Merkel und Trump nähern sich an
Die Kanzlerin und der US-Präsident finden Gemeinsamkeiten – Konfliktfelder bleiben aber
WASHINGTON (dpa/AFP/sz) - Das erste Treffen zwischen den so unterschiedlichen Politikern Angela Merkel (CDU) und Donald Trump konnte nicht alle Spannungen beseitigen. Doch trotz einiger Differenzen wollen die Bundeskanzlerin und der USPräsident in Sachen Nato, beim Kampf gegen den islamistischen Terror und bei der Lösung der UkraineKrise eng zusammenarbeiten. In Handelsfragen und beim Umgang mit Migranten blieben die Gegensätze am Freitag bei der Zusammenkunft der beiden Regierungschefs in Washington jedoch unübersehbar.
Merkel hob bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervor. In beiden Volkswirtschaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisierung solle offen gestaltet werden, so Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigkeit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei. Trump betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“Trump wies auch den Eindruck zurück, er setze auf Abschottung. Merkel wiederum sagte dem Präsidenten zu, die deutschen Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
Das gut zweistündige Treffen fiel in eine schwierige Phase der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Der US-Präsident hatte die Kanzlerin zwar zwischenzeitlich als „fantastisch“und „große Anführerin“gelobt, sie aber mehrmals wegen ihrer Flüchtlingspolitik kritisiert. Für beide Seiten ging es bei diesem Treffen somit darum, sich anzunähern. Dies dürfte geglückt sein. Das Gespräch, erklärte Merkel, sei „eine große Freude“gewesen.
WASHINGTON - Die Atmosphäre ist kühl, geschäftsmäßig kühl. Die Anspannung steht Angela Merkel ins Gesicht geschrieben, als sie im Kronleuchterprunk des East Room an einem Pult mit dem amerikanischen Seekopfadlerwappen steht. Donald Trump ringt sich bisweilen ein Lächeln ab, wenn sie einen Satz sagt, der ihm gefällt. Und am Ende der Pressekonferenz, als der US-Präsident und die deutsche Kanzlerin einander die Hände reichen, wirkt es bemüht und angestrengt, wie reine Pflicht.
Fast eine Stunde länger als geplant haben beide getagt, erst unter vier Augen, dann im Kreis ihrer engsten Berater, schließlich im Beisein von Wirtschaftsvertretern und Auszubildenden, die deutsch-amerikanische Erfolgsgeschichten zu erzählen hatten. Hinterher sagt Merkel dasselbe wie immer, wenn sie nach dem Premierentreffen mit Trump gefragt wurde. Dass es besser sei, miteinander zu reden als übereinander, sagt sie, habe auch dieses Gespräch gezeigt. Sie spricht von unterschiedlichen Lebenswegen, unterschiedlichen Charakteren, vom Charme der Vielfalt und fügt hinzu, dass es manchmal mühevoll sei, Kompromisse zu finden. Dafür aber seien Politiker da, sonst würden sie doch gar nicht gebraucht.
Trump hingegen belässt es bei einem Minimum an rhetorischen Nettigkeiten. Er bekennt sich zur Nato, aber nur, um in kompromisslosem Ton hinterherzuschieben, dass viele NATO-Partner ihren Verpflichtungen nicht nachkämen und den Vereinigten Staaten riesige Geldbeträge schuldeten: „Sehr unfair ist das gegenüber den USA.“Auf eine Frage nach seiner handelspolitischen Philosophie antwortet er, dass er kein Isolationist sei, sondern ein Anhänger des Freihandels, aber eben auch ein Anhänger fairen Handels. „Ich weiß nicht, in welcher Zeitung Sie das gelesen haben“, herrscht er die deutsche Reporterin an, die auf seine protektionistischen Tendenzen anspielt. „Aber das wäre dann erneut ein Beispiel für Fake News.“Die Unterhändler Deutschlands hätten ihren Job in den bisherigen Handelsgesprächen offenbar weit besser gemacht als die amerikanischen, beschwert er sich über die Regierungen seiner Amtsvorgänger: „Wir wollen das wieder ausgleichen.“
Der Clou folgt ganz zum Schluss, als Trump nach den Tweets gefragt wird, in denen er dem Präsidenten Barack Obama vorwarf, ihn während des Wahlkampffinales im Trump Tower abgehört zu haben. „Wenigstens das haben wir gemeinsam“, sagt er mit einem Seitenblick auf seine Besucherin. Obama, soll das heißen, ließ bereits Angela Merkels Handy anzapfen, weshalb es wohl plausibel sei, dass er auch ihn, Donald Trump, belauschen ließ.
Selbst die Vorsitzenden der Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus, beides Republikaner, haben inzwischen erklärt, dass es nicht den geringsten Hinweis auf eine solche Lauschaktion gibt. Statt seine steile These zurückzunehmen, setzt der Präsident immer neue Gerüchte in die Welt. So sagt Regierungssprecher Sean Spicer, der britische Abhörgeheimdienst habe Trump im Auftrag Obamas belauscht – wofür sich das Oval Office am Freitag in aller Form entschuldigen musste.
Es ist ein bizarres Umfeld, in dem Merkel, der Inbegriff unprätentiöser Sachlichkeit, auf den kapriziösen Rechthaber im Oval Office trifft. Es gehe ums Kennenlernen, man wolle eine persönliche Chemie aufbauen, war vor ihrem Atlantikflug aus deutschen Regierungskreisen zu hören.
Nur dass der Gastgeber nicht so recht mitspielen wollte. Mittendrin, nach dem Vier-Augen-Gespräch im Oval Office, verweigerte er der Kanzlerin den eigentlich obligatorischen Handschlag. Aufgefordert von Fotografen, reagierte er nicht, als habe er nicht verstanden. Dabei hatte ihn Merkel, hellwach und gut aufgelegt, noch leise darauf aufmerksam gemacht. Trump wollte offenbar nicht. „Sendet ein schönes Bild heim nach Deutschland!“knurrte er die Medienvertreter an. Nichts da mit Signalen der Annäherung, zumindest nicht für den Anfang.