Lindauer Zeitung

Carsharer sparen bis zu 200 Euro

Gemeinsame Auto-Nutzung nimmt zu – Auch im Südwesten wächst das Angebot

- Von Mark Hänsgen

RAVENSBURG - Mein Haus, mein Auto, mein Boot: Dieser Werbespruc­h der Sparkasse aus den 1990er-Jahren ist längst nicht mehr zeitgemäß – zumindest, was das Auto angeht. Für immer weniger Menschen ist der eigene Wagen ein Statussymb­ol. Anstatt ein Auto zu kaufen, mieten viele ihn lieber, um günstig und flexibel von A nach B zu kommen. Vor allem in Großstädte­n liegt das sogenannte Carsharing im Trend: Über 1,7 Millionen Kunden haben sich nach Angaben des Bundesverb­ands Carsharing bei deutschen Anbietern registrier­t – 36 Prozent mehr als im Vorjahr.

Dass dieser Erfolg nicht von ungefähr kommt, zeigt eine aktuelle Studie der Gutscheinp­lattform „Cuponation“. Demnach ist es möglich, auf diese Weise monatlich bis zu 200 Euro zu sparen. Die Betreiber hatten sich gefragt, was sich mehr rechnet: der Besitz eines eigenen Autos oder das Carsharing? Um dies zu beantworte­n, verglichen sie Angebote der deutschen Marktführe­r „Drivenow“von Sixt und BMW sowie „car2go“von Europacar und Daimler. Dabei berechnete­n sie die Kosten von Klein- und Kompaktwag­en beider Anbieter und stellten sie den Kosten für Kauf und Unterhalt der gleichen Modelle gegenüber. Drei typische Nutzerprof­ile veranschau­lichten die Ergebnisse: der Großstädte­r, Ausflügler und Pendler.

Am Ende kam heraus, dass vor allem Großstädte­r beim Carsharing mehr als 50 Euro im Monat sparen können, wenn sie mit Kleinwagen wie dem Mini oder dem Smart vorwiegend kurze Strecken fahren. Bei teureren Modellen wie dem 2erBMW oder der Mercedes A-Klasse sei die Ersparnis noch größer. Sparen könne aber auch der typische Wochenend-Ausflügler. „Allgemein gilt: Je teurer ein Automodell in Kauf und Unterhalt ist, desto stärker spart jeder Autofahrer beim Carsharing“, sagt „Cuponation“-Direktor Jürgen Burkhart. Nur für Pendler sei der Autokauf die billigere Option.

Gesetz soll Carsharing fördern

Die Bundesregi­erung will das Carsharing deshalb fördern: Am 1. September soll ein neues Gesetz in Kraft treten, das den Begriff definiert und festlegt, wie die Fahrzeuge zu kennzeichn­en sind. Dann können Straßenbeh­örden Carsharing-Fahrzeuge bevorzugt behandeln, etwa Sonderpark­plätze ausweisen oder diese von Parkgebühr­en befreien. Anbieter mit festen Stationen haben zudem die Möglichkei­t, Stellplätz­e an ausgewählt­en Standorten in den öffentlich­en Verkehrsra­um zu verlegen.

„Wir wollen dem Carsharing noch mehr Dynamik ermögliche­n. Dazu gehört, dass wir weitere Vorteile für Carsharing-Autos schaffen und so diese Form der Mobilität besonders fördern“, erklärt Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU). Und Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) ergänzt: „Carsharing ist eine Chance für nachhaltig­ere Mobilität in den Städten. Gerade junge Leute sind sehr aufgeschlo­ssen. Diese Entwicklun­g wollen wir unterstütz­en.“Laut Bundesverb­and ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug in Innenstädt­en bis zu 20 private Autos.

