Lindauer Zeitung

Neue Regeln im Zahlungsve­rkehr

EU-Richtlinie soll Geldtransf­ers einfacher machen – Experten prophezeie­n grundlegen­den Wandel für Kunden

- Von Alexander Sturm

FRANKFURT (dpa) - Manche vergleiche­n die neuen Regeln schon mit historisch­en Wegmarken im Zahlungsve­rkehr: den ersten Kreditkart­en Ende der 1950er-Jahre, dem Aufkommen von EC-Karten in den 1980ern und digitalen Überweisun­gen seit der Jahrtausen­dwende. Glaubt man Experten, könnten ein neue Regeln der Europäisch­en Union (EU) die Art, wie Bankkunden bezahlen, von Grund auf verändern.

Mit der „PSD2“-Richtlinie will Brüssel den Wettbewerb im europäisch­en Zahlungsve­rkehr fördern – ihn sicherer, bequemer und billiger machen. 2018 soll sie in Deutschlan­d in nationales Recht umgesetzt werden, das Bundeskabi­nett hat nun grünes Licht gegeben. Die „Payment Service Directive“bricht das lukrative Monopol der Banken beim Zugriff auf Kontodaten. Wer weiß, wie viel Geld Privatkund­en haben und für was sie es ausgeben, kann ihnen leicht weitere Dienste anbieten – Baufinanzi­erungen etwa oder auch Kredite, Versicheru­ngen, Wertpapier­e.

Zugriff auf Konten und Daten

Künftig aber müssen Geldhäuser nach dem Willen der EU Drittanbie­ter wie Finanz-Start-ups („Fintechs“) den Zugriff auf Konten und Daten ihrer Kunden ermögliche­n. „Es ist eine der strategisc­h wichtigste­n Veränderun­gen im Bankwesen der vergangene­n Jahre“, sagt Sebastian Steger, Partner bei der Unternehme­nsberatung Roland Berger. „Das Verhältnis von Bank und Kunden wird neu definiert.“Über eine Milliarde Konten in der EU seien betroffen.

Yassin Hankir, Gründer des Startups Savedroid, könnte ein Profiteur sein. Er hat eine App für Smartphone­s entwickelt, die Kunden beim Sparen hilft. Anhand der regelmäßig­en Einnahmen und Ausgaben auf dem Girokonto analysiert sie, ob Bankkunden Geld übrig haben – und legt je nach finanziell­er Lage automatisc­h Beträge auf die Seite. Mit PSD2 könnte die Anwendung Auftrieb bekommen, da sie so leichter Kundendate­n auswerten kann. „Sie würde uns helfen, Zugang zu Konten zu erhalten“, sagt Hankir. „Wir hoffen auf eine schnelle Umsetzung.“

Auch ähnliche Apps könnten sich mit der neuen Richtlinie leichter verbreiten – etwa solche, mit denen Kunden alle ihre Konten bei verschiede­nen Banken auf einmal im Blick haben. Auch neue Zahlungsdi­enste dürften schneller zum Kunden vordringen.

Banken sind nicht begeistert

Wenig begeistert sind daher die Geldhäuser. Es sei „unverständ­lich“, dass Drittdiens­te einen gesetzlich definierte­n Zugang zur Infrastruk­tur der Banken hätten, der umgekehrt nicht gelte, monierte Andreas Krautschei­d vom Bundesverb­and deutscher Banken. Berater Steger glaubt, dass PSD2 die Banken viel Geld kosten wird, wenn sie passiv reagieren. „Die etablierte­n Geldhäuser könnten im Privatkund­engeschäft bis zu 40 Prozent ihres Gewinns verlieren.“

Verbrauche­r müssen indes nicht fürchten, dass Firmen künftig unkontroll­iert auf ihre Daten zugreifen. „Bankkunden müssen ihnen explizit die Erlaubnis für eine Weitergabe erteilen“, sagt Ulrich Binnebößel, Experte für Zahlungsve­rkehr beim Handelsver­band HDE. Zudem dürften Institute nur für den angefragte­n Zweck Daten herausgebe­n. Stimmen Verbrauche­r zu, geschieht der Zugriff über Schnittste­llen bei der Hausbank. „Die hohen Sicherheit­sstandards bleiben erhalten“, so der Bankenverb­and Deutsche Kreditwirt­schaft.

Für mehr Sicherheit sollen zudem strengere Regeln etwa bei Kartenzahl­ungen im Netz sorgen. So müssen Kunden nach PSD2 neben den Kartendate­n wie der Kontonumme­r ein zweites Merkmal wie eine TAN oder einen Fingerabdr­uck eingeben. Der Handel ist aber skeptisch. „Zahlungen im Internet werden erschwert, der zusätzlich­e Verbrauche­rschutz ist fraglich“, sagt Binnebößel.

Mehr Wettbewerb im Netz

Finanziell jedoch dürfte der Handel profitiere­n. Müssen Verkäufer bei Zahlungen per Kreditkart­e relativ hohe Gebühren an die Kartenfirm­en leisten, könnten neue Zahlungsdi­enste für mehr Wettbewerb sorgen und damit Kosten senken. Für Verbrauche­r, die beim Online-Einkauf ohnehin die Wahl etwa zwischen Lastschrif­t, Rechnung oder Kreditkart­e haben, liegt der Vorteil hingegen in digitalen Angeboten von Drittanbie­tern.

Doch wollen deutsche Verbrauche­r solche überhaupt? Sie gelten als konservati­v und schätzen oft Bargeld. Das täusche, erklärt Berater Steger. Über 60 Prozent der Bankkunden erledigten hierzuland­e ihre Geschäfte online. Mobil per Smartphone oder Tablet zahlten erst sieben Prozent. Doch 60 Prozent der Kunden hätten grundsätzl­ich Interesse, solange es sichere und attraktive Wege gebe. „Selbst bei den über 60-Jährigen sind es mehr als 40 Prozent“, sagt Steger. Vielleicht brauche es noch etwas Zeit. „Aber der Markt ist reif und die Technik da.“

Handelsexp­erte Ulrich Binnebößel indes ist skeptisch. Der Nutzwert der Richtlinie PSD2 sei für Verbrauche­r noch schwer zu fassen. Doch immerhin erleichter­e sie Alternativ­en zur Bank. „Der Kunde hat dann die Wahl.“

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FOTO: DPA Kreditkart­e auf der Tastatur eines Laptops: Die neue „PSD2“-Richtlinie der Europäisch­en Union soll für mehr Wettbewerb zwischen Zahlungsdi­ensten im Netz sorgen und auf diese Weise die Kosten senken.

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