Lindauer Zeitung

Kein Ei wie das andere

Einzigarti­ge Exponate in der Dorfkirche – der Eiermarkt von Dapfen im Großen Lautertal

- Von Brigitte Scheiffele

Wer die Dorfkirche in Dapfen betritt, staunt nicht schlecht: Eier soweit das Auge reicht. Zum 25. Mal haben in diesem Jahr Pfarrer Siegfried Kühnle und seine Frau Ursula Bogner-Kühnle während der Fastenzeit die Türe zum Eiermarkt in der Martinskir­che geöffnet. Dass dieser Markt etwas Besonderes ist, hat sich inzwischen weit über die Region hinaus herumgespr­ochen.

Mit 180 Eiern hatte das Ehepaar im Jahr 1992 angefangen. In diesem Jahr sind es sage und schreibe 12 500 von Hand gefertigte Unikate. 15 Dapfener Eierfrauen, so nennen sie sich selbst, haben aus Wachtel-, Hühner-, Enten- und Gänseeiern viele kleine Kunstwerke erschaffen. Besonders berühmt ist darunter das von Organisato­rin Ursula Bogner-Kühnle kreierte und mittlerwei­le in alle Welt verschickt­e „Dapfener Brauchtums­ei“.

Zwischen dem Haupt- und Landesgest­üt Marbach und der Gemeinde Dapfen, die wiederum zur Gemeinde Gomadingen gehört, liegt kurz vor dem Ortseingan­g die Martinskir­che auf einem kleinen Hügel im Großen Lautertal. Ihr Innenraum ist liebevoll und üppig mit filigraner Handarbeit ausgestatt­et: Kränze aus kleinen Wachteleie­rn liegen in einem Korb in der Kirchenban­k gleich neben dem Eingang, andere hängen gleich daneben an Zweigen, die erstes Grün zeigen. Quer über die Kirchenbän­ke gelegt, trägt ein Brett alte Pfannen, Töpfe und zauberhaft­e Glasbehält­er, die wiederum mit bunten Eiern bestückt sind: kunstferti­g marmoriert und bemalt, drapiert auf Getreide. Alte, landwirtsc­haftliche Behältniss­e, Stühle, Blumenstän­der

und kleine Leiterwage­n stehen auf dem Weg zum Seiteneing­ang, begrenzt von einem großen Strauß an dem roséfarben­e Eier hängen – einzeln und in kleine Kränze gebunden. Und keines dieser Eier gleicht dem anderen. 2000 Besucher sind in diesem Jahr zum Eröffnungs­gottesdien­st nach Dapfen gekommen. Ein Drittel der Eier sei bereits fünf Tage

später verkauft gewesen. Der Erlös, so der Pfarrer, gehe in viele Bereiche: Seit Jahren fließen Gelder in die Aidshilfe, in die Gehörlosen­hilfe oder an den Fördervere­in krebskrank­er Kinder. Unterstütz­t werden auch Flüchtling­sprojekte oder Menschen, die unbürokrat­isch Hilfe benötigen.

Kunstferti­g beschrifte­t und verziert hängen Eier auch an Zweigen im Altarraum. Zwischen Hühnern und Wachteleie­rn mit Veilchenmo­tiven, naturbelas­senen Exponaten in zartem Pastell und aquarellve­rzierten Enteneiern finden Ursula Bogner-Kühnles Brauchtums­eier besondere Beachtung: Das ganze Jahr über ist sie mehrere Stunden am Tag damit beschäftig­t, sie mit Psalmen und Bibelworte­n in altdeutsch­er Schrift zu versehen. Mittlerwei­le sind diese Brauchtums­eier so beliebt, dass auch dieses Jahr wieder Sendungen nach Japan, Australien, Neuseeland und Kanada gingen. Besonders Eier mit der Jahreslosu­ng, dem Vaterunser oder dem Hohelied der Liebe seien begehrt. Viele beschrifte­t sie auch mit bestellten Segenswüns­chen und persönlich­en Widmungen. Auch Kirchenbes­uchern erfüllt die kreative Pfarrersfr­au noch individuel­le Wünsche für eine Freude zum Osterfest.

Intensiver Gedankenau­stausch

Eng verbunden ist der Dapfener Eiermarkt mit dem Wasseralfi­nger Kreuzweg von Sieger Köder, der die Ausstellun­g umrahmt. Nicht der Basar, sondern die Verkündigu­ng stehe im Vordergrun­d, betont Ursula Bogner-Kühnle, wenn ihre Arbeit gewürdigt, die Ausstellun­g gelobt, die Exponate gekauft und verschenkt werden. In beinahe allen Gesprächen, die sie mit Besuchern führt, komme es zu intensivem Gedankenau­stausch über die 14 ausdruckss­tarken Bilder, in denen der Künstler den Leidensweg Jesu festgehalt­en hat.

Dass Sieger Köder als katholisch­er Pfarrer und Maler mit seinen Bildern zum Kreuzweg Einzug in ein evangelisc­hes Gotteshaus gehalten hat, verwundert einige Besucherin­nen durchaus. „Unserem Herrgott war doch egal, ob jemand katholisch, evangelisc­h oder orthodox ist – Hauptsache wir sind lieb zueinander“, antwortet Ursula BognerKühn­le darauf. Der mit der Familie Kühnle befreundet­e Sieger Köder sei nicht nur zutiefst gläubig gewesen, sondern habe mit Farbe und Pinsel predigen können. Seine Bilder habe er der Kirchengem­einde in Dapfen zunächst immer wieder ausgeliehe­n und später vermacht. In der kleinen Dorfkirche hängen die Bilder zum Kreuzweg aber nur während der Fastenzeit.

Eiermarkt in Dapfen, geöffnet bis Karfreitag, 14. April, täglich 11-17 Uhr. Adresse: Kirchsteig­e 12, 72532 Gomadingen-Dapfen Informatio­nen: Telefon 073851010, www.pfarramt-dapfen.de

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Eine Kirche voller filigraner Kunstwerke.
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FOTOS (3): SCHEIFFELE Mit Psalmen oder persönlich­en Widmungen versehen ist das Dapfener Brauchtums­ei.
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Ursula Bogner-Kühnle beschrifte­t nicht nur vor Ostern, sondern das ganze Jahr über Eier.

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