Wider die Baublockade
Südwesten will Regeln vereinfachen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen
AITRACH - Baden-Württemberg arbeitet intensiv an einer umfassenden Überarbeitung des Bauordnungsrechts, um die steigenden Kosten im Wohnungsbau zu senken. Das jedenfalls erklärte Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) am Freitag auf einer Konferenz des Baustoffherstellers Gebhart & Söhne KG – besser bekannt unter Gisoton – in Aitrach (Landkreis Ravensburg). Hoffmeister-Kraut verantwortet als Landesministerin neben den Ressorts Wirtschaft und Arbeit auch den Wohnungsbau.
„Die Wohnungsmärkte sind für breite Bevölkerungsschichten im Südwesten längst nicht mehr so zugänglich wie sie es sein sollten“, sagte Hoffmeister-Kraut. Schnell mehr neue und bezahlbare Wohnungen auf den Markt zu bringen, sei daher eines ihrer dringlichsten Ziele. Vor allem in den Ballungszentren sei die Wohnungsnot groß.
In Aitrach gewährte die Ministerin vor einigen Hundert Zuhörern aus der Branche Einblick in die Regierungspläne. Im Rahmen der im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen Wohnraumallianz sei man mit Finanz- und Wirtschaftsvertretern intensiv im Gespräch, um die Problematik anzugehen. Einzelne Bestimmungen in der Landesbauordnung, die die Baukosten in die Höhe trieben, stünden auf dem Prüfstand. Hoffmeister-Kraut nannte als Beispiele den verbindlichen Ausweis von Grünflächen bei Neubauvorhaben oder die Pflicht, wettergeschützte und diebstahlsichere Fahrradabstellplätze einzurichten. Auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz falle in diese Kategorie. „Da müssen wir einiges zurückdrehen“, sagte die Ministerin wohl wissend, dass das in der grün-schwarzen Koalition kein leichtes Unterfangen wird.
Ausbau der Wohnraumförderung
Im sozialen Wohnungsbau stellt die Landesregierung 250 Millionen Euro für die Wohnraumförderung zur Verfügung. Auch inhaltlich sei das Förderprogramm weiterentwickelt worden. So umfasse das Programm künftig wieder das ganze Land und nicht nur wie bis dato die Ballungszentren. Zudem seien die Einkommensgrenzen, um Fördergelder in Anspruch nehmen zu können, um zehn Prozent angehoben worden. „In der Summe ist das ein gutes Paket – gerade für Schwellenhaushalte, die bislang nicht davon profitierten“, sagte Hoffmeister-Kraut.
Auch Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, hatte in Aitrach die Regulierungswut im Baurecht angeprangert. „Wenn wir die gesetzlichen Vorschriften nicht entschlacken, werden wir den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum langfristig nicht decken“, sagte Gedaschko. Seit 2000 seien die Kosten für die Fertigstellung von einem Quadratmeter Wohnraum um 49 Prozent gestiegen. Für einen großen Teil dieser Kosten seien Bund und Länder verantwortlich. „Das macht es zunehmend unmöglich, dass die Bürger ausreichend mit preiswertem Wohnraum versorgt werden können“, sagt Gedaschko.
Erschwerend kommt hinzu: Über Jahre wurde in Deutschland – auch wegen falscher Annahmen zu Zuzug und innerdeutscher Wanderungsbewegungen – deutlich zu wenig gebaut. In den Jahren 2008 und 2009 erreichten die Baufertigstellungen mit rund 150 000 Einheiten Tiefststände. Seitdem ziehen Bauanträge und -fertigstellungen zwar an. Trotzdem klafft zwischen Angebot und Nachfrage noch immer eine erhebliche Lücke. Rund 400 000 Wohneinheiten müssten in den kommenden Jahren jährlich fertiggestellt werden, um die Nachfrage mittelbis langfristig zu befriedigen.
Problem Geschossbau
Vor allem im Geschosswohnungsbau mit anschließender Vermietung sorgen die vielfältigen Vorschriften und Auflagen dafür, dass deutlich zu wenig gebaut wird. „Der Staat muss das Bauen deutlich billiger machen“, forderte Gedaschko. Als Beispiel nannte der Verbandspräsident die Verschärfung der Energieeffizienzverordnung, die zuletzt noch einmal für einen Sprung bei den Baukosten gesorgt hat. Darin sind die Anforderungen festgelegt, die Wohnimmobilien in puncto Energieeffizienz erfüllen müssen. „Die Daumenschrauben dafür sind in den vergangenen Jahren zu stark angezogen worden“, kritisiert Gisoton-Geschäftsführer Friedrich Gebhart.
Hinzu kommen langwierige Genehmigungsverfahren, die den Bürgern in Zeiten der Digitalisierung immer schwerer zu vermitteln sind. „Wir erledigen eine Vielzahl an Geschäften digital über das Smartphone und schleppen den Bauantrag nach wie vor in fünffacher Ausfertigung auf Papier zum Bauamt“, so Gedaschko. Das es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Niederlande. Dort wurde das Baurecht modernisiert und digitalisiert – mit dem Ergebnis, dass Bauanträge im Idealfall binnen eines Tages beschieden werden können. Deutsche Häuslebauer können davon nur träumen.