Warum bringen wir so viele Energieeinheiten aus Lindau weg und bezahlen auch noch dafür?
Joachim Seitz vom Arbeitskreis Seeholz spricht über die Verwendung des Treibholzes
Nicht beim Hochwasser landet im Bodensee bei Lindau viel Schwemmholz an. Bisher ist das vor allem lästig und teuer. Doch es könnte zum Schatz werden. Das jedenfalls erklärt Joachim Seitz vom Arbeitskreis Schwemmholz im Interview mit Till Schmuck und René Bengart.
Warum ist das Thema Treibholz so eine große Sache?
Treibholz am Bodensee ist ja schon seit Jahrhunderten eine Problematik. Oft auch eine größere bei besonderen Hochwassersituationen. Bei großen Treibholzmengen ist außerdem das Problem, dass Schäden entstehen. Nicht nur am Ufer, sondern auch an Booten sowie ihren Befestigungsanlagen. Dieses Seeholz wird dann sehr aufwendig geborgen und bis jetzt auf nicht energetisch genutzte Entsorgungswege gebracht. Über das Energieteam, diese sogenannte Agendagruppe und den Arbeitskreis Seeholz, der sich schon vor vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigt hat, wurde immer deutlicher, dass die Verbringung des Seeholzes, welches hier in Lindau anlandet, eigentlich auch einer Verwertung hier in Lindau zugeführt werden sollte. Und eben nicht in hundert oder mehr Kilometer Entfernung.
Warum wird das Seeholz in größerer Entfernung verarbeitet anstatt hier in Lindau?
Die stoffliche Verwertung stand bisher im Vordergrund, weil zumindest ein Gutteil dieser Seehölzer bei vernünftiger Sortierung zwischen großen und kleinen Stücken für Firmen ein interessanter Wertstoff ist und damit auch ein interessantes Geschäftsfeld. Die schlechteren Seeholzmengen, welche auch mit Flussholz und Siebrechenresten vermischt sind, werden zum Beispiel im Raum Weilheim und Schongau in großen Anlagen verbrannt. Deswegen wurde es in Lindau nie ernsthaft in Erwägung gezogen, es selbst zu nutzen, weil wir diese Nutzungsmöglichkeiten, z.B. für eine Nahwärme-Versorgung gar nicht haben. Außerdem ist Lindau durch die Stadtwerke Lindau hauptsächlich mit Erdgas versorgt.
Gibt es genaue Angaben, wie viel diese jetzige Verarbeitung von Treibholz kostet?
Ich bilde mir ein, dass in einer dieser Recherchen vom Arbeitskreis Seeholz grobe Zahlen für die gesamten Arbeitsschritte inklusive der Personal und Maschinenkosten ermittelt wurden, die in der Größenordnung von 200 000 Euro pro Jahr liegen. Diese Kosten sind über den staatlichen Haushalt sowie seine zuständigen Behörden (Wasserwirtschaftsamt / Seemeisterei) gedeckt.
Warum beschäftigen Sie und der Aktionskreis sich mit diesem Thema?
Der monetäre Wert von Treibholz – umgesetzt in Wärmeenergie-Einheiten ist hoch – zirka 800 000 Euro pro Jahr würde eine vergleichbare Heizölmenge kosten. Mich wundert, wieso das Potenzial in Lindau niemand sieht? Warum transportieren wir so viele Energieeinheiten aus Lindau weg und bezahlen dafür auch noch? Zudem war das Spannende und Reizvolle eine neue Kombination, welche sich in den letzten zwei Jahren entwickelt hat, nämlich eine Verbindung von Reststoffen, die in der Kläranlage anfallen, und der energetischen Nutzung von Treibholz. Nicht nur um Heizenergie zu erzeugen, sondern auch, Stromenergie zu erhalten. Diese relativ neue Technik der BiomasseVergasung war im Prinzip somit eine Art Initialzündung, warum ich mich auch wieder mehr für das EnergieThema engagiert habe. Auch, weil es eine ideale Kombination gäbe aus dem Standort des Klärwerks von Lindau, wo die meiste Stromenergie einer Gemeinde verbraucht wird, mit intelligenten Ansätzen die Seeholzbiomasse mit der Klärschlammrestmasse so zu kombinieren. Nicht zuletzt deshalb, weil auch weniger Kosten für uns Bürger und Gebührenzahler entstehen und gleichzeitig die Ökobilanz unserer Stadt insgesamt verbessert werden könnte. Eines der großen Ziele aus dem Lindauer Klimaschutzkonzept.
Was will der Arbeitskreis Seeholz gegen die Situation machen?
Wir wollen eine politische Unterstützung für eine nötige und fundierte Untersuchung für die Verwendung der Wärmeenergie im Bereich des Gewerbegebietes und der vorhandenen und zukünftigen Gewerbebetriebe und möglicherweise der neuen Therme – die bekanntermaßen das ganze Jahr über sehr viel Wärmeenergie benötigen wird. Darüber hinaus soll mit der Modernisierung und Ertüchtigung des Lindauer Klärwerks ein Standort entwickelt werden, der die eigenen Energiequellen „Klärschlamm“und „Seeholz“nutzbar macht für die Erzeugung und den Verkauf von Strom und Wärme aus eigenen „biogenen Reststoffen“ermöglicht.