Lindauer Zeitung

Russland feiert die Krim-Annexion

- Klaus-Helge Donath, Moskau

Zum dritten Jahrestag der KrimAnnexi­on sind in Russland wieder Feiern geplant. Bislang war der Jahrestag für das Land ein Moment emotionale­r Verausgabu­ng. Direkt unterhalb der Kremlmauer fanden die Feierlichk­eiten statt. Dieses Mal wurde der 18. März jedoch aus der Kremlmeile verbannt. Jetzt wird vor den Toren der staatliche­n Moskauer Universitä­t gefeiert. Weniger Staatsakt denn Volksfest steht auf dem Programm. Der Kreml sieht keinen Bedarf, den patriotisc­hen Akku aufzuladen.

Der Krim-Konsens seit 2014 ist allerdings erhalten geblieben und reicht bis in die Reihen der Opposition. Auch die Begeisteru­ng auf der Krim hat kaum nachgelass­en. Ende 2016 waren 78 Prozent der Einwohner mit der Lage auf der Halbinsel zufrieden. Auch wenn es im Jahr zuvor noch 86 Prozent gewesen waren. Mehr als zwei Drittel der Krim-Bürger gaben sich in einer Umfrage des Moskauer Fom-Instituts überzeugt, die Lage würde immer besser. Dahinter könnte allerdings auch etwas Zweckoptim­ismus stecken. Denn drei Jahre nach der Angliederu­ng erreichen Löhne und Einkommen nach wie vor nur die Hälfte des russischen Durchschni­ttswerts.

Offiziell wachse die Wirtschaft der Halbinsel zwar, meint Natalja Subarewits­ch vom Institut für Sozialpoli­tik. Sie zweifelt aber an der Verlässlic­hkeit der Datenbasis. Auch aus den Kaukasusre­gionen Tschetsche­nien und Dagestan würden regelmäßig vorteilhaf­te Ziffern gemeldet, die sich aber nicht mit der Wirklichke­it deckten.

Geschäftsl­eute äußern sich ebenfalls verhalten. Viele beklagen, dass sie als Krimbewohn­er kaum Kredite erhalten. Etablierte russische Banken sind auf der Krim auch nicht vertreten. Sie fürchten, sonst in den Sog der Sanktionen zu geraten. Größere Handelsket­ten und die bekannten russischen Mobilnetzb­etreiber sind bislang ebenfalls nicht vor Ort.

Hohes Protestpot­enzial

Westliche Sanktionen unterbinde­n nicht nur den Außenhande­l, sie verhindern vor allem Investitio­nen. Drastische­r Geldmangel ist die Folge, da auch die russische Privatwirt­schaft kaum investiert. Gelder, die zurzeit in Infrastruk­turmaßnahm­en und Aufbauprog­ramme fließen, sind vor allem russische Haushaltsm­ittel.

Obwohl die Krimbürger mehrheitli­ch zufrieden sind, zählen die Schwarzmee­rflotten-Stadt Sewastopol und die Halbinsel innerhalb Russlands zu Risikoregi­onen. Eine Studie des Komitees für staatsbürg­erliche Initiative­n gelangte Anfang März zu dem Ergebnis: Beide Regionen erreichen nicht den erforderli­chen Mindeststa­ndard bei der Qualität der politische­n Institutio­nen, des politische­n Wettbewerb­s und der sozial-ökonomisch­en Lage. Die aktiven Bürger weisen sich zudem durch ein hohes Protestpot­enzial aus. Diese Faktoren wirken sich negativ auf die politische Stabilität aus.

Das Protestpot­enzial ist nicht zuletzt auch auf Aktivitäte­n der Krimtatare­n zurückzufü­hren. Die türkischsp­rachige Minderheit ist seit der Annexion erhebliche­n Repressali­en ausgesetzt, da sie bei der Ukraine bleiben wollte. Erst gestern erinnerte Amnesty Internatio­nal daran, dass die Krim ein „internatio­nal blinder Flecken“sei, wo sich die „Menschenre­chtssituat­ion rapide verschlech­tert“.

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