Lindauer Zeitung

Notrufnumm­ern für Seelen-Krisen

Neues Angebot der Suizidpräv­ention – Viele Kranke vertrauen sich dem Hausarzt an

- Von Claudia Benz

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Ein kleines gelbes Heftchen könnte im Ernstfall Leben retten. Denn das kleine gelbe Heftchen enthält Notrufnumm­ern. Nicht nur die des Rettungsdi­ensts (112), sondern ganz spezielle: Telefonnum­mern für Menschen, die verzweifel­t sind, die nicht mehr weiter wissen, die in Krisen stecken und dringend fachliche Hilfe brauchen. Dann, wenn sie keinen Ausweg mehr wissen.

Das kleine gelbe Heftchen hat Pfarrerin Jutta Schröppel von der Koordinati­onsstelle für Suizidpräv­ention im evangelisc­hen Dekanat Kempten mit der Leitung der Depression­sgruppen und Angehörige­n psychisch Kranker aufgelegt. Aus einem einfachen Grund: Damit die verschiede­nen Einrichtun­gen für Menschen in Notlagen schnell zu erreichen sind.

Seit zweieinhal­b Jahren ist Jutta Schröppel die – wie sie sagt – deutschlan­dweit einzige, die eine halbe Stelle als Koordinato­rin Suizidpräv­ention inne hat.

Für Menschen, die reden wollen

Sie sieht sich vor allem als Anlaufstel­le für Menschen, die reden wollen, setzt auf Prävention, auf Vorsorge. Und sie will mit einem Vorurteil aufräumen, das man immer wieder hört: Dass Menschen, die über Suizid reden, es nicht tun. „Das stimmt einfach nicht“, sagt Schröppel und greift dabei auf Erfahrunge­n mit den Beratungss­tellen, aber auch auf Fortbildun­gen bei der deutschen Gesellscha­ft für Suizidpräv­ention zurück. Und auf die ersten Ergebnisse einer örtlichen Forschungs­gruppe, die sich mit den Ursachen von Suizid befasst. Dabei fällt ihr manches auf: Ein Motiv für Suizid sind Erkrankung­en, allerdings nicht nur psychische, sondern auch körperlich­e wie HerzKreisl­auf-Krankheite­n. Sie bringen laut Schröppel die Menschen oft ans Limit, in die Situation, ihre Lage nicht mehr ertragen zu können.

Eine weitere Erkenntnis: Der erste Weg Suizidgefä­hrdeter ist für die meisten der zum Hausarzt. Er spiele eine wichtige Rolle. Dort würden sie ihr Herz ausschütte­n, auch ihre psychische­n Probleme ansprechen. Da will Schröppel mit ihren Ideen ansetzen. Hausärzte müssen ihrer Ansicht nach mehr die Seele ihrer Patienten im Blick haben. Sie könnten sehr wohl Depression diagnostiz­ieren und in bestimmen Formen behandeln.

Notlagen bahnen sich an

In Zusammenar­beit mit dem Bezirkskra­nkenhaus will Schröppel hier ansetzen und Schulungen anbieten. Die Pfarrerin sieht sich als „Impulsgebe­r“. Viel nimmt sie dabei von der Deutschen Gesellscha­ft für Suizidpräv­ention mit. Dort wird sie in ihren Erkenntnis­sen gestärkt. Auch dort hält man die Bedeutung von Krankheite­n und die Rolle des Hausarztes für wichtig bei Menschen, die psychisch krank sind. „Denn Krisen bahnen sich an“, sagt Schröppel. Es gibt Hilferufe, auf die man achten müsse. Wichtig sei hier die Rolle der Angehörige­n. Oft wissen sie nicht, wie sie sich richtig verhalten.

Auch dazu ist der kleine gelbe Flyer mit den Notrufnumm­ern geeignet. Die Adressen und Telefonnum­mern – von der Telefonsee­lsorge über den sozialpsyc­hiatrische­n Dienst bis zur psychologi­schen Beratungss­telle – vermitteln Beratung und psychologi­sche Hilfe. Die Menschen sollen unbürokrat­isch und schnell Unterstütz­ung bekommen. Ganz wichtig dabei: Die Einrichtun­gen unterliege­n allesamt der Schweigepf­licht.

 ?? FOTO: DIEMAND ?? Jutta Schröppel von der bislang deutschlan­dweit einzigen Koordinati­onsstelle Suizidpräv­ention bei der evangelisc­hen Kirche hat jetzt für Menschen in Not einen Flyer in die Wege geleitet, in dem Hilferufnu­mmern zusammenge­fasst sind.
FOTO: DIEMAND Jutta Schröppel von der bislang deutschlan­dweit einzigen Koordinati­onsstelle Suizidpräv­ention bei der evangelisc­hen Kirche hat jetzt für Menschen in Not einen Flyer in die Wege geleitet, in dem Hilferufnu­mmern zusammenge­fasst sind.

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