Leben auf Hartz-IV-Niveau
Zwei Künstler, die vom Verkauf ihrer Werke leben, schildern die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Kollegen
OBERALLGÄU/KEMPTEN - Man kann nicht nur von Luft und Liebe leben, weiß der Volksmund. Doch bei Bildenden Künstlern scheint er diese Erkenntnis zu vergessen. So sei es keineswegs selbstverständlich, dass einem professionellen Künstler die Kosten erstattet werden, die ihm bei einer Ausstellung entstehen, sagt Magdalena Willems-Pisarek, Malerin und promovierte Philosophin aus Wertach. Etwa die Kosten für Hängung, Transport, Versicherung. Kein Problem vielleicht für Künstler, die mit ihren Werken hohe Preise erzielen, für die Mehrheit der Bildenden Künstler aber schon.
Das bestätigt auch eine Studie des Bundesverbands Bildender Künstler aus dem vergangenen Jahr, erklärt Gerhard Menger, Vorsitzender des Verbands Bildender Künstler Schwaben-Süd aus Kempten: Einkünfte aus Ausstellungsvergütungen konnte nur jeder fünfte der mehr als 1300 Befragten erzielen. Selbst für Ausstellungen gezahlte Aufwandsentschädigungen waren für etwa 60 Prozent der Befragten nicht einmal kostendeckend.
Doch das ist nur ein Aspekt des Künstlerdaseins. Die Studie stellt eine schwierige, partiell sogar prekäre, wirtschaftliche Situation von Bildenden Künstlern fest. Sie spiegle sich in der geringen Höhe ihrer Einkünfte wider: „Allein durch den Verkauf ihrer Werke, aus Aufträgen, Honoraren und anderen künstlerischen Aktivitäten kann der Lebensunterhalt zumeist gar nicht oder nur marginal bestritten werden.“Das durchschnittliche Jahreseinkommen der in der Künstlersozialkasse Versicherten betrage etwa 15 000 Euro, fasst Bundesministerin Monika Grütters in der Studie zusammen.
Einkommen aus Lehrtätigkeiten
Wer sich heute für ein Leben als Berufskünstler entscheide, der entscheide sich damit für ein Leben auf der Basis eines Hartz-IV-Empfängers, sagt Magdalena Willems-Pisarek. Deswegen schlagen heute nur wenige Absolventen einer Kunsthochschule diesen Weg ein. Doch Kunst sei nicht nur Zeuge der Zeit. Kunst sei auch Träger von höheren Werten und bereichere das Leben. Deshalb müsse sich eine Gesellschaft entscheiden, welchen Stellenwert sie der Kunst einräume, ob sie wolle, dass junge Menschen sich entscheiden, ihr Talent auszubilden.
Heute müssen die meisten Künstler noch zusätzlich jobben, erklärt Willems-Pisarek. Oder sie frönen ihrer Leidenschaft für die Kunst erst im Alter, abgesichert durch Pension oder Rente aus einem anderen Beruf. Natürlich gibt es auch Künstler, die von ihrer Arbeit leben können. Gut vereinbaren lasse sich mit der Arbeit des Künstlers die Lehrtätigkeit, weiß Menger aus eigener Erfahrung: Der Bildende Künstler war Kunstlehrer an verschiedenen Gymnasien in Bayern und an der Deutschen Schule im spanischen Bilbao. Die Studie des Berufsverbands stützt diese Aussage: Etwa 55 Prozent der Befragten bezogen Einkommen aus Lehrtätigkeiten. Allerdings steht dahinter nur in den wenigsten Fällen eine Festanstellung: bei 13 Prozent. Noch beziehe nur ein geringer Teil der befragten Bildenden Künstler Hartz IV. Jedoch befürchtet jeder Zehnte, künftig auf diese Unterstützung angewiesen zu sein.
Deswegen will der Berufsverband seine Leitlinien weiter ausbauen, wie künstlerische Leistungen zu vergüten seien. Etwa bei Ausstellungen, sagt Menger. Hoffnung setzt Menger dabei auch in das in Kempten gestartete Ausstellungskonzept „P2“, das Kunst in einer Firma präsentiert. Wichtig sei ein Umdenken, sagt Willems-Pisarek. Eine Ausstellung sei „kein Laden mit Bildern“, sondern eine kulturelle Veranstaltung mit viel Vorleistung des Künstlers und oft wenig Aussicht auf Verkauf. Bei einem Musiker sei es selbstverständlich, dass er für ein Konzert Geld erhalte. Denn er müsse auch üben, um seine Kunst ausüben zu können. Bei einem Bildenden Künstler sei es ähnlich.
Auch der müsse üben, um seine Fertigkeiten zu erwerben. Deshalb sei eine Ausstellungsvergütung für den Künstler der Idealfall. Zum Beispiel in Form eines Ankaufs. Der biete nicht nur eine finanzielle Absicherung, sondern gewährleiste auf Dauer Qualität. Denn wenn ein Veranstalter selbst ankaufe, überlege er genau, welchen Künstler er einlade.