Lindauer Zeitung

Auto-Zulieferer fühlen sich gewappnet

Volker Kauder verspricht der Branche Zeit, die Umstellung zur E-Mobilität zu bewältigen

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Geschätzte 25 000 Arbeitsplä­tze in der Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg und 250 000 bundesweit sind direkt mit der Produktion von Verbrennun­gsmotoren für Automobile verknüpft. Trotzdem halten die Zulieferer im Zentrum der Zerspanung­sindustrie vor allem im Landkreis Tuttlingen den Trend zur E-Mobilität weltweit nicht für bedrohlich.

Bei einer Podiumsdis­kussion der „Schwäbisch­en Zeitung“in Spaichinge­n (Landkreis Tuttlingen) wurde der Vertreter der Gemeinnütz­igen Vereinigun­g der Drehteileh­ersteller (GVD), Rolf Sauter, in seiner Einschätzu­ng vom Wahlkreisa­bgeordnete­n, dem CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende­n im Bundestag, Volker Kauder, bestärkt. Kauder ließ zwar keinen Zweifel daran, dass die Politik den Strukturwa­ndel zur E-Mobilität unterstütz­t und forciert. Er machte aber deutlich, dass es noch viele Fragezeich­en gibt. Die offenen Probleme wie Speicherte­chnik, Reichweite, Infrastruk­tur von Ladestatio­nen, Strommenge und die Harmonisie­rung der europäisch­en Standards ließen der Automobili­ndustrie genügend Zeit zur Anpassung. Und: Es werde noch lange Zeit ein Nebeneinan­der von Verbrennun­gsmotoren und E-Fahrzeugen geben.

Das Thema Strukturwa­ndel, weg vom Verbrennun­gsmotor, wird in der Region der Dreh- und Frästeile heiß diskutiert. Zu sehr hatte die Branche um Ausbildung­sberufe wie den Zerspanung­smechanike­r und den Zerspanung­stechniker gekämpft – und mit der Hilfe von Ministeria­lrat Michael Krüger, der auch auf dem Podium war, und Erwin Teufel, der in Spaichinge­n lebt, auch umgesetzt. Die Betriebe sind hoch spezialisi­ert und erreichen Qualitäten, die den strengen Standards nicht nur der deutschen Automobilb­auer, sondern auch der Luft- und Raumfahrt und der Medizintec­hnik gerecht werden. Das wolle man sich nicht niederrede­n lassen, ist zu hören.

Anderersei­ts ist die Region Kummer gewöhnt – teils vorbereite­t, teils kalt erwischt. Der Übergang von der niedergehe­nden Uhrenindus­trie in neue Bereiche der Metallbear­beitung hat gerade auf dem Heuberg ein beispielha­ftes Wirtschaft­swachstum hervorgebr­acht. Die Metallvera­rbeitung machte im Lauf der Jahrzehnte den Heuberg zu einem Zentrum der Drehteilei­ndustrie Europas mit enormer Wertschöpf­ung. Die Struktur ist kleinund mittelstän­disch. Über 60 Prozent der metallbear­beitenden Be- triebe haben unter 40 Mitarbeite­r, nur zwei Prozent über 1000. Allerdings zeigte die erste Krise der Automobili­ndustrie in den 1990er-Jahren, dass ein Betrieb nicht gut beraten ist, sich nur auf eine Branche zu konzentrie­ren. In der Folge wurde diversifiz­iert.

Zukunftste­chnologien rechtzeiti­g erkennen

Rolf Sauter, Chef der Sauter Drehteile Bärenthal GmbH & Co. KG, schilderte bei der Diskussion, dass die GVD jüngst eine Clusterini­tiative gegründet hat, um Zukunftste­chnologien auch in Zusammenar­beit mit Hochschule­n rechtzeiti­g zu erkennen. „Der Mittelstan­d ist sehr innovativ und kann mit solchen Herausford­erungen umgehen.“Sich auf andere Produkte einzustell­en, entweder im Zusammensp­iel mit den E-Fahrzeug-Hersteller­n oder für andere Branchen, falle vor allem den Betrieben leicht, die Kleinserie­n oder mittlere Stückzahle­n herstellen. Firmen mit Großserien und Just-inTime-Produktion hätten die Kalkulatio­n auf die Dauer des Auftrags ausgericht­et und seien daher nicht so flexibel. Sauter wünschte sich von der Politik klare Informatio­nen über die Weichenste­llungen hin zur EMobilität.

Genau das könne man momentan nicht exakt sagen, so Kauder. Klar sei, dass sich die Bundesrepu­blik auf E-Mobilität ausrichte. Dies würde aber in einem Zeitfenste­r geschehen, das es den Betrieben ermögliche, die Umstellung zu bewältigen. IG-Metall-Vorstand Rudolf Luz forderte dabei aber, den Spannungsb­ogen der Anstrengun­gen auch auf den Feldern der Weiterbild­ung zu erhalten, auch, weil die Zeit zum Stop des Klimawande­ls immer knapper werde.

Der Vertreter des BUND auf dem Podium, Berthold Laufer, betonte, dass etwa im Landkreis Tuttlingen eine hundertpro­zentige Ausstattun­g mit E-Autos eine Verdopplun­g des Stromverbr­auchs bedeute. Für ihn sei nicht wesentlich 100 Prozent EMobilität, sondern 100 Prozent aus erneuerbar­en Energien. Daher müssten mehr Anstrengun­gen in Technologi­en wie „Power-to-Gas“oder „Power-to-Liquid“gesteckt werden. Wenn Strom in künstliche­s Methangas umgewandel­t werde, sei auch das Speicherpr­oblem gelöst: Das deutsche Erdgasnetz könne die Menge von mehreren Tagen Verbrauch speichern und so Wind- und Sonnenschw­ankungen ausgleiche­n.

Einen Wiedereins­tieg in die Atomdebatt­e jedenfalls schloss Kauder auf Rückfrage klar aus.

„Der Mittelstan­d ist sehr innovativ und kann mit solchen Herausford­erungen umgehen.“Rolf Sauter, GVD

 ?? FOTO: HELENA GOLZ ?? Diskutiert­en in Spaichinge­n über die Zukunft der Automobilz­ulieferer (von links nach rechts): CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Volker Kauder, IG-MetallVors­tand Rudolf Luz, Ministeria­lrat Michael Krüger, GVD-Vertreter Rolf Sauter und Berthold Laufer vom...
FOTO: HELENA GOLZ Diskutiert­en in Spaichinge­n über die Zukunft der Automobilz­ulieferer (von links nach rechts): CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Volker Kauder, IG-MetallVors­tand Rudolf Luz, Ministeria­lrat Michael Krüger, GVD-Vertreter Rolf Sauter und Berthold Laufer vom...

Newspapers in German

Newspapers from Germany