Seehofers Rundumschlag erschüttert die CSU
Zwischen Ministerpräsident und Landtagsfraktion herrscht Eiszeit
(lby) - Fassungslos, enttäuscht, gedemütigt: Die Art und Weise, wie CSU-Chef Horst Seehofer seine eigene Landtagsfraktion überfahren hat, lässt viele Parteifreunde ratlos zurück. Der Schaden sei schwer reparabel, heißt es.
Am Mittwochnachmittag flog Seehofer wie geplant nach Moskau ab. Auf den Landtagsfluren ist er aber das Gesprächsthema Nummer eins. Schließlich hat Seehofer seine eigene CSU-Landtagsfraktion kurz vor seiner Abreise gleich doppelt düpiert, und das in einer ziemlich beispiellosen Art und Weise. „Offener Machtkampf“– so oder ähnlich lauten nun die Schlagzeilen.
Wut und Betroffenheit
Zurück bleibt eine – so beschreiben es Abgeordnete – betroffene, enttäuschte, gedemütigte, teils auch wütende CSU-Fraktion. Es sei ein „schwer reparabler Schaden“entstanden, sagt einer. Andere fordern eine öffentliche Klarstellung, am besten eine Entschuldigung.
Dabei reiht sich die aktuelle Machtprobe um die künftige Dauer des Gymnasiums und um eine komplizierte Kommunalwahlrechtsreform ein in eine lange Liste von Streitigkeiten zwischen Seehofer und seiner Fraktion. Die Vehemenz der Vorwürfe aber ist neu: „Blindflug“, Politik zum eigenen Nutzen, kein verantwortungsvoller Umgang mit der absoluten Mehrheit.
„Das widerspricht in allen Facetten meiner politischen Auffassung“, schimpfte Seehofer am Dienstag vor laufenden Kameras über den Plan seiner Fraktion, das Auszählverfahren bei Kommunalwahlen zu ändern – und zwar so, dass davon vor allem die CSU selbst profitieren würde, zulasten der kleinen Parteien. Keine verantwortungsvolle Politik? Vor allem dieser Vorwurf des eigenen Parteichefs erregt die CSU-Landtagsfraktion.
Und dann der Streit ums Gymnasium: Während in der CSU-Fraktion immer noch einige bremsen, allen voran Fraktionschef Thomas Kreuzer, überrascht Seehofer mit der Einsetzung eines Kabinettsausschusses, der die grundsätzliche Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren klarmachen soll. Das ist auch mehrheitlicher Wille der Eltern, Lehrer, Schüler und Kommunen. Seehofers Vorgehen werten viele in der Fraktion aber als Affront. In Kabinettskreisen wird deshalb am Mittwoch eilig betont, dass es bei der engen Einbindung der Fraktion bleibe: Bis Ostern sollten Staatsregierung und Fraktion gemeinsam entscheiden.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Seehofer seine Fraktion zur Umkehr zwingt: Vor der Landtagswahl 2013 setzte er – nach langem Widerstand seiner Mannschaft – die Abschaffung der Studiengebühren durch und auch den sanften Donauausbau. Die CSU eroberte damals die absolute Mehrheit zurück. Bei anderen Themen ist noch offen, wie es ausgeht: So will Seehofer einen dritten Nationalpark in Bayern, weite Teile der Fraktion sind dagegen.
Auch beim Streit um eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen gab es einen massiven Disput zwischen Seehofer und seiner Fraktion, in der bereits Unterschriften gesammelt wurden, um das Projekt durchzudrücken. Nur mühsam konnte Seehofer die Wogen glätten.
Ewige Personaldebatte
Internen Krach löste Seehofer in den vergangenen Monaten auch aus, als er die Personaldebatte über seine Nachfolge immer wieder neu befeuerte. Auch mit Angriffen auf seinen Finanzminister Markus Söder zog der Parteichef wiederholt den Unmut vieler Abgeordneter auf sich.
Für die CSU geht es um viel – bei der Bundestagswahl und erst recht bei der Landtagswahl 2018, bei der die absolute Mehrheit auf dem Spiel steht. Daran richtet Seehofer seine Politik aus. Man dürfe sich keine Fehler leisten, lautet einer seiner Standardsätze. Mehrere Abgeordnete mutmaßen nun, Seehofer suche schon einmal einen Sündenbock, falls die Wahl in die Hose gehe.
Klar ist: Sobald er aus Moskau zurück ist, werden sich Seehofer und seine Fraktion zusammenraufen müssen. Vergessen werde man den denkwürdigen Auftritt aber nicht, sagt einer. „Das hat sich ins Langzeitgedächtnis der Fraktion eingebrannt.“