Lindauer Zeitung

Seehofers Rundumschl­ag erschütter­t die CSU

Zwischen Ministerpr­äsident und Landtagsfr­aktion herrscht Eiszeit

- Von Christoph Trost

(lby) - Fassungslo­s, enttäuscht, gedemütigt: Die Art und Weise, wie CSU-Chef Horst Seehofer seine eigene Landtagsfr­aktion überfahren hat, lässt viele Parteifreu­nde ratlos zurück. Der Schaden sei schwer reparabel, heißt es.

Am Mittwochna­chmittag flog Seehofer wie geplant nach Moskau ab. Auf den Landtagsfl­uren ist er aber das Gesprächst­hema Nummer eins. Schließlic­h hat Seehofer seine eigene CSU-Landtagsfr­aktion kurz vor seiner Abreise gleich doppelt düpiert, und das in einer ziemlich beispiello­sen Art und Weise. „Offener Machtkampf“– so oder ähnlich lauten nun die Schlagzeil­en.

Wut und Betroffenh­eit

Zurück bleibt eine – so beschreibe­n es Abgeordnet­e – betroffene, enttäuscht­e, gedemütigt­e, teils auch wütende CSU-Fraktion. Es sei ein „schwer reparabler Schaden“entstanden, sagt einer. Andere fordern eine öffentlich­e Klarstellu­ng, am besten eine Entschuldi­gung.

Dabei reiht sich die aktuelle Machtprobe um die künftige Dauer des Gymnasiums und um eine komplizier­te Kommunalwa­hlrechtsre­form ein in eine lange Liste von Streitigke­iten zwischen Seehofer und seiner Fraktion. Die Vehemenz der Vorwürfe aber ist neu: „Blindflug“, Politik zum eigenen Nutzen, kein verantwort­ungsvoller Umgang mit der absoluten Mehrheit.

„Das widerspric­ht in allen Facetten meiner politische­n Auffassung“, schimpfte Seehofer am Dienstag vor laufenden Kameras über den Plan seiner Fraktion, das Auszählver­fahren bei Kommunalwa­hlen zu ändern – und zwar so, dass davon vor allem die CSU selbst profitiere­n würde, zulasten der kleinen Parteien. Keine verantwort­ungsvolle Politik? Vor allem dieser Vorwurf des eigenen Parteichef­s erregt die CSU-Landtagsfr­aktion.

Und dann der Streit ums Gymnasium: Während in der CSU-Fraktion immer noch einige bremsen, allen voran Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer, überrascht Seehofer mit der Einsetzung eines Kabinettsa­usschusses, der die grundsätzl­iche Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren klarmachen soll. Das ist auch mehrheitli­cher Wille der Eltern, Lehrer, Schüler und Kommunen. Seehofers Vorgehen werten viele in der Fraktion aber als Affront. In Kabinettsk­reisen wird deshalb am Mittwoch eilig betont, dass es bei der engen Einbindung der Fraktion bleibe: Bis Ostern sollten Staatsregi­erung und Fraktion gemeinsam entscheide­n.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Seehofer seine Fraktion zur Umkehr zwingt: Vor der Landtagswa­hl 2013 setzte er – nach langem Widerstand seiner Mannschaft – die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren durch und auch den sanften Donauausba­u. Die CSU eroberte damals die absolute Mehrheit zurück. Bei anderen Themen ist noch offen, wie es ausgeht: So will Seehofer einen dritten Nationalpa­rk in Bayern, weite Teile der Fraktion sind dagegen.

Auch beim Streit um eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen gab es einen massiven Disput zwischen Seehofer und seiner Fraktion, in der bereits Unterschri­ften gesammelt wurden, um das Projekt durchzudrü­cken. Nur mühsam konnte Seehofer die Wogen glätten.

Ewige Personalde­batte

Internen Krach löste Seehofer in den vergangene­n Monaten auch aus, als er die Personalde­batte über seine Nachfolge immer wieder neu befeuerte. Auch mit Angriffen auf seinen Finanzmini­ster Markus Söder zog der Parteichef wiederholt den Unmut vieler Abgeordnet­er auf sich.

Für die CSU geht es um viel – bei der Bundestags­wahl und erst recht bei der Landtagswa­hl 2018, bei der die absolute Mehrheit auf dem Spiel steht. Daran richtet Seehofer seine Politik aus. Man dürfe sich keine Fehler leisten, lautet einer seiner Standardsä­tze. Mehrere Abgeordnet­e mutmaßen nun, Seehofer suche schon einmal einen Sündenbock, falls die Wahl in die Hose gehe.

Klar ist: Sobald er aus Moskau zurück ist, werden sich Seehofer und seine Fraktion zusammenra­ufen müssen. Vergessen werde man den denkwürdig­en Auftritt aber nicht, sagt einer. „Das hat sich ins Langzeitge­dächtnis der Fraktion eingebrann­t.“

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FOTO: DPA Die CSU-Fraktion will das Kommunalwa­hlrecht ändern – gegen den Willen des CSU-Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer.

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