Freistaat muss Diesel-Verbot prüfen
Verwaltungsgerichtshof verpflichtet Bayern zu einem Konzept für bessere Luft in München
MÜNCHEN (lby) - Für bessere Luft in München muss der Freistaat nach einer Entscheidung des obersten bayerischen Verwaltungsgerichts bis zum Ende des Jahres Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten. Dafür räumt ihm der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss aber mehr Zeit ein. Ob diese umgesetzt werden können, hängt vom Bundesgesetzgeber ab. Während die Wirtschaft vor den Verboten warnt, sehen Umweltverbände ihre Position bestätigt – und fordern die sogenannte Blaue Plakette.
Hoffen auf die Blaue Plakette
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte den Freistaat verklagt, weil in der bayerischen Landeshauptstadt alljährlich die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) an zwei Stellen überschritten werden.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist zuversichtlich: „Mit dieser Entscheidung kommen in München ab Anfang 2018 Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.“Das Bundesverwaltungsgericht werde wohl im Herbst die Frage klären, ob Fahrverbote nach der Straßenverkehrsordnung möglich sind, sagte DUH-Anwalt Remo Klinger. Andernfalls müsse die Blaue Plakette kommen. „An Fahrverboten führt kein Weg vorbei.“
Mit der Blauen Plakette für schadstoffarme Autos sollen vor allem schmutzigere Dieselfahrzeuge aus den Innenstädten ausgesperrt werden. Der Forderung schloss sich unter anderem der Deutsche Städtetag an. „Das Urteil zeigt: Die Städte befinden sich in einem echten Dilemma“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Einerseits seien sie dem Gesundheitsschutz ihrer Bürger verpflichtet. Andererseits wollten sie Dieselautos nicht gänzlich aus den Innenstädten fernhalten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist sowohl gegen die Blaue Plakette als auch gegen Diesel-Fahrverbote.
Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub VCD sagte: „Niemand will Fahrverbote. Aber sie sind die letzte Notlösung, die jetzt greifen muss.“Die Hauptschuld treffe die Autohersteller, deren Autos zu viele Stickoxide ausstoßen. Die Bundespolitik habe versagt, weil sie nichts dagegen tue. NO2 kann Krebs und HerzKreislauferkrankungen verursachen. Europäische Umweltbehörden gehen von jährlich rund 10 600 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland aus.
Die bayerische Wirtschaft rechnet mit Schäden durch Fahrverbote. „Für viele Betriebe ist eine kurzfristige Flottenmodernisierung nicht finanzierbar“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Lieber sollte der Verkehrsfluss etwa mittels „grüner Wellen“verbessert werden. Der ADAC Südbayern sprach von einem schweren Schlag für die Verbraucher. „Viele Pendler und Bürger sind auf das Fahrzeug angewiesen“, sagte Alexander Kreipl. Die Politik müsse mit Augenmaß reagieren und nicht mit „überzogenen Zwangsmaßnahmen“.
2012 hatte das Verwaltungsgericht München den Freistaat verurteilt, im Luftreinhalteplan für München Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid zu ergänzen. Die Feinstaubwerte wurden seitdem eingehalten, die NO2-Werte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft dagegen an der Landshuter Allee und am Stachus jedes Jahr aufs Neue überschritten.
2016 drohte das Gericht dem Freistaat 10 000 Euro Zwangsgeld an, falls er dem Urteil nicht bis Juni 2017 nachkomme. Der Freistaat legte Beschwerde ein, der Streit landete beim Verwaltungsgerichtshof. Die Strafen sind aber nur angedroht. Sollte die DUH beispielsweise das Konzept für nicht ausreichend erachten oder der Freistaat die Frist nicht einhalten, müsste sie erneut vor Gericht, sagte ein VGH-Sprecher. Dann erst könnte das Gericht das Zwangsgeld anordnen.