Kompromiss gesucht im Streit um Arzneimittelversand-Verbot
In den Streit um das Arzneimittelversand-Verbot, das Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gegen den Widerstand aus Teilen der SPD auf den Weg bringen will, kommt Bewegung. „Man kann über einen Boni-Deckel reden, wir sind mit allem zufrieden, was mit der SPD zu machen ist und was den Standort-Apotheken hilft“, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Er selbst wolle dazu am Donnerstag einen Vorschlag präsentieren. Dann treffen sich Gesundheitspolitiker von Union und SPD mit Branchenvertretern, um Kompromisse auszuloten. Der Gesundheitsminister habe sich vor den Karren der Apotheker spannen lassen, heißt es bei der SPD.
Grund für den Streit ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Herbst, wonach ausländische Versandapotheken wie die niederländische DocMorris weiterhin in Deutschland Medikamente verkaufen dürfen, und zwar günstiger, als es den deutschen Apotheken wegen der Preisbindung für Arzneimittel möglich ist. Seitdem warnt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) davor, viele Apotheken würden auf der Strecke bleiben, wenn der „destruktive Preiswettbewerb“nicht ein Ende habe. Gerade auf dem Land ist die Sorge groß, Menschen würden von der Versorgung abgeschnitten. Aber den Versandhandel verbieten, wie es Gröhes Entwurf vorsieht, sei im digitalen Zeitalter ein Rezept von gestern, sagt Edgar Franke (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Er macht sich für einen Boni-Deckel stark: Versandapotheken sollten maximal einen Euro Rabatt einräumen dürfen, das wäre über eine Änderung des Sozialgesetzbuches zu erreichen.
Während die Versandapotheken offen für den Vorstoß sind, winken die niedergelassenen Apotheken ab. Von einer Scheinlösung redet ABDAPräsident Friedemann Schmidt. Die Boni-Kappung könne Teil einer Übergangslösung sein, wenn zugleich das Ziel eines generellen Versandhandelsverbotes nicht aufgegeben werde, meint Nüßlein. Eine weitere Möglichkeit sei es, Beratungsleistungen niedergelassener Apotheken besser zu honorieren. Auch das könne ein Zwischenschritt sein. Einigt sich die Koalition nicht rasch, lässt sich bis auf weiteres an der Lage nichts ändern. Nach der Einigung auf einen Gesetzentwurf müsste zunächst die EUKommission informiert werden, drei Monate wird der Gesetzgebungsprozess dann auf Eis liegen.
Keine Umsatzschwelle
Auf Änderungen am Gesetzentwurf zur Stärkung der Arzneimittelversorgung haben sich die Gesundheitspolitiker der Fraktionen am Montag verständigt. Demnach soll es im ersten Jahr nach Markteinführung eines Medikaments keine Umsatzschwelle mehr geben, ab der dann der zwischen Hersteller und gesetzlicher Krankenversicherung ausgehandelte Erstattungsbetrag gelten soll. Zudem solle es keine Vertraulichkeit über den Erstattungsbetrag geben. Gröhe wollte mit seinem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz im ersten Jahr nach Markteinführung eines Präparates eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro einführen.