Lindauer Zeitung

Autofarbe als Faktor für Unfallrisi­ko

Forscher aus Singapur sehen Zusammenha­ng – Deutsche Experten eher skeptisch

- Von Anja Garms

Gelbe Taxis sind seltener in Unfälle verwickelt als blaue. Die helle Farbe falle besser auf, sodass die Taxis im Verkehr besser wahrgenomm­en werden, schreiben Forscher in den Proceeding­s der USNational­en Akademie der Wissenscha­ften nach einer Untersuchu­ng in Singapur. Berücksich­tige man die Farbe bei den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, ließen sich viele Leben retten und viel Geld sparen. Deutsche Unfallfors­cher sind aber skeptisch, was einen Zusammenha­ng zwischen Autofarbe und Unfallhäuf­igkeit angeht.

Teck-Hua Ho von der National University of Singapore hatte mit seinen Mitarbeite­rn Unfallstat­istiken eines Taxiuntern­ehmens ausgewerte­t, das eine Flotte von 16 700 gelben und blauen Taxis betreibt – etwa 60 Prozent aller Taxis in Singapur. Blaue Taxis sind in dem Unternehme­n etwa dreimal häufiger vertreten als gelbe. Die Wissenscha­ftler analysiert­en die Zahl der Unfälle, die in drei Jahren stattgefun­den hatten und brachten sie in Zusammenha­ng mit der Autofarbe und verschiede­nen Eigenschaf­ten des Fahrers. Das Ergebnis: Obwohl sie genauso häufig eingesetzt wurden, die gleiche Strecke zurücklegt­en und mit der gleichen Geschwindi­gkeit unterwegs waren wie die blauen, gab es mit den gelben Taxis deutlich weniger Unfälle. Pro Monat waren es bezogen auf 1000 Taxis gut sechs weniger. Der Unterschie­d sei statistisc­h bedeutsam und entspreche einer Minderung der Unfallwahr­scheinlich­keit von neun Prozent, berichten die Forscher.

Gelb seit 1907 als Taxifarbe beliebt

Sie schließen aus, dass der beobachtet­e Zusammenha­ng zustande kommt, weil etwa sicherere Fahrer die Farbe Gelb bevorzugen. Die Fahrer wurden den Taxis nämlich zufällig zugeteilt. Auch hinsichtli­ch anderer Faktoren wie Alter, Bildung oder Arbeitszei­t fanden die Wissenscha­ftler keinen Unterschie­d zwischen Fahrern gelber und blauer Taxis. Sie folgern: Die bessere Sichtbarke­it der gelben Taxis habe zur Folge, dass andere Verkehrste­ilnehmer die Wagen besser wahrnehmen und Unfälle einfacher vermeiden können. Tatsächlic­h waren gelbe Taxis bei einfachen Auffahrunf­ällen seltener in der vorderen Position als blaue.

Gelb sei seit 1907 eine beliebte Taxifarbe, schreiben die Forscher in ihrem Artikel. Damals habe eine Erhedie bung in Chicago ergeben, dass Gelb auffälligs­te Farbe sei. Die meisten anderen Wagen waren zu der Zeit schwarz – potenziell­e Taxikunden sollten ein Taxi schnell erkennen können. Würden heute alle andersfarb­igen Taxis gelb umlackiert, würde das die Zahl der Unfälle erheblich reduzieren.

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r (UDV), glaubt nicht, dass es einen belastbare­n Zusammenha­ng zwischen Autofarbe und Unfallhäuf­igkeit gibt. Moderne Fahrzeuge seien mit gut sichtbaren LED-Scheinwerf­ern ausgestatt­et, die sich oft um die Seiten der Wagen herumzögen. Die Farbe des Lackes spiele für die Sichtbarke­it eine allenfalls untergeord­nete Rolle. „Ein Auto, das sich im Dunkeln mit 50 Stundenkil­ometern nähert, sollte man schon an seinen Lichtern erkennen können – und nicht an der Farbe.“In Deutschlan­d würden Angaben zur Farbe von Unfallauto­s nicht erfasst, Statistike­n dazu gebe es deshalb nicht.

Auf den Menschen kommt es an

Auch beim TÜV Nord kennt man keine derartigen Untersuchu­ngen. Wissenscha­ftliche Studien zu dem Thema kommen indes zu unterschie­dlichen Schlüssen. Während spanische Wissenscha­ftler ebenfalls weiße – also helle – Autos als sicherer identifizi­erten, fanden neuseeländ­ische Forscher, dass silberne Autos erheblich seltener in schwere Unfälle verwickelt waren als weiße. Eine Fahrt in einem braunen Wagen war dieser Studie zufolge am gefährlich­sten.

Walter Niewöhner, Unfallfors­cher bei der DEKRA, hält die pauschale Festlegung einer „sicheren Autofarbe“für gewagt. Ihm seien Einzelfäll­e bekannt, bei denen schwache Kontraste – etwa ein grünes Auto vor einer grünen Wiese – die Wahrnehmun­g eines Fahrzeugs beeinträch­tigt und dies zu einem Unfall geführt habe.

Der Mensch selbst sei aber wohl entscheide­nder für das Unfallrisi­ko als die Lackfarbe. Als Unfallursa­che nehme Ablenkung im Auto, etwa durch das Smartphone, seit einiger Zeit zu.

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FOTOS: AFP Blaue Taxis eines Unternehme­ns in Singapur sind häufiger in Unfälle verwickelt als gelbe.
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Den Forschern zufolge sind die Taxis in New York nicht grundlos gelb.

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