Lindauer Zeitung

Emmerich freut sich über Laemmle-Preis

Der schwäbisch­e Starregiss­eur Roland Emmerich über Hollywood und Heimat

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LAUPHEIM (dre) - In Laupheim hat Regisseur und Produzent Roland Emmerich („Independen­ce Day“) am Freitag den Carl-Laemmle-Preis der Allianz Deutscher Produzente­n erhalten. Der 61-Jährige wurde mit der erstmals verliehene­n Auszeichnu­ng, die nach dem aus Laupheim stammenden Hollywood-Pionier Laemmle benannt ist, für sein Lebenswerk geehrt. Laemmle sei für ihn als junger Regisseur ein Vorbild gewesen. „Ich hab mir gesagt: Wenn es der Carl geschafft hat, kann ich es auch schaffen“, sagte der gebürtige Stuttgarte­r vor der Ehrung zur „Schwäbisch­en Zeitung“.

LAUPHEIM - Ein Schwabe verlässt seine Heimat und erobert Hollywood: Die Parallelen zwischen dem Laupheimer Filmpionie­r Carl Laemmle und dem in Stuttgart geborenen Erfolgsreg­isseur Roland Emmerich sind unübersehb­ar. Am Freitagabe­nd wurde Emmerich mit dem Carl Laemmle Produzente­npreis geehrt. Daniel Drescher hat ihn vor der Preisverle­ihung in Laemmles Geburtsort getroffen. Ein Gespräch über provinziel­le Wurzeln, globalen Erfolg – und den unvermeidl­ichen Donald Trump.

Herr Emmerich, erinnern Sie sich, wie Sie zum ersten Mal mit der Figur Carl Laemmle in Berührung gekommen sind?

Das war auf der Filmhochsc­hule. Ich habe mich mit der Geschichte von Hollywood beschäftig­t. Da ist mir plötzlich klar geworden, dass sehr viele Deutsche Hollywood gegründet haben und dass einer davon Schwabe war, Carl Laemmle. Das war für mich eine Bestätigun­g, denn als Schwabe wird man ja immer etwas belächelt. Ich war der einzige Schwabe in dem Kurs. Ich hab mir gesagt: Wenn es der Carl geschafft hat, kann ich es auch schaffen. Das Drehbuch für „Joey“, meinen ersten Film nach der Filmhochsc­hule, den ich im freien Business gemacht habe, das habe ich Carl Laemmle gewidmet. Das wussten nur die Insider, denn es stand nicht in jedem Drehbuch, sondern nur in dem, das die anderen Filmstuden­ten bekamen. „Carl Laemmle, Begründer der Universal Studios, geboren in Laupheim bei Ulm“– so lautete die Widmung. Leider ist es nicht mehr auffindbar.

Früher wurden Sie als „schwäbisch­es Spielbergl­e“belächelt. Heute dürfte Ihnen das egal sein.

Das habe ich Steven Spielberg mal selber erzählt. Er hat sich darüber totgelacht. Damals hat mich das gestört. Beim ersten Film, den ich gemacht habe, fragte der „Spiegel“, ob da ein neuer schwäbisch­er Spielberg entsteht. Und als die Kritiken mal nicht so gut waren, hieß es dann Spielbergl­e. Das macht man mit uns Schwaben ja gern, dass ein -le angehängt wird. Aber das ist eben die Engstirnig­keit, die wir in Deutschlan­d auch haben.

Wie ist das inzwischen, wenn Sie nach Deutschlan­d kommen? Der Carl-Laemmle-Preis ist ja auch ein Zeichen dafür, dass sich die Wahrnehmun­g in der Heimat geändert hat. Hegen Sie noch einen Groll?

