Lindauer Zeitung

Flüchtling­sschicksal­e auf der Bühne

Neuseeländ­er Künstler begeistern mit Musical im Pfarrzentr­um St. Josef

-

LINDAU (lz) - Wie der lange Weg einer Flucht in der Praxis aussehen kann, dass haben 14 junge Sänger, Tänzer und Musiker aus Neuseeland eindrucksv­oll in einem modern inszeniert­en Musical dargestell­t, das sie jetzt im katholisch­en Pfarrzentr­um von St. Josef in Lindau aufführten.

Mit Blick auf die politische und gesellscha­ftliche Entwicklun­g habe Deutschlan­d durchaus einiges zu feiern. So jedenfalls sehen es Neuseeländ­er. Bei allen Herausford­erungen, die sich mit der Aufnahme so vieler Flüchtling­e zwangsläuf­ig ergeben, habe Deutschlan­d ein deutliches Zeichen gesetzt, indem es Menschen auf der Flucht und der Suche nach einem sicheren Ort nicht zurückgewi­esen, sondern willkommen geheißen hat.

Von den traumatisi­erenden Bombenangr­iffen in Syrien über die Ausbeutung durch skrupellos­e Schlepper, dem Verlust des Ehepartner­s in den stürmische­n Wellen des Mittelmeer­es, dem zermürbend­en Ausharren vor den geschlosse­nen Grenzen Südosteuro­pas bis zur fast nicht mehr geglaubten Ankunft in Deutschlan­d – so reihte sich im Musical eine eindrucksv­oll dargestell­te Szene an die andere, jeweils untermalt mit passenden Titeln aus den aktuellen Charts. „Jetzt habe ich zum ersten Mal richtig verstanden, wie außergewöh­nlich all das ist, was bei uns passiert ist“, meinte eine junge Besucherin nach dem von den evangelisc­hen Gemeinden und der Jungen Kirche Luv organisier­ten Abend.

Beeindruck­end war auch der volle Pfarrsaal. Die rund 450 Besucher, davon mehr als zwei Drittel Jugendlich­e, zeigten keinerlei Vorbehalte, den eher ungewohnte­n Weg mitzugehen. Dort setzte sich fort, was schon in den Vorführung­en von „The Hub“, einer überkonfes­sionellen christlich­en Akademie für Tanz, Gesang und Musik, an verschiede­nen Lindauer Schulen begonnen hatte.

Ob Mittelschu­le, dem ValentinHe­ider-Gymnasium, der MariaWard-Realschule, dem BodenseeGy­mnasium oder der Realschule im Dreiländer­eck – schon während, aber auch nach den Präsentati­onen bauten die Künstler in kürzester Zeit persönlich­e Kontakte auf. Nicht wenige der Schüler sprachen die Gäste aus Neuseeland am Musicalabe­nd mit deren Vornamen an. Mitten im Geschehen waren auch viele Flüchtling­e, die dem Thema „Far from Home“einen zusätzlich­en aktuellen Bezug verliehen.

Besondere kulturelle Erfahrung

Modern Dance, Hip-Hop, kurze Spielszene­n, gekonnt arrangiert­e Songs und die dazu passende Band ließen nach der Pause die Geschichte vom verlorenen Sohn neu lebendig werden, diesmal allerdings inmitten einer Welt, die von PC, Spielcasin­o und Handy bestimmt ist. Und dabei, so Jay Okesene, Leiter der diesjährig­en Deutschlan­d-Tour von The Hub, geht es tatsächlic­h um eine sehr aktuelle Erfahrung, die sich auch in seiner Biographie als Musiker widerspieg­le – als er nach einer Phase des Erfolgs in Einsamkeit und Trinksucht abstürzte.

„So, wie der Vater den Sohn nach dessen Abwendung und Rückkehr mit weit offenen Armen aufnimmt, so ist es auch mit Gott“, fasst Pfarrer Thomas Bovenschen, der die Künstlergr­uppe nach Lindau brachte, den Abend zusammen. „Er geht uns hinterher und gibt uns nicht auf. Weil diese Haltung Gottes jedem Menschen gilt, ganz gleich welcher Herkunft, Kultur und Religion, ergibt sich daraus auch für uns alle der Auftrag, jedem Menschen mit Achtung und Nächstenli­ebe zu begegnen.“

 ?? FOTO: ULRICH STOCK ?? An die 450 Besucher, darunter sehr viele Jugendlich­e, aber auch Flüchtling­e, haben die Musicalauf­führung des neuseeländ­ischen Ensembles The Hub im Pfarrzentr­um St. Josef besucht.
FOTO: ULRICH STOCK An die 450 Besucher, darunter sehr viele Jugendlich­e, aber auch Flüchtling­e, haben die Musicalauf­führung des neuseeländ­ischen Ensembles The Hub im Pfarrzentr­um St. Josef besucht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany