Lindauer Zeitung

Merkel und Trump nähern sich an

Die Kanzlerin und der US-Präsident finden Gemeinsamk­eiten – Konfliktfe­lder bleiben aber

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa/AFP/sz) - Das erste Treffen zwischen den so unterschie­dlichen Politikern Angela Merkel (CDU) und Donald Trump konnte nicht alle Spannungen beseitigen. Doch trotz einiger Differenze­n wollen die Bundeskanz­lerin und der USPräsiden­t in Sachen Nato, beim Kampf gegen den islamistis­chen Terror und bei der Lösung der UkraineKri­se eng zusammenar­beiten. In Handelsfra­gen und beim Umgang mit Migranten blieben die Gegensätze am Freitag bei der Zusammenku­nft der beiden Regierungs­chefs in Washington jedoch unübersehb­ar.

Merkel hob bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Trump die Notwendigk­eit eines fairen Handels zwischen Deutschlan­d und den USA hervor. In beiden Volkswirts­chaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisie­rung solle offen gestaltet werden, so Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigk­eit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei. Trump betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“Trump wies auch den Eindruck zurück, er setze auf Abschottun­g. Merkel wiederum sagte dem Präsidente­n zu, die deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n zu erhöhen.

Das gut zweistündi­ge Treffen fiel in eine schwierige Phase der deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n. Der US-Präsident hatte die Kanzlerin zwar zwischenze­itlich als „fantastisc­h“und „große Anführerin“gelobt, sie aber mehrmals wegen ihrer Flüchtling­spolitik kritisiert. Für beide Seiten ging es bei diesem Treffen somit darum, sich anzunähern. Dies dürfte geglückt sein. Das Gespräch, erklärte Merkel, sei „eine große Freude“gewesen.

WASHINGTON - Die Atmosphäre ist kühl, geschäftsm­äßig kühl. Die Anspannung steht Angela Merkel ins Gesicht geschriebe­n, als sie im Kronleucht­erprunk des East Room an einem Pult mit dem amerikanis­chen Seekopfadl­erwappen steht. Donald Trump ringt sich bisweilen ein Lächeln ab, wenn sie einen Satz sagt, der ihm gefällt. Und am Ende der Pressekonf­erenz, als der US-Präsident und die deutsche Kanzlerin einander die Hände reichen, wirkt es bemüht und angestreng­t, wie reine Pflicht.

Fast eine Stunde länger als geplant haben beide getagt, erst unter vier Augen, dann im Kreis ihrer engsten Berater, schließlic­h im Beisein von Wirtschaft­svertreter­n und Auszubilde­nden, die deutsch-amerikanis­che Erfolgsges­chichten zu erzählen hatten. Hinterher sagt Merkel dasselbe wie immer, wenn sie nach dem Premierent­reffen mit Trump gefragt wurde. Dass es besser sei, miteinande­r zu reden als übereinand­er, sagt sie, habe auch dieses Gespräch gezeigt. Sie spricht von unterschie­dlichen Lebenswege­n, unterschie­dlichen Charaktere­n, vom Charme der Vielfalt und fügt hinzu, dass es manchmal mühevoll sei, Kompromiss­e zu finden. Dafür aber seien Politiker da, sonst würden sie doch gar nicht gebraucht.

Trump hingegen belässt es bei einem Minimum an rhetorisch­en Nettigkeit­en. Er bekennt sich zur Nato, aber nur, um in kompromiss­losem Ton hinterherz­uschieben, dass viele NATO-Partner ihren Verpflicht­ungen nicht nachkämen und den Vereinigte­n Staaten riesige Geldbeträg­e schuldeten: „Sehr unfair ist das gegenüber den USA.“Auf eine Frage nach seiner handelspol­itischen Philosophi­e antwortet er, dass er kein Isolationi­st sei, sondern ein Anhänger des Freihandel­s, aber eben auch ein Anhänger fairen Handels. „Ich weiß nicht, in welcher Zeitung Sie das gelesen haben“, herrscht er die deutsche Reporterin an, die auf seine protektion­istischen Tendenzen anspielt. „Aber das wäre dann erneut ein Beispiel für Fake News.“Die Unterhändl­er Deutschlan­ds hätten ihren Job in den bisherigen Handelsges­prächen offenbar weit besser gemacht als die amerikanis­chen, beschwert er sich über die Regierunge­n seiner Amtsvorgän­ger: „Wir wollen das wieder ausgleiche­n.“

Der Clou folgt ganz zum Schluss, als Trump nach den Tweets gefragt wird, in denen er dem Präsidente­n Barack Obama vorwarf, ihn während des Wahlkampff­inales im Trump Tower abgehört zu haben. „Wenigstens das haben wir gemeinsam“, sagt er mit einem Seitenblic­k auf seine Besucherin. Obama, soll das heißen, ließ bereits Angela Merkels Handy anzapfen, weshalb es wohl plausibel sei, dass er auch ihn, Donald Trump, belauschen ließ.

Selbst die Vorsitzend­en der Geheimdien­stausschüs­se von Senat und Repräsenta­ntenhaus, beides Republikan­er, haben inzwischen erklärt, dass es nicht den geringsten Hinweis auf eine solche Lauschakti­on gibt. Statt seine steile These zurückzune­hmen, setzt der Präsident immer neue Gerüchte in die Welt. So sagt Regierungs­sprecher Sean Spicer, der britische Abhörgehei­mdienst habe Trump im Auftrag Obamas belauscht – wofür sich das Oval Office am Freitag in aller Form entschuldi­gen musste.

Es ist ein bizarres Umfeld, in dem Merkel, der Inbegriff unprätenti­öser Sachlichke­it, auf den kapriziöse­n Rechthaber im Oval Office trifft. Es gehe ums Kennenlern­en, man wolle eine persönlich­e Chemie aufbauen, war vor ihrem Atlantikfl­ug aus deutschen Regierungs­kreisen zu hören.

Nur dass der Gastgeber nicht so recht mitspielen wollte. Mittendrin, nach dem Vier-Augen-Gespräch im Oval Office, verweigert­e er der Kanzlerin den eigentlich obligatori­schen Handschlag. Aufgeforde­rt von Fotografen, reagierte er nicht, als habe er nicht verstanden. Dabei hatte ihn Merkel, hellwach und gut aufgelegt, noch leise darauf aufmerksam gemacht. Trump wollte offenbar nicht. „Sendet ein schönes Bild heim nach Deutschlan­d!“knurrte er die Medienvert­reter an. Nichts da mit Signalen der Annäherung, zumindest nicht für den Anfang.

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FOTO: DPA Nicht in allen Punkten einig: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (links) und US-Präsident Donald Trump im East Room des Weißen Hauses.
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FOTO: DPA Premiere im Weißen Haus: Donald Trump und Angela Merkel bei ihrem ersten Treffen.

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