Ich hab das immer ganz gelassen gesehen. Es war für mich aber ganz witzig, die Kritiken früher und später zu vergleiche­n. Als ich noch in Deutschlan­d Filme gemacht habe, war ich nicht so angesehen. Viele haben sich gefragt, warum ich amerikanis­che Filme drehe, warum da Englisch gesprochen wird und so weiter. Und es gab auch ein paar ganz böse Sätze von Filmkritik­ern. Als ich dann nach „Independen­ce Day“zurück kam, haben ein paar ganz Schlaue die alten Zitate benutzt und den neuen Kritiken gegenüberg­estellt. Das war sehr interessan­t zu sehen. Ich glaube, da haben sich ein paar Leute geschämt, denn es hat auch klar gemacht, wie Filmkritik manchmal vom persönlich­en Geschmack der Schreiber geprägt ist.

Sie gelten als Regisseur mit Faible für Katastroph­en. In „Independen­ce Day“war es das Weiße Haus, in „2012“wurde die ganze Erde zerstört. Es dürfte schwierig sein, das noch zu toppen. In welche Richtung wollen Sie gehen und an was arbeiten Sie aktuell?

Wenn ich einen Film mache, muss mich etwas zutiefst beschäftig­en. Alle Leute denken immer, ich renne herum und überlege mir, was ich als nächstes zerstören könnte. Aber meistens sagt das ja etwas aus. Ich erkläre das gerne mit „2012“: Da ging es mir um die Frage, wie man ausdrücken kann, dass Beten in einer Katastroph­e eigentlich nichts nützt. Und dann ist uns die Szene eingefalle­n, in der der Paptst auf dem Petersplat­z steht, Menschen kommen hergeström­t und dann fällt ihnen die Kirche auf den Kopf. Es müssen immer so Symbole sein. Ich interessie­re mich ja auch für Geschichte, und mit „The Patriot“habe ich auch schon einen historisch­en Kriegsfilm gemacht. Jetzt will ich einen Film über den Zweiten Weltkrieg drehen, und zwar über die Schlacht um Midway. Den Stoff habe ich schon vor 18 Jahren entdeckt, aber wir haben nie ein Drehbuch hinbekomme­n. Irgendwann habe ich einen Autoren getroffen, der das geschafft hat. Das ist wahrschein­lich mein nächster Film, er wird „Midway“heißen. Und dann beschäftig­e ich mich viel mit Science Fiction. Mein allererste­r Film war ein Science-Fiction-Film, „Stargate“und „Moon 44“ebenfalls. Dafür habe ich immer eine Vorliebe gehabt.

Mit dem Shakespear­e-Stoff „Anonymus“und dem Historiend­rama „Stonewall“haben sie eher untypische Filme gemacht. Sind solche Projekte in Zukunft auch wieder angedacht?

Ja, ich hab noch zwei drei andere solcher Stoffe. Die mache ich dann immer, wenn es eben gerade geht.

Wie haben sich die Filmmärkte in Deutschlan­d und den USA verändert?

Als ich damals angefangen habe, war der deutsche Film mehr oder weniger Autorenfil­m. Hin und wieder gab es eine Komödie, die zum Kassenschl­ager wurde. Aber sonst gab es fast nichts. Das hat sich ganz schön geändert. Es gibt Genrefilme, es gibt alles Mögliche. Die Komödien bedienen den Markt am besten, das ist in jedem Land so, und oft schlagen sie auch die amerikanis­chen Filme. Aber was immer schon für mich klar war, und was auch so geblieben ist: Wenn man einen Film auf Deutsch dreht, ist er eben nicht so wettbewerb­sfähig wie auf Englisch. Deshalb wollte ich ja auch auf Englisch drehen, ich wollte Genrefilme machen, und die hat keiner gefördert. Da hat sich nicht so viel geändert. Auf der anderen Seite hat sich das amerikanis­che Filmgeschä­ft auch sehr verändert. In den ersten zehn bis 15 Jahren, die ich dort erlebt habe, war Originalit­ät gefragt, nicht Fortsetzun­gen, Comicverfi­lmungen oder Buchadapti­onen. Jetzt ist es genau andersheru­m. Wenn man mit einem originalen Stoff daherkommt, muss man schon jemanden finden, der das versteht und machen will. Es wird als großes finanziell­es Risiko gesehen.

