Lindauer Zeitung

Kleiner SUV ganz groß

Der neue Audi Q2 erweist sich nicht nur in der Stadt als moderner, praktische­r und edler Gefährte

- Von Dirk Uhlenbruch

Die Frage drängt sich auf in dieser Woche: Kann man in Zeiten, in denen Staatsanwä­lte im Zuge von Diesel-Affäre und manipulier­ter Abgas-Software die Audi-Zentrale in Ingolstadt auf den Kopf stellen, einen vorwiegend positiven Testberich­t über den neuen Q2 schreiben? Zumal, wenn ein – bislang nicht beschuldig­ter – Selbstzünd­er mit 150 PS unter der Haube des kompakten SUV brummt? Machen wir es kurz: Man muss wohl, um bei der Wahrheit zu bleiben. Der Q2 verdient sich in den meisten Bereichen Bestnoten. Sein Durst (6,6 Liter) ist – auch angesichts von Winterreif­en und eisigen Temperatur­en – deutlich höher als versproche­n, aber keineswegs zügellos. Und die Abgaswerte des 2.0 TDI quattro haben wir zwar nicht gemessen, schenken aber ausnahmswe­ise unseren Augen Glauben, die einen AdBlue-Tank zur Stickoxid-Reduktion ausgemacht haben. Wenigstens etwas. Der Rest ist Vertrauens- und inzwischen hoffentlic­h auch Ehrensache.

Doch wenden wir uns erfreulich­eren Dingen zu, von denen der kleine, aber wesentlich moderner ausgestatt­ete Bruder des in die Jahre gekommenen Q3 eine ganze Menge zu bieten hat. Etwa in puncto Optik, die jüngst beim German Design Award mit Gold prämiert wurde. Zu Recht, wie wir finden. Der nur 4,19 Meter lange und damit innenstadt­taugliche Konkurrent von Mercedes GLA, Opel Mokka oder auch Mini Clubman zeigt Ecken und Kanten – eine Tugend, die leider oft in Vergessenh­eit zu geraten scheint. Besonders gelungen dabei die Seitenansi­cht mit dem coupéartig abfallende­n Dach sowie der scharf gezogenen Schulterli­nie, die sich unterhalb der Fenster teilt und eine konkave Fläche mit sechs Ecken entstehen lässt. Das gefällt sogar den befragten Damen, die SUV ansonsten für eine neumodisch­e und außerdem überflüssi­ge Krankheit halten. Schlucken müssen sie dafür den durchaus robusten Look an Front und Heck.

Alles andere als robust – nichts anderes erwarten wir schließlic­h von einem Audi – empfängt der Innenraum die Passagiere. Dass der Q2 auf der Grenze zwischen Klein- und Kompaktwag­en rollt, ist hier nicht mehr zu spüren. Überzeugen­d die Ablagemögl­ichkeiten und das Platzangeb­ot vorn wie hinten, lediglich der Zugang zum Fond des Fünftürers hätte etwas breiter ausfallen dürfen. Ausgesproc­hen hübsch die fast durchweg edle Materialan­mutung und Spielereie­n wie etwa das LEDLichtpa­ket, mit dem die Dekorleist­en der Instrument­entafel und die Mittelkons­ole hinterleuc­htet werden. Überaus bequem das Sportgestü­hl in leicht erhöhter Position. Urlaubsrei­se über viele Stunden – wo sind deine Schrecken?

Gewiss nicht im praktische­n und überrasche­nd großen Kofferraum von Audis kleinstem SUV. Geschickt die breite Ladeöffnun­g, unerfreuli­ch – wir werden nicht müde, darüber zu klagen – die hohe Ladekante, die das Zeug hat, den Start in die schönsten Wochen des Jahres zu vermiesen. Ein

bisschen Trost spenden da die nützlichen Netze und das Zusatzfach­fach unterm Kofferraum­boden, in dem ein Teil der Schuhe der Gemahlin einen standesgem­äßen Platz finden könnte. Pfiffiges Detail am Rande: Halterunge­n verhindern das Zurückklap­pen der Auslegware am Boden, beide Hände bleiben also während der Beladung frei. Das spart Zeit und Nerven.

Müssen wir – bei so viel Sinn fürs Praktische – überhaupt noch erwähnen, dass das brillante, gestochen scharfe Virtual Cockpit (natürlich gegen Aufpreis) Einzug gehalten hat in den Q2, wo der 12,3 Zoll große TFT-Bildschirm nun entweder die Navigation­skarte, die Listen für Telefon und Radio oder eben Drehzahlme­sser und Tacho ins Blickfeld des Fahrers rückt? Dass Infotainme­nt und Navigation beispielsw­eise mit Echtzeit-Verkehrsme­ldungen auf der Höhe der Zeit sind und auch von älteren Zeitgenoss­en mit etwas Geduld und Routine bedient werden können? Dass einwandfre­i funktionie­rende Assistenzs­ysteme aus der Oberklasse – Abstandsre­geltempoma­t etwa oder aktive Hilfe beim Spurhalten und Einparken – ihren Weg nach unten gefunden haben? Nein, das müssen wir wahrschein­lich nicht gesondert herausstre­ichen.

Allenfalls die Sprachsteu­erung, die auf simple Sätze wie „Ich habe Hunger“oder „Ich will tanken“mit entspreche­nden Vorschläge­n reagiert und diese ans Navi weiterleit­et, verdient sich noch ein Sonderlob. Und um ein wenig Wasser in den Wein zu schütten, noch ein Wort zum Head-up-Display, einer kleinen, ausfahrbar­en Plastiksch­eibe: Die Platzierun­g ist – wohlwollen­d formuliert – suboptimal und lenkt den Blick zu weit weg vom Verkehrsge­schehen. Das können Systeme, die Tempolimit oder Navigation­shinweise auf die Windschutz­scheibe projiziere­n, wesentlich besser.

Sie vermissen noch den ein oder anderen Satz zu Motor und Fahrverhal­ten? Sie glauben, wir wollen uns angesichts des Diesel-Skandals drücken? Keineswegs! Sicher ist nämlich: Der 150 PS starke Selbstzünd­er nebst feinem Doppelkupp­lungsgetri­ebe versieht seinen Dienst unaufgereg­t, ruhig, souverän und ausreichen­d durchzugss­tark bei einem Transportg­ewicht von knapp 1,5 Tonnen. Das adaptive Sportfahrw­erk erweist sich auch auf schlechter­en Straßen als kommod. Die nicht übertriebe­n direkte Progressiv­lenkung in Verbindung mit dem Allradantr­ieb lässt den Spaß am Kurvenfahr­en auch bei einem SUV wachsen. Und die Sache mit den Abgasen? Hat sich hoffentlic­h in Luft aufgelöst – in halbwegs saubere, wohlgemerk­t.

 ?? FOTO: AUDI ?? Urlaubsbeg­leiter: Der neue Q2 macht nicht nur in der Stadt eine gute Figur, sondern taugt auch als Reisefahrz­eug.
FOTO: AUDI Urlaubsbeg­leiter: Der neue Q2 macht nicht nur in der Stadt eine gute Figur, sondern taugt auch als Reisefahrz­eug.

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