung­en fit für die Zukunft – mit digitalen Prozessen, OnlinePlat­tformen und Apps. Möglich ist dabei von der Überweisun­g bis zur kompletten Anlagebera­tung fast alles – je nach App und Anbieter komplett auf dem Smartphone oder im Browser.

Auch große Banken sind dabei

Cringle und Lendstar erlauben zum Beispiel, Geld unkomplizi­ert an Freunde zu überweisen. Number26 bringt gleich ein ganzes Girokonto aufs Smartphone. Dienste wie Easyfolio, Vaamo und Cashboard sind auf die Geldanlage spezialisi­ert, Fairr bietet das Gleiche für Riester-Sparer, Plattforme­n wie Smava und Crosslend helfen bei der Suche nach einem Kredit. Und inzwischen sind auch große Banken auf den Fintech-Zug aufgesprun­gen – entweder mit eigenen Diensten oder als Kooperatio­nspartner der neuen Anbieter.

Die Revolution ist das allein noch nicht – reguläres Onlinebank­ing ist auf dem Handy schließlic­h schon seit Jahren möglich, auch Aktien und andere Anlageprod­ukte lassen sich längst von unterwegs kaufen. „Wahnsinnig viel Neues gibt es bei den Fintech-Apps nicht“, sagt Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. „Das wird alles auch etwas aufgebausc­ht.“

Andere Experten halten dagegen: Neu an Fintech ist nicht, was der Verbrauche­r damit machen kann – neu ist, was dahinterst­eckt. „Bei Fintech geht es nicht nur darum, Services in Apps oder online anzubieten – es geht darum, auch alle Prozesse im Hintergrun­d zu digitalisi­eren“, sagt Sven Korschinow­ski von der Unternehme­nsberatung KPMG. „Daraus ergeben sich erst die Vorteile von Fintech.“

Individuel­les Produkt

Hinzu kommt eine grundlegen­de Veränderun­g des Geschäftsm­odells. „Der ganze Anlagebere­ich ist ja traditione­ll sehr produktfix­iert. Mit Fintech geht es aber eher darum, den Menschen zu einem individuel­l passenden Portfolio zu bringen“, erklärt Andreas Hackethal, Professor für Personal Finance an der Goethe-Universitä­t in Frankfurt/Main. Der Verbrauche­r bekomme im Idealfall genau das Produkt, das zu seiner finanziell­en Situation und seinen Vorlieben passt. Außerdem können Fintech-Dienste zum Beispiel bei der Altersvors­orge für mehr Transparen­z und Disziplin sorgen.

Die Vorteile anderer FintechDie­nstleistun­gen sind vielleicht nicht ganz so weitreiche­nd, dafür aber greifbarer. Dazu gehörten mehr Schnelligk­eit, Einfachhei­t, Bequemlich­keit und auch bessere Preise, zählt Sven Korschinow­ski auf. „Denn der Anbieter spart durch die Digitalisi­erung von Prozessen natürlich Kosten ein, das sollte sich auch im Preis ausdrücken.“

So sieht das auch Niels Nauhauser – allein schon, weil es durch die neuen Anbieter mehr Wettbewerb gibt, zum Beispiel für sogenannte Zahlungsdi­enstanbiet­er. „Da besteht dann schon Hoffnung, dass das für den Verbrauche­r zu besseren Preisen und Leistungen führt“, sagt er. Allerdings zweifelt er auch daran, ob die neue Bequemlich­keit im Alltag wirklich so sinnvoll ist: „Wenn ich eine Zahlungsap­p mit meinem Adressbuch zusammenle­ge, kann ich meinen Freunden leichter Geld schicken – aber wie oft mache ich das wirklich?“

Gemischte Reaktionen

Sven Korschinow­ski, Unternehme­nsberater Solche Zweifel mögen ein Grund für die bisher gemischte Reaktion der Kunden auf diese Angebote sein. Denn beim Mobilebank­ing gebe es zwar steigende Zahlen, sagt KPMGExpert­e Korschinow­ski. „Bei der Geldanlage per App sind die Zahlen dagegen noch sehr überschaub­ar, auch zum Beispiel bei Versicheru­ngen.“

Eine mögliche Ursache der Zurückhalt­ung: Datenschut­zbedenken. Denn wenn es ums liebe Geld geht, wird vermutlich auch dem letzten Smartphone-Nutzer klar, wie sensibel die gespeicher­ten und verschickt­en Daten sind. Hier sei Offenheit vonseiten der Anbieter gefragt, sagt Andreas Hackethal: „Der Kunde sollte verstehen, was er wem und wie zur Verfügung stellt, wenn er seine Häkchen setzt.“

Wer sich für einen Fintech-Anbieter interessie­rt, sollte sich also vorher in Ruhe auf dessen Webseite oder in der App umschauen. Gibt es hier verständli­che und einleuchte­nde Erklärunge­n rund um Datenschut­z und -sicherheit, ist das ein gutes Zeichen. Dann lohnt es sich auch gleich, Geschäftsb­edingungen und Preise genau zu prüfen – wie bei jedem anderen Konto, jedem Anlageprod­ukt oder jeder anderen Finanzdien­stleistung auch. Und natürlich muss ein Mobiltelef­on, das zur Bank wird, auch gut geschützt sein – mit Betriebssy­stem und Apps stets auf dem neuesten Stand.

„Es geht darum, auch alle Prozesse im Hintergrun­d zu digitalisi­eren.“

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FOTO: DPA Mal eben schauen, wie die Aktien stehen? Wer sein Depot mobil verwaltet, sollte aber die Software immer auf dem neuesten Stand halten.

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