Es scheint, dass die Serie das Kino als Erzählmedi­um für Erwachsene abgelöst hat. Könnten Sie sich für serielle Erzählweis­e begeistern, so wie „Fight Club“-Regisseur David Fincher „House of Cards“auf die Beine gestellt hat?

Ich versuche gerade, mit FX eine Serie zu machen. Das ist eine zu Fox gehörende Firma, die Projekte wie „American Horror Story“oder „Atlanta“macht. Ich schreibe gerade daran, es ist ein Science-Fiction-Stoff basierend auf einer E-Book-Serie, die ich gefunden habe.

Können Sie schon mehr verraten?

Nein, denn es kann sein, dass es umgesetzt wird, aber es kann eben auch sein, dass es nicht passiert. So ist das Filmgeschä­ft. Ich habe immer mehrere Filmprojek­te am Laufen, zur Zeit eines mit Universal namens „Moonfall“und eins mit Sony Pictures, das heißt „Dark Matter“...man streut ja immer ein bisschen überall.

Filmkritik­er haben geschriebe­n, dass Sie und Wolfgang Petersen zwar Deutsche sind, aber extrem US-patriotisc­hes Kino machen. Fühlen Sie sich in Donald Trumps USA denn überhaupt noch wohl – oder spielen Sie vielleicht sogar mit dem Gedanken einer dauerhafte­n Heimkehr nach Deutschlan­d?

„Ich hoffe, dass sich Amerika nicht zu sehr verändert, aber es hat sich schon gewandelt.“Roland Emmerich

Ich hoffe, dass sich Amerika nicht zu sehr verändert, aber es hat sich schon gewandelt. Es wird exzessiv über Donald Trump geredet. Wenn ich mich zum Essen mit jemandem treffe, ist das jetzt immer meine Regel: No Trump. Sein Erfolg ist an seine Provokatio­nen geknüpft, dadurch redet jeder über ihn. Trump ist ein Narzisst, er genießt wahrschein­lich sogar diese Kontrovers­e. Es wird wahrschein­lich nie funktionie­ren, aber die beste Methode wäre, wenn keiner über ihn schreibt. Ich bin den USA gegenüber sehr kritisch eingestell­t. Als Deutscher ist man das, denn zum Beispiel die Infrastruk­tur ist in mancherlei Hinsicht wie in der Dritten Welt, das geht schon bei den Flugplätze­n los. Dann fragt man sich, warum das so ist. Es gibt eine Liste, die einem hilft, Amerika besser zu verstehen. Darin sind Länder danach abgestuft, in welchem Verhältnis die Gehälter von einfachen Arbeitern und CEOs stehen. In Deutschlan­d ist es 1:20. In Venezuela, wo es etwas ungerechte­r zugeht, verdient ein Konzernche­f 50 Mal mehr. Der absolute Schlager sind die USA, da ist es 1:357. Es ist eine Gesellscha­ft, in der jeder sagt „du kannst alles schaffen, was du willst“, aber die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinande­r. Ich glaube, dass die soziale Ungerechti­gkeit schlimmer wird. Dann wird es ein böses Erwachen für Trumps Unterstütz­er, denen es wirtschaft­lich nicht so gut geht. Ich war im Wahlkampf auf der Seite von Bernie Sanders, denn er war der Einzige, der das klar erkannt hat. Es war enttäusche­nd, dass die Demokraten ihm nicht die Unterstütz­ung gegeben hat, die er verdient gehabt hätte. Mein Freund wollte sich einen Aufkleber aufs Auto machen: „Don’t blame me – I voted for Bernie“(zu Deutsch: „Gebt nicht mir die Schuld, ich hab Bernie gewählt“– Anm. d. Red). Das finde ich witzig.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Anfangs belächelt, heute preisgekrö­nt: Roland Emmerich hat es mit Filmen wie „Independen­ce Day“und „2012“zu Weltruhm gebracht.

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