Auch der dritte Anlauf droht zu misslingen
Geplante Fusion zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) vor dem Aus
LONDON - Bedenken gegen den Zusammenschluss zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange (LSE) gab es spätestens seit dem Brexit. Jetzt zieht London die Notbremse: Eine Auflage der EUKommission wird nicht erfüllt. Die seit einem Jahr geplante und trotz des Brexit weiterverfolgte Fusion der Börsen von Frankfurt und London steht damit vor dem Aus.
Die London Stock Exchange überraschte Anleger am späten Sonntagabend mit der Mitteilung, man werde einer wichtigen Auflage der EUKommission nicht nachkommen. Deshalb sei „eine Freigabe des Mergers unwahrscheinlich“. In den letzten Wochen hatten sich auf beiden Seiten des Kanals gehäuft Kritiker des geplanten Unternehmens mit einem kombinierten Börsenwert von 29 Milliarden Euro zu Wort gemeldet, zudem richtet sich gegen den designierten Chef Carsten Kengeter ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren. Die LSE-Aktie fiel am Montag um drei Prozent, das Papier der Deutschen Börse AG (DBAG) sackte um bis zu 4,8 Prozent ab.
450 Millionen Euro Sparpotenzial
Beide Unternehmen standen seit der Jahrhundertwende immer wieder im Mittelpunkt von Spekulationen über mögliche Zusammenschlüsse. LSE wehrte Übernahmeversuche durch die US-Börse Nasdaq, die australischen Macquarie Bank und Schwedens OMX ebenso ab wie zwei Bewerbungen, 2000 und 2005, der DBAG. Umgekehrt erwarb die am Londoner Paternoster-Platz untergebrachte Firma die Mailänder Börse sowie das wichtige Clearing-Unternehmen LCH.Clearnet.
Die Brautschau der Frankfurter war nicht nur in London vergeblich; auch Pläne eines Zusammengehens mit der Schweizer Börse SIX in Zürich sowie mit Euronext (Hauptsitz Amsterdam) scheiterten.
Die jetzt geplante Fusion begründeten der französische LSE-Chef Xavier Rolet sowie der in London lebende DBAG-Boss Carsten Kengeter mit einem Einsparpotenzial von jährlich 450 Millionen Euro. In der neuen Holding TopCo sollten Aktio- näre der deutschen Firma mit rund 54,4 Prozent der Papiere die Überhand behalten, beide Unternehmenssitze aber fortbestehen. Der designierte Chef Kengeter sprach von einem „weltweit wettbewerbsfähigen Anbieter“– tatsächlich wäre der globale Finanzdienstleister namens TopCo mit Aktienbewegungen im Wert von jährlich 5,2 Billionen Euro in mehr als 3200 Firmen stark genug, um Marktführern wie Nasdaq oder der in Atlanta ansässigen ICE Konkurrenz zu machen.
Der Deal dürfte nun offiziell an der Weigerung der LSE scheitern, ihren Mehrheitsanteil an der italienischen Bond-Handelsfirma MTS zu verkaufen, wie von Brüssel verlangt. Man fürchte negativen Einfluss auf das Italien-Geschäft, hieß es in London. MTS spiele eine wichtige Rolle beim Handel mit italienischen Staatsanleihen. Die Deutsche Börse teilte lediglich mit: „Die Parteien sehen der weiteren Prüfung der Europäischen Kommission entgegen.“Eine Entscheidung werde bis Ende März erwartet. Die EU-Kommission erklärte, sich nicht zu laufenden Untersuchungen zu äußern. Fristende für das Prüfverfahren sei nach wie vor der 3. April.
Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Insiderhandel, das die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen Kengeter einleitete, hat zum Goodwill der Aufseher nicht beige- tragen. Der Banker war vor seinem DBAG-Job in London tätig, zuletzt als Leiter der InvestmentbankingSparte der Schweizer UBS. Dort musste er im Gefolge des Skandals um den unzureichend beaufsichtigten Trader Kweku Adoboli, der mehr als zwei Milliarden Dollar verloren hatte, seinen Hut nehmen.
Streit um den Sitz
Marktbeobachter hielten den Deal seit dem Morgen des 24. Juni für gefährdet, als der zukünftige EU-Austritt der Briten feststand. Seither haben das Bundesland Hessen sowie die deutsche Finanzaufsicht BaFin angemahnt, die Holding müsse nun doch in Frankfurt ansässig sein. Um-
gekehrt warnten konservative EUFeinde im Unterhaus vor einem Verkauf der LSE, „einem unserer Kronjuwelen“, wie die Abgeordnete Anne Morris mitteilte. Entscheidungen über das Interesse des Landes müssten im Vereinigten Königreich getroffen werden, sekundierte der Deutschland-Skeptiker Bill Cash.
Vergeblich wies ein Sprecher der schottischen Nationalisten, George Kerevan, darauf hin, dass LSE mehrheitlich Ausländern wie dem USVermögensverwalter Black Rock sowie der Quatar Investment Authority gehört, die DBAG-Aktien hingegen überwiegend in der Hand großer Investoren in der City of London sind.