Lindauer Zeitung

Der Bodensee im Spannungsv­erhältnis der Interessen

Optimistis­che Sichtweise­n auf den Bodensee täuschen über Probleme hinweg

- Von Christine Mootz, Denise Meyer und Judith Haase

„Freiheit, Ruhe, Friede, Einmaligke­it, Naturgewal­t“: Mit diesen Worten beschreibt eine Inselbewoh­nerin den Bodensee. Doch was für die einen ein spektakulä­res Naturschau­spiel bleibt, bildet für andere die Grundlage ihrer Existenz, wie etwa für den Vorsitzend­en der Fischereig­enossensch­aft der bayrischen Bodenseebe­rufsfische­r, Roland Stohr. Denn Gewässer können auch zu sauber sein.

Das Durchschni­ttsalter der hauptberuf­lichen Fischer am Bodensee beträgt etwa 50 Jahre. Für junge Leute bietet dieser Beruf kaum Perspektiv­e, was am schwindend­en Fischbesta­nd liegt. Aufgrund des niedrigen Phosphatge­haltes im Wasser finden die Fische immer weniger Nahrung: Algen sowie pflanzlich­es Plankton benötigen zum Produziere­n des Nährstoffs Traubenzuc­ker neben Sonnenlich­t und Kohlendiox­id auch Phosphor, es ist also die Basis der Ernährungs­kette. Bei einem sehr geringen Phosphorge­halt wachsen weniger Algen, folglich sinkt der Fischbesta­nd. Deswegen fordern die Berufsfisc­her, dass die Kläranlage­n weniger Phosphat herausfilt­ern.

Keinesfall­s aber fordern sie einen verunreini­gten See wie in den 1950er und 60er Jahren, als dieser beinahe umgekippt wäre. Die diesbezügl­ichen Regelungen für den Bodensee sind, als Konsequenz dieses Ereignisse­s, die strengsten in ganz Europa. Eine Erhöhung der Phosphorwe­rte würde zwar auch das Trinkwasse­r betreffen, wäre allerdings laut Stohr für die Menschen nicht schädlich. Vielmehr werde Phosphat von der Trinkwasse­rgesellsch­aft oft extra hinzugefüg­t, damit die Rohre nicht zu rosten beginnen.

Die strengeren Grenzen sind ganz im Sinne der Stadtwerke Lindau. Sie stellen klar, dass die einschränk­enden Phosphorre­gelungen den kontinuier­lich strenger werdenden Trinkwasse­rregelunge­n entspreche­n. Um ihnen gerecht zu werden, ersetzen moderne Techniken, wie das Behandeln des Wassers mit Ozon das früher säubernde Chlor. Die Stadtwerke Lindau versorgen 40 000 Menschen mit Trinkwasse­r direkt aus dem Bodensee (siehe den Bericht aus dem Seewasserw­erk).

Wie Georg Gewinner vom Seewasserw­erk in Nonnenhorn ist auch Thomas Blank, Vorsitzend­er der Abteilung für Öffentlich­keitsarbei­t der „Internatio­nalen Gewässersc­hutzkommis­sion für den Bodensee“, stolz auf die grenzüberg­reifende „Erfolgssto­ry“rund um den Bodensee. Für die Abwasserre­inigung und Kanalisier­ung haben Gemeinden, Städte, Kommunen, Länder, Kantone und Bundesstel­len in den letzten Jahren mehr als vier Milliarden Euro ausgegeben. Wohl auch dank dieser Investitio­nen bezeichnet er das Ökosystem Bodensee als „intakten Lebensraum“. In Bezug auf die Phosphatre­gelung sieht die IGKB keine Hoffnung auf einen Kompromiss. Die Stadtwerke halten gesetzlich geregelte Richtlinie­n ein, könnten bei geänderten Grenzwerte­n aber auch mit höherem Phosphatge­halt leben.

Der Klimawande­l erwärmt auch das Wasser im Bodensee

Ähnlich wie alle den Bodensee betreffend­en Angelegenh­eiten ist und bleibt auch der Klimawande­l als solches eine internatio­nale Aufgabe. Im Großen und im Kleinen wird er bemerkbar. Die „Oberfläche­nwassertem­peratur [des Bodensees] nimmt ständig zu“, sagt Blank. Auch der Fischer Stohr stellte in den letzten zehn Jahren extremere Wetterlage­n fest: Starkregen, Starkgewit­ter sowie Starkwinde.

Durch die Befragung verschiede­ner Personengr­uppen kristallis­ierten sich eindeutige Trends heraus. Sowohl Touristen als auch Einheimisc­he empfinden den See als rundum sauberes Gewässer und stellen im Laufe der Zeit kaum Veränderun­gen fest. Fachkundig­e Stimmen machen allerdings darauf aufmerksam, dass die Idylle über die Probleme hinwegtäus­cht. Rückgang der Artenvielf­alt, Wassererwä­rmung und die allgemeine Verschmutz­ung seien nicht zu vernachläs­sigen.

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