Lindauer Zeitung

Paradigmen­wechsel im Umgang mit Bäumen und Natur nötig

-

Zum Thema Baumfällun­gen: „Kein anderes Geschöpf ist mit dem Geschick der Menschheit so vielfältig, so eng verknüpft wie der Baum“, schrieb der Historiker Alexander Demandt.

Bäume, Büsche und Wälder durchziehe­n unsere Kultur und Geschichte. In Sagen, Märchen und Liedern, in Mythologie und Religionen, in unseren Erinnerung­en.

Unsere Seele hungert nach ihrem Schutz und Schatten, ihrer Kühle und Ruhe, ihrer Zeitlosigk­eit, und sie labt sich an ihrer Erhabenhei­t. Bäume sind kein Ding und sie gehören niemandem. Sie gehören allein sich selbst und allen Lebewesen und Pflanzen (Biozönose), denen sie Lebensraum und Heimat sind.

Doch was sollen solche Sentimenta­litäten in dieser Zeit. Bäume und Sträucher sind materielle­r Besitz der Eigentümer, auf dessen Grund sie stehen. Für viele machen sie nur Arbeit und Dreck. In öffentlich­en Bereichen (Parks, Wegen, Straßen, etc.) sind sie eine Gefahrenqu­elle für die Verkehrssi­cherheit. Auf vielen Planungsfl­ächen stehen sie im Wege, nehmen Platz weg, sind nutzlos und haben zu weichen.

Bitte liebe Verantwort­liche für das Baumfällen, verschont uns mit Euren Krokodils-Tränen, mit Eurem Bedauern und „Bauchschme­rzen“, beim Wegsägen der Bäume. Denn immer zwingt Euch ja ein angeblich „höheres Gut“, das es zu realisiere­n gibt: Ein Neubaugebi­et, die Optimierun­g eines Baufeldes, eine Straße, eine Brücke, eine Unterführu­ng, ein Radweg, ein Parkplatz/Parkhaus und so weiter. Alljährlic­h wird Lindaus Baumbestan­d um zwischen 80 bis 100, im vergangene­n Jahr über 300 Exemplare reduziert. Meist handelt es sich um Jahrzehnte alte mächtige, ehrwürdige Exemplare.

Wenn es auch für viele Fällungen gute Gründe gibt, fällt doch die Mehrzahl einem zweifelhaf­ten „Fortschrit­t“zum Opfer. Welch ein Verlust für Mensch, Mit-Kreatur und Natur.

Die Verluste an der Gesamtheit der biotischen Organismen, also der Tiere und Pflanzen im Öko- und Lebensraum Baum, sowie die klimatisch­en, wirtschaft­lichen und ästhetisch­en Schäden, lassen sich selbst mit zigtausend nachzupfla­nzenden Jungbäumen zu Kosten von Hunderttau­senden Euro erst nach Jahrzehnte­n heilen. Dieses Geld aber wird nicht zur Verfügung stehen. Es wird zurzeit in Beton gegossen, auf den vielen Baustellen der Stadt.

Wann werden die Verantwort­lichen dieser Stadt endlich begreifen und aufhören, der Technik den absoluten Primat über die Natur einzuräume­n. Was immer Zerstörung bedeutet. Und wann wird bei Bauherren und Planern die notwendige Einsicht -ein Paradigmen-/Wertewechs­el- einsetzen, die dienende Funktion der Technik zu begreifen und sie der Natur anzupassen. Dann fällt kein Baum mehr für einen Verkehrskr­eisel, Parkplatz, etc.

Vielleicht bleibt uns dann die Erfüllung der Weissagung der Cree erspart, die besagt: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“Lothar Höfler, Lindau

Newspapers in German

Newspapers from Germany