Bayerns Babyboom führt zu Engpässen bei Kinderärzten
Forderung nach mehr Arztsitzen wird lauter – Gesundheitsministerium will Gutachten abwarten
MÜNCHEN (lby) - Bayern im Babyboom: 2016 kamen in vielen Städten im Freistaat so viele Neugeborene zur Welt wie seit Jahren nicht mehr. Die niedergelassenen Kinderärzte stellt die steigende Geburtenzahl vor ein Problem: Ihre Wartezimmer werden voller und voller.
„In der Kinder- und Jugendmedizin haben wir zunehmend Versorgungsprobleme“, sagt Martin Lang, Vorsitzender des bayerischen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). In vielen Regionen würden Eltern mit Kindern, die sich neu in einer Praxis anmelden wollen, abgewiesen. „Wir nehmen nur noch Familien auf, die frisch entbunden haben oder neu nach Augsburg gezogen sind“, sagt Lang über seine eigene Praxis.
Städte verzeichnen mehr Geburten
München hat 2016 mit insgesamt 18 107 Neugeborenen einen Geburtenrekord erzielt. Die Zahl entspricht einem Anstieg von 5,6 Prozent im Vergleich zu 2015. In Augsburg sind insgesamt 5578 Kinder zur Welt gekommen, rund 350 mehr als im Vorjahr. „In den letzten fünf Jahren ist die Geburtenzahl um 20 Prozent gestiegen“, sagt Karl Krömer, Leiter des Augsburger Standesamtes. Und es gehe weiter bergauf.
Ein Geburtenhoch erlebt auch Nürnberg: Mit 5539 Neugeborenen sind dort 2016 so viele Kinder auf die Welt gekommen wie seit 1969 nicht mehr. Würzburg zählte 4201 Neugeborene, 160 mehr als im Vorjahr. Die Tendenz sei einer Stadtsprecherin zufolge steigend. In Passau sind 2208 Kinder zur Welt gekommen, 2015 waren es 1715. Tendenz laut Stadtsprecher Herbert Zillinger: steigend.
Einer der Gründe für diese Entwicklung liegt laut Sozialministerium in der Familienpolitik der letzten Jahre. Auch die Wirtschaftslage und die hohe Zahl der verfügbaren Stellen trage „dazu bei, dass immer mehr Paare ,Ja‘ zum Kind sagen“, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.
Auf dem Papier ist der Nachwuchs medizinisch bestens versorgt. Der sogenannte Versorgungsgrad misst das Verhältnis der Kinderärzte in einem Stadt- oder Landkreis zu den Einwohnern unter 18 Jahren. Danach herrscht in den großen Städten sogar eine Überversorgung. Die Zahlen bilden aber nicht die ganze Realität ab. So schließen sie neben den allgemeinen Kinderfachärzten auch Spezialisten ein, zum Beispiel Kinderkardiologen. Die kümmern sich aber nicht um Patienten mit häufig auftretenden Erkrankungen wie Erkältungen oder Windpocken.
Der BVKJ Bayern fordert nun, dass der Bedarf neu berechnet wird, damit sich mehr Kinderärzte in den Städten und auf dem Land niederlassen können. Unterstützung bekommt er von der Kassenärtzlichen Vereinigung Bayern. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums teilte mit, dass zuletzt ein Gutachten hierzu in Auftrag gegeben worden sei. Mit den ersten Ergebnissen sei Anfang 2018 zu rechnen.