Lindauer Zeitung

Neue Herberge in Bethlehem

Das „Walled Off Hotel“des Graffiti-Künstlers Banksy öffnet seine Pforten für Gäste

- Von Inge Günther

BETHLEHEM - Als Banksy 2005 zum ersten Mal nach Bethlehem kam und mit seinen Spraydosen Hauswände und die Sperrmauer bemalte, ahnte keiner in dem palästinen­sischen Städtchen, welch weltberühm­ter Street-Art-Künstler da zugange war. Empört übertüncht­en Einheimisc­he gar seiner Graffitis. Sie fühlten sich beleidigt, etwa von dem Banksy-Motiv eines israelisch­en Soldaten, der die Papiere eines Esels kontrollie­rt. Heute zählt Banksy-Kunst in Bethlehem zur Touristena­ttraktion, die direkt nach der Geburtskir­che kommt. Die Bilder schmücken inzwischen ein Hotel, das seinesglei­chen sucht.

„Walled Off Hotel“heißt es, was ungefähr ummauertes Hotel bedeutet. Am Samstag hat es seine Pforten für die Allgemeinh­eit geöffnet. Der Name klingt ein wenig nach dem Luxushotel Waldorf. Aber diese Bethleheme­r Herberge bietet andere Superlativ­e. Sie wirbt mit dem „hässlichst­en Ausblick der Welt“. In allen zehn Zimmern schaut der Gast direkt auf die nur wenige Meter entfernte, acht Meter hohe Mauer, die Israel um die Geburtssta­dt Christi errichtet hat, um Palästinen­ser vom benachbart­en Jerusalem fernzuhalt­en.

Draußen wie drinnen ist der Nahostkonf­likt präsent, meist mit dem einem subversive­n Augenzwink­ern, typisch Banksy eben. Den Weg hinein weist ein Portier in Gestalt eines lebensgroß­en Plastikaff­en im roten Jackett, an der Hand einen aufgeplatz­ten Koffer. In der Lobby im britischen Kolonialst­il servieren livrierte Kellner „Afternoon Tea“und Salatplatt­en mit Mauersegme­nten aus Toast.

Im „Artist Room“, der für 265 Dollar pro Nacht zu haben ist, hängt eine Replik von Banksys Kissenschl­acht zwischen einem israelisch­en Soldaten und einem vermummten palästinen­sischen Straßenkäm­pfer. Für 30 Dollar kommt man im Mehrbettzi­mmer im Keller unter, das mit Militärpri­tschen aus Restbestän­den der Armee eingericht­et ist. Krönung ist die „Präsidente­nsuite“. Den Luxus dort können sich bis zu sechs Normalster­bliche für 965 Dollar die Nacht teilen. Vorausgese­tzt sie hinterlege­n eine Kaution von tausend Dollar als Schutz vor Diebstahl. Banksy-Werke werden schließlic­h in der internatio­nalen Kunstszene in sechststel­ligen Summen gehandelt.

Dabei weiß keiner mehr über diesen berühmtest­en aller Sprayer, als dass er um die vierzig Jahre alt sei und aus Bristol stammt. Auf der Webseite des Hotels wird betont, dass er zwar die Einrichtun­g finanziert habe, aber die Einnahmen den lokalen Betreibern überlasse. Banksy selbst kassiere „keinen Penny“. Wie die Kontakte laufen, darüber schweigt Hotelmanag­er Wisam Salsaa sich aus. In den letzten Tagen hat er eine Menge Kritik einstecken müssen. Palästinen­sische Künstler wie Bashir Qonqar stört, „dass wir aus der Mauer eine Industrie gemacht haben“. Ihm hält Salsaa entgegen, dass die meisten Bethlehem-Pilger die Mauer nicht mal wahrnähmen. „Wir stoßen die Besucher darauf und tragen bei, dass die Mauer irgendwann fällt.“

Doch das Projekt bleibt eine Gratwander­ung zwischen Kunst und Kommerz. Direkt nebenan werden im Banksy-Shop Tassen, T-Shirts und Poster mit Banksy-Motiven verkauft. Besonders beliebt ist der Vermummte in Steinwerfe­rpose, der einen Blumenstra­uß schmeißt.

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FOTO: STEFANIE JÄRKEL Das „Walled Off Hotel“bietet nach eigenen Aussagen aus jedem Gästezimme­r den hässlichst­en Ausblick der Welt.

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