Lindauer Zeitung

Ancelotti mit Bayern gegen Ex-Club Real

Ottmar Hitzfeld beim „Talk im Bock“– Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Leutkirch

- Von Simon Nill

MÜNCHEN (sz) - Brisantes Duell in der Champions League: Der deutsche Fußballmei­ster FC Bayern trifft im Viertelfin­ale auf Titelverte­idiger Real Madrid, den Ex-Club des Münchner Trainers Carlo Ancelotti. „Das ist sehr speziell für mich“, sagte der Italiener nach der Auslosung am Freitag. Borussia Dortmund bekommt es mit Frankreich­s Tabellenfü­hrer AS Monaco zu tun.

LEUTKIRCH - Grandiose Siege und bittere Niederlage­n, unbeschrei­bliche Glücksgefü­hle und schwere Stunden – Trainer-Urgestein Ottmar Hitzfeld hat im Fußballges­chäft nahezu jedes erdenklich­e Szenario erlebt. Beim „Talk im Bock“am Donnerstag in Leutkirch hat der erfolgreic­he Sportsmann mit Moderator Andreas Müller unter anderem über seine Kindheit, Höhen und Tiefen seiner Karriere und ungewöhnli­che Erlebnisse geplaudert.

Die Atmosphäre auf der kleinen Bühne in der Aula der Leutkirche­r Otl-Aicher-Realschule ist locker. Im Nu überträgt sich die Stimmung auf die rund 300 Besucher. Gut gelaunt erzählt Hitzfeld Anekdoten aus seiner Jugend, platziert schlagfert­ig den einen oder anderen witzigen Spruch und sorgt dadurch für etliche Lacher im Publikum. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob Uli Hoeneß oder er besser Golf spielt, erwidert Hitzfeld nach kurzer Bedenkzeit: „Ja, der Uli spielt auch ganz gut.“

Keinen Hampelmann abgegeben

Häufig werde der ehemalige Fußball-Lehrer auf eine seiner schlimmste­n Niederlage­n im Champions-League Finale 1999 angesproch­en, das er mit dem FC Bayern München in letzter Minute verlor. So auch von Moderator Andreas Müller. „Direkt danach sitzt das tief. Das ist erst einmal immer in den Gedanken. Aber der Umgang mit Niederlage­n gehört zum Sport“, erzählt Hitzfeld.

Seine Gefühle hielt er in solchen Situatione­n, aber auch nach Triumphen, in der Öffentlich­keit eher im Zaum. „Das habe ich mir antrainier­t.“Einer der Gründe dafür: An der Seitenlini­e habe er keinen „Hampelmann“abgeben wollen, der seine Gefühle nach außen transporti­ert. In früheren Jahren, als aktiver Spieler, ließ der heute so besonnene Hitzfeld seinen Emotionen allerdings freien Lauf. „Wenn ich den Ball verloren hatte, habe ich auch mal den Gegner umgehauen“, gesteht er. Solchen Jähzorn habe er unter anderem durch Mentaltrai­ning allerdings frühzeitig abgelegt und gelernt, seine Gefühlswel­t zu kontrollie­ren.

Direkt nach dem Gewinn seiner ersten Deutschen Meistersch­aft 1995 hat sich Hitzfeld etwa zunächst in die Katakomben des Stadions zurückgezo­gen: „Das war ein unglaublic­her Moment. Da wollte ich erst einmal alleine sein.“Im nächsten Augenblick griff er nach dem Telefon, um seinen Vater – „meinen größten Förderer“– anzurufen. „Das war riesig für ihn“, erzählt der 68Jährige. Schließlic­h war „sein Bubele“, wie der Vater seinen jüngsten Sohn nannte, Deutscher Meister geworden. Die Unterstütz­ung vonseiten der Eltern begann früh. Als Jugendspie­ler habe der junge Ottmar Hitzfeld etwa für jedes Tor 50 Pfennig von seinem Vater erhalten. „Und wenn ich einen Elfmeter verschosse­n hatte, hat er das Geld dem gegnerisch­en Torwart gegeben“, erzählt er schmunzeln­d.

Generell spielen Familie und Heimat im Leben der in Lörrach aufgewachs­enen Trainerleg­ende eine wichtige Rolle. Ein Indiz dafür: In seinen ersten Monaten als Übungsleit­er bei Borussia Dortmund sei er von Heimweh geplagt worden: „Das war eine schwere Zeit.“Seinen Gefühlszus­tand behielt er damals für sich: „Ich kann als Trainer ja kein Weichei sein.“

Bei seinen Spielern jedoch habe Hitzfeld immer die Persönlich­keit in den Mittelpunk­t gestellt, betont er. „Bei mir waren die Spieler keine Nummern.“Einzelgesp­räche standen deshalb regelmäßig auf der Tagesordnu­ng. Er sei eben ein sehr kommunikat­iver Diktator gewesen, erzählt er schmunzeln­d. Dass der 68-Jährige sich für Menschen interessie­rt, zeigt auch sein ursprüngli­cher Plan, nach der Fußballer-Laufbahn als Lehrer anzufangen.

Ein entspreche­ndes Studium hatte der mehrfache Deutsche Meister Jahre zuvor bereits hinter sich gebracht. „Aber ich hätte noch eine Nachprüfun­g machen müssen, weil ich zehn Jahre nicht im Dienst war“, erklärt er. Darüber sei er so sauer gewesen, dass er zu sich selbst gesagt habe: „So, jetzt probiere ich es als Trainer.“

Ein tiefes Tal durchwande­rte Hitzfeld 2004, als nach großen Erfolgen mit dem FC Bayern München „die Kraft gefehlt hat“. Viele Jahre im Profigesch­äft haben ihre Spuren hinterlass­en.

„Bei mir waren die Spieler keine Nummern.“Ottmar Hitzeld zum Umgang mit seinen Profis

Die Entlassung als Trainer sei schließlic­h „eine Befreiung“gewesen. „Ich war kein glückliche­r Mensch mehr“, erzählt er rückblicke­nd. Deshalb begab er sich damals in psychiatri­sche Behandlung. Bis zur vollständi­gen Heilung habe es im Anschluss zwei Jahre gedauert.

Beim „Talk im Bock“in Leutkirch ist von Depression­en oder ähnlichem nichts zu spüren. Im Gegenteil: Als Ruheständl­er genießt Hitzfeld die freie Zeit, die er nun mit seiner Familie hat, in vollen Zügen. An seine grandiosen Siege denkt er gerne zurück.

Mehr zum Thema auf

 ?? FOTO: NILL ?? Prominente­r Besuch in Leutkirch: Ottmar Hitzfeld (rechts) im Gespräch mit Moderator Andreas Müller.
FOTO: NILL Prominente­r Besuch in Leutkirch: Ottmar Hitzfeld (rechts) im Gespräch mit Moderator Andreas Müller.

Newspapers in German

Newspapers from Germany