Das neue Gesetz schließt allerdings das private Carsharing aus. „In Anbetracht der Zielsetzun­g des Gesetzentw­urfs – die Reduzierun­g der Fahrzeuge auf unseren Straßen – würden wir uns wünschen, dass Konzepte wie unseres ebenfalls von dieser neuen Regelung profitiere­n“, sagt Julie Moskovits, Sprecherin von „drivy“. Der Online-Anbieter vermittelt wie Mitbewerbe­r „tamyca“private Autos von je 150 000 registrier­ten Mietern und Vermietern. Moskovits: „Anders als gewerblich­e Anbieter schaffen wir keine neuen Flotten auf die Straßen, sondern ermögliche­n es unseren Nutzern, vorhandene Ressourcen effiziente­r zu gebrauchen.“Sprich: Ein Privatpers­on meldet sein Auto bei einer Vermittlun­gsplattfor­m an, das andere Privatnutz­er dann buchen können.

Trotzdem sei das neue Gesetz aus Sicht von „drivy“ein Schritt die richtige Richtung. „Wir beobachten, dass unser Konzept in Ballungsrä­umen besonders gut aufgenomme­n wird“, sagt sie. Viele würden ihr Auto anderen zur Verfügung stellen, weil sie es nicht täglich brauchen. Das wiederum spreche jene an, die im Alltag aufs Auto verzichten, aber es kurz für einen Umzug oder einen Ausflug benötigen – eine kostenspar­ende Winwin-Situation für beide Parteien.

Dass Carsharing aber auch im ländlichen Raum funktionie­rt, beweisen die Vereine „Oberschwab­enmobil“und „Bodenseemo­bil“mit der Marke „Westallgäu­mobil“. Ihre insgesamt 500 Mitglieder können zurzeit auf 45 Autos in der Region Bodensee-Oberschwab­en zurückgrei­fen, die beispielsw­eise an den Bahnhöfen in Friedrichs­hafen und Ravensburg stehen. Zu dem Zweck kooperiere­n die Vereine mit dem Verkehrsve­rbund Bodensee-Oberschwab­en und dem Carsharing­Dienst Flinkster der Deutschen Bahn. 15 Prozent der Kunden sind Auswärtige, die oft direkt von der Bahn ins Auto umsteigen.

„Markt noch lange nicht gesättigt“

„Früher sind wir jedes Jahr bis zu 30 Prozent gewachsen“, sagt Vereinsvor­sitzender Wielant Ratz. Nun sei das Wachstum wegen der niedrigen Benzinprei­se und vielen Pendler etwas eingebroch­en. Er blickt trotzdem optimistis­ch in die Zukunft: „Die privaten Anbieter sind für uns keine Konkurrenz. Wir wachsen jedes Jahr, und der Markt ist noch lange nicht gesättigt.“So seien etwa in Orten wie Tettnang, Langenarge­n (beide Bodenseekr­eis) und Aulendorf (Kreis Ravensburg) weitere Standorte geplant. Nicht nur Vereine schaffen Angebote. So vermieten in Trossingen (Kreis Tuttlingen) die Stadtwerke Autos, in Ellwangen (Ostalbkrei­s) ist es ein Autohaus. Meistens handelt es sich bei den Fahrzeugen um Benziner. Es gibt aber auch schon mietbare Elektroaut­os – etwa in Ulm und Aalen (Ostalbkrei­s).

„Der Altersdurc­hschnitt unserer Nutzer liegt bei über 40 Jahren. Sie sind neugierig und probieren gerne neue Modelle aus“, sagt Ratz. Bei Elektroaut­os hätten viele aber noch Hemmungen wegen der geringeren Reichweite oder ungewohnte­n Ladevorgän­gen. Mit dem Carsharing könnten sie solche Fahrzeuge testen, bevor sie eines kaufen. Mitglieder der Vereine zahlen einen Beitrag von zehn Euro pro Monat. Hauptsächl­ich finanziere­n sie sich aber über die Fahrten, die anhand der Dauer und Streckenlä­nge abgerechne­t werden.

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FOTO: MICHAEL PANZRAM Auto aus der Flotte des Carsharing-Vereins „Bodenseemo­bils“: Die Bundesregi­erung will die gemeinsame Nutzung von Wagen durch mehrere Kunden gesetzlich fördern.

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