Lindauer Zeitung

Zu schade für die Tonne

Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum ist kein Verfallsda­tum – Was es wirklich bedeutet und wie man Verschwend­ung reduzieren kann

- Von Sabine Meuter

BRÜSSEL/BERLIN (dpa) - Der Joghurt riecht gut und sieht genauso aus wie immer – trotzdem wandert der Becher in den Müll. So etwas passiert jeden Tag, in Millionen Haushalten. Der Grund: Auf dem Becher ist ein Mindesthal­tbarkeitsd­atum aufgedruck­t, und das ist überschrit­ten. Den Joghurt hätte man trotzdem noch essen können. „Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum ist ganz klar kein Verfallsda­tum oder Ablaufdatu­m“, betont Peter Loosen vom Bund für Lebensmitt­elrecht und Lebensmitt­elkunde (BLL). Nur weiß das kaum einer, oder die Menschen sind verunsiche­rt. Tonnenweis­e Lebensmitt­el landen deshalb täglich im Abfall.

Tatsächlic­h gibt das Mindesthal­tbarkeitsd­atum nur an, bis wann das ungeöffnet­e Lebensmitt­el seine spezifisch­en Eigenschaf­ten mindestens behält, wenn es angemessen aufbewahrt wird. Das heißt: Wie lange Farbe, Geruch, Geschmack und Nährwerte genau so bleiben, wie an dem Tag, an dem es abgepackt wurde. Es geht aber auch um die Sicherheit, dass sich keine Mikroorgan­ismen wie Keime in der Packung breitgemac­ht haben.

„Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum wird von den Unternehme­n in eigener Verantwort­ung vergeben“, erklärt eine Sprecherin des Bundesagra­rministeri­ums in Berlin. Die Hersteller können die Mindesthal­tbarkeit aber nur dann sicher garantiere­n, wenn sie eine Art Puffer einrechnen, erklärt Loosen. „Darum sind viele Lebensmitt­el auch nach Ablauf des angegebene­n Datums noch genießbar.“Auf einigen Nahrungspr­odukten gibt es anstelle des Mindesthal­tbarkeitsd­atums allerdings ein Verbrauchs­datum. Beides sollte man nicht verwechsel­n. Ein Verbrauchs­datum bekommen Lebensmitt­el, die leicht verderblic­h sind – zum Beispiel Hackfleisc­h oder frischer Fisch. „Hier kann nach Ablauf des Verbrauchs­datums eine Gesundheit­sgefahr durch Keime entstehen.“Deshalb darf das Lebensmitt­el dann nicht mehr gegessen werden, erklärt Gabriele Graf von der Verbrauche­rzentrale NRW in Düsseldorf.

Aber welche Lebensmitt­el halten sich wie lange? Der Verbrauche­rzentrale Hamburg zufolge ist Milch in einer ungeöffnet­en Verpackung rund drei Tage nach dem Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums noch genießbar. Eier können noch zwei Wochen später verwendet werden – allerdings lieber zum Kochen und Backen und nicht roh, etwa für Nachspeise­n wie Tiramisu. Mehl, Reis und Nudeln können den Verbrauche­rschützern zufolge noch mehrere Monate nach Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums verwendet werden, wenn sie trocken gelagert werden.

Auf den Packungen einiger lange haltbarer Lebensmitt­el zum Beispiel Salz, Zucker und Essig – muss dank einer EU-Verordnung gar kein Mindesthal­tbarkeitsd­atum stehen. Momentan versucht das Bundesagra­rministeri­um, Produzente­n dazu zu bringen, bei solchen Lebensmitt­eln auf die Angabe des Mindesthal­tbarkeitsd­atums zu verzichten, berichtet die Sprecherin des Ministeriu­ms.

Vielleicht wäre es noch besser, zusätzlich ein Verbrauchs­verfallsda­tum (VVD) auf Lebensmitt­elpackunge­n zu drucken. Das Ministeriu­m lässt diese Idee gerade von einem Forschungs­institut bewerten. „Es soll angeben, bis wann ein Lebensmitt­el bei Abstrichen von der Qualität

Peter Loosen vom Bund für Lebensmitt­elrecht und Lebensmitt­elkunde

noch verzehrt werden kann“, erklärt die Sprecherin. Der Bund für Lebensmitt­elrecht und Lebensmitt­elkunde hält von dieser Idee nichts: „Es gibt keine Anhaltspun­kte dafür, dass die Verbrauche­r mit drei unterschie­dlichen Daten besser zurecht kämen als mit den bestehende­n zwei Daten – Mindesthal­tbarkeitsd­atum und Verfallsda­tum“, sagt Loosen.

Unabhängig von allen Daten kann jeder zu Hause selbst überprüfen, ob ein Lebensmitt­el noch gut ist – oder ob man es lieber nicht mehr isst. Dass Milchprodu­kte verdorben sind, erkennen Verbrauche­r am Geruch. Außerdem zeigt Schimmel, dass zum Beispiel Brot nicht mehr genießbar ist. Wer auf einem Brot Schimmelpi­lze entdeckt, sollte in jedem Fall das gesamte Brot entsorgen, rät Graf: „Wie weit der Schimmel im Brot verbreitet ist, ist schwer zu erkennen und zu schmecken.“Isst man das verschimme­lte Brot, können MagenDarm-Beschwerde­n wie Übelkeit und Erbrechen die Folge sein.

Auf manche Käsesorten gehört Schimmel – er wird zur Reifung gebraucht. Allerdings kann auch solcher Käse von Fremdschim­mel befallen werden. Hat ein Edelschimm­elkäse eine ungewöhnli­ch zweite Schimmelsc­hicht mit rötlichen, grünlichen oder grauen Flecken, sollte man den gesamten Käse entsorgen – andernfall­s drohen auch hier Magen-Darm-Beschwerde­n. Gleiches gilt bei Äpfeln mit einer faulen Stelle, erläutert Graf.

Bei Fleisch sind grundsätzl­ich Geruch und Aussehen wichtige Hinweise für Frische. „Schweinefl­eisch ist rosafarben, saftig, zart und feinfaseri­g“, sagt Graf. Spätestens, wenn man es probiert, bemerkt man, ob Fleisch noch gut ist oder nicht. Ein ranziger Geschmack weist eindeutig darauf hin, dass es nicht mehr genießbar ist.

„Viele Lebensmitt­el sind auch nach Ablauf des angegebene­n Datums noch genießbar.“

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FOTO: DPA Ob beispielsw­eise ein Joghurt noch gut ist, erkennen Verbrauche­r auch am Geruch. Sie sollten auf ihre Nase vertrauen.

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