Der Bodensee im Spannungsverhältnis der Interessen
Optimistische Sichtweisen auf den Bodensee täuschen über Probleme hinweg
„Freiheit, Ruhe, Friede, Einmaligkeit, Naturgewalt“: Mit diesen Worten beschreibt eine Inselbewohnerin den Bodensee. Doch was für die einen ein spektakuläres Naturschauspiel bleibt, bildet für andere die Grundlage ihrer Existenz, wie etwa für den Vorsitzenden der Fischereigenossenschaft der bayrischen Bodenseeberufsfischer, Roland Stohr. Denn Gewässer können auch zu sauber sein.
Das Durchschnittsalter der hauptberuflichen Fischer am Bodensee beträgt etwa 50 Jahre. Für junge Leute bietet dieser Beruf kaum Perspektive, was am schwindenden Fischbestand liegt. Aufgrund des niedrigen Phosphatgehaltes im Wasser finden die Fische immer weniger Nahrung: Algen sowie pflanzliches Plankton benötigen zum Produzieren des Nährstoffs Traubenzucker neben Sonnenlicht und Kohlendioxid auch Phosphor, es ist also die Basis der Ernährungskette. Bei einem sehr geringen Phosphorgehalt wachsen weniger Algen, folglich sinkt der Fischbestand. Deswegen fordern die Berufsfischer, dass die Kläranlagen weniger Phosphat herausfiltern.
Keinesfalls aber fordern sie einen verunreinigten See wie in den 1950er und 60er Jahren, als dieser beinahe umgekippt wäre. Die diesbezüglichen Regelungen für den Bodensee sind, als Konsequenz dieses Ereignisses, die strengsten in ganz Europa. Eine Erhöhung der Phosphorwerte würde zwar auch das Trinkwasser betreffen, wäre allerdings laut Stohr für die Menschen nicht schädlich. Vielmehr werde Phosphat von der Trinkwassergesellschaft oft extra hinzugefügt, damit die Rohre nicht zu rosten beginnen.
Die strengeren Grenzen sind ganz im Sinne der Stadtwerke Lindau. Sie stellen klar, dass die einschränkenden Phosphorregelungen den kontinuierlich strenger werdenden Trinkwasserregelungen entsprechen. Um ihnen gerecht zu werden, ersetzen moderne Techniken, wie das Behandeln des Wassers mit Ozon das früher säubernde Chlor. Die Stadtwerke Lindau versorgen 40 000 Menschen mit Trinkwasser direkt aus dem Bodensee (siehe den Bericht aus dem Seewasserwerk).
Wie Georg Gewinner vom Seewasserwerk in Nonnenhorn ist auch Thomas Blank, Vorsitzender der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der „Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee“, stolz auf die grenzübergreifende „Erfolgsstory“rund um den Bodensee. Für die Abwasserreinigung und Kanalisierung haben Gemeinden, Städte, Kommunen, Länder, Kantone und Bundesstellen in den letzten Jahren mehr als vier Milliarden Euro ausgegeben. Wohl auch dank dieser Investitionen bezeichnet er das Ökosystem Bodensee als „intakten Lebensraum“. In Bezug auf die Phosphatregelung sieht die IGKB keine Hoffnung auf einen Kompromiss. Die Stadtwerke halten gesetzlich geregelte Richtlinien ein, könnten bei geänderten Grenzwerten aber auch mit höherem Phosphatgehalt leben.
Der Klimawandel erwärmt auch das Wasser im Bodensee
Ähnlich wie alle den Bodensee betreffenden Angelegenheiten ist und bleibt auch der Klimawandel als solches eine internationale Aufgabe. Im Großen und im Kleinen wird er bemerkbar. Die „Oberflächenwassertemperatur [des Bodensees] nimmt ständig zu“, sagt Blank. Auch der Fischer Stohr stellte in den letzten zehn Jahren extremere Wetterlagen fest: Starkregen, Starkgewitter sowie Starkwinde.
Durch die Befragung verschiedener Personengruppen kristallisierten sich eindeutige Trends heraus. Sowohl Touristen als auch Einheimische empfinden den See als rundum sauberes Gewässer und stellen im Laufe der Zeit kaum Veränderungen fest. Fachkundige Stimmen machen allerdings darauf aufmerksam, dass die Idylle über die Probleme hinwegtäuscht. Rückgang der Artenvielfalt, Wassererwärmung und die allgemeine Verschmutzung seien nicht zu vernachlässigen.