Lindauer Zeitung

Ein längst fälliges Zeichen

- Von Bernd Hüttenhofe­r b.huettenhof­er@schwaebisc­he.de

Man liest die Nachricht – und stutzt: „Gericht verurteilt Raser zu lebenslang­er Haft.“Wegen Mordes. Das ist neu. Bisher mussten sich die Teilnehmer illegaler Autorennen hauptsächl­ich wegen „Gefährdung des Straßenver­kehrs“vor Gericht verantwort­en und wurden mit deutlich geringeren Strafen belegt. Im April 2016 waren in Köln zwei Raser, die für den Tod einer 19jährigen Radfahreri­n verantwort­lich sind, noch mit Bewährungs­strafen davongekom­men. Womöglich hat dieses Urteil schon eine Rolle gespielt, als einen Monat später ein anderer Kölner Raser in einem ähnlichen Fall zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde – ohne Bewährung.

Das Landgerich­t Berlin hat jetzt ein viel deutlicher­es Zeichen gesetzt und der Bagatellis­ierung der verantwort­ungslosen Raserei ein Ende gemacht. Dass illegale Autorennen auf öffentlich­en Straßen bisher als „Ordnungswi­drigkeit“geahndet wurden, ist ein schlechter Witz. Das war im Herbst auch dem Bundesrat und dem Bundesverk­ehrsminist­erium aufgefalle­n; eine Gesetzesin­itiative sieht vor, das Vergehen künftig als Straftat einzustufe­n. Wer mitten in der Stadt mutwillig rote Ampeln überfährt und auf bis zu 160 Stundenkil­ometer beschleuni­gt wie die beiden jetzt Verurteilt­en, nimmt den Tod von Menschen billigend in Kauf.

Die Richter haben in diesem Fall die oft eingeforde­rte „ganze Härte des Gesetzes“angewendet, was auch angesichts der um sich greifenden verbalen Radikalisi­erung zu begrüßen ist. Auch in einer Demokratie gibt es Grenzen, auch eine freie Gesellscha­ft braucht sich nicht jedes schlimme Fehlverhal­ten bieten zu lassen. Dennoch birgt das Urteil eine Gefahr: In der Revision könnte es vom Bundesgeri­chtshof wieder einkassier­t werden. Die Frage ist, ob die Einstufung der Tat als Mord haltbar ist. Voraussetz­ungen dafür sind mindestens „bedingter Vorsatz“sowie „niedrige Beweggründ­e“. Die Tat als Totschlag zu werten, wäre sicherer gewesen – auch dafür lässt das Strafgeset­zbuch in besonders schweren Fällen die Möglichkei­t einer lebenslang­en Gefängniss­trafe.

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