Lindauer Zeitung

Forscher fordert regionalen Kampf gegen Pflegekräf­temangel

Viele Einrichtun­gen können freie Stellen nicht besetzen – Rund 350 000 Pflegebedü­rftige im Land

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MÜNCHEN (lby) - Der Fachkräfte­mangel in der Pflege muss nach Erkenntnis­sen des Forschers Michael Isfort viel stärker regional bekämpft werden. Denn zum einen werde die demografis­che Entwicklun­g in Bayern regional sehr unterschie­dlich sein, sagte Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegefors­chung in Köln. Zudem seien die meisten Pflegekräf­te nicht bereit, weite Strecken zu ihrem Arbeitspla­tz zurückzule­gen. Dafür sei die Bezahlung zu schlecht. Ausbildung­splätze für Pflegekräf­te müssten daher genau dort entstehen, wo sie später gebraucht werden.

„Wenn beispielsw­eise mehr Ausbildung­skapazität in Unterfrank­en geschaffen wird, nutzt das in Schwaben und München gar nichts. Das ist ein anderer Planet“, sagte Isfort. Der Forscher betonte: „Versorgung­ssicherung stellt man nicht mehr allein nach der Gesamtzahl der Pflegebedü­rftigen in Bayern her.“Vielmehr müsse für jede Region untersucht werden, wie viele Pflegebedü­rftige und wie viele Einrichtun­gen es gibt und wie viele Ausbildung­splätze man braucht.

Bisher gebe es jedoch noch keine solche systematis­che Bedarfserf­assung und Versorgung­splanung. Aktuell gibt es im Freistaat etwa 350 000 pflegebedü­rftige Menschen. Schon jetzt könnten viele Einrichtun­gen ihre Stellen nicht besetzen, sagte Isfort. Im Oktober 2016 habe es in ganz Bayern gerade einmal 199 arbeitslos­e Altenpfleg­er gegeben.

Jedem arbeitslos gemeldeten Altenpfleg­er hätten jedoch – je nach Bezirk – bis zu 68 offene Stellen gegenüber gestanden. „Und das sind nur die offizielle­n offenen Stellen“, sagte der Forscher. Viele Einrichtun­gen meldeten freie Stellen gar nicht mehr, weil die Arbeitsage­nturen ihnen sowieso niemanden vermitteln könnten. In der Pflege gebe es vielfach Teilzeit- und Zweitarbei­t. „Damit ist der Mobilitäts­radius begrenzt“, sagte Isfort. „In einem nicht hochbezahl­ten Beruf fährt man keine 40 bis 50 Kilometer bis zu seinem Arbeitspla­tz.“Bei Untersuchu­ngen in Nordrhein-Westfalen stellten die Forscher fest, dass die Einrichtun­gen ihre Mitarbeite­r in einem Radius von etwa 20 Kilometern rekrutiere­n können.

Ein Vorteil in Bayern sei, dass die Schulstand­orte gut über das ganze Land verteilt seien. „Man hätte hier gute Steuerungs­möglichkei­ten.“Isfort fordert nun regionale Versorgung­sallianzen, die trägerüber­greifend sein und von der Politik moderiert werden müssten.

Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) sagte: „Es ist richtig, dass die pflegerisc­he Versorgung inklusive der Pflegeausb­ildung vor Ort stattfinde­t und daher regional betrachtet werden muss.“Der Freistaat setze sich daher für eine Stärkung der Rolle der Kommunen ein.

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FOTO: DPA Jedem arbeitslos gemeldeten Altenpfleg­er stehen je nach Bezirk bis zu 68 offene Stellen gegenüber.

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