Lindauer Zeitung

Umweltsünd­e Mikroplast­ik

Kleinste Partikel in Kosmetik- und Reinigungs­mitteln belasten die Gewässer zunehmend

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Das Peeling befreit das Gesicht von Hautschüpp­chen. Die Creme füllt Falten auf, das Make-up sorgt für ein geschmeidi­ges Aussehen. Damit die Hersteller ihr Verspreche­n bei der Kundschaft einlösen können, setzen die meisten auf Plastikpar­tikel in der Kosmetik. Die Stoffe sind nur wenige Millimeter groß, in der Umwelt bleiben sie vermutlich dauerhaft. Ein großes Problem, wie Umweltschü­tzer zum heutigen Weltwasser­tag mahnen.

Mikroplast­ik wird nicht nur in Kosmetikpr­odukten oder Reinigungs­mitteln verwendet. Kleinste Plastiktei­lchen entstehen durch Reifenabri­eb im Straßenver­kehr und den Zerfall von Kunststoff­en. Man spricht hier von sogenannte­m sekundären Mikroplast­ik. Die Reste landen in der Umwelt, in Seen, Flüssen und Meeren tauchen die Partikel wieder auf. Sie über Kläranlage­n herauszufi­ltern, ist unmöglich.

„Plankton, kleinere Krebstiere bis hin zu größeren Fischen nehmen die Stoffe auf, weil sie sie beispielsw­eise mit Nahrung verwechsel­n“, sagt Sandra Schöttner von Greenpeace. Hinzu kommt: Je kleiner ein Partikel ist, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass sie vom Magen-DarmTrakt ins umliegende Gewebe oder den Blutkreisl­auf der Lebewesen gelangen können. Nicht nur die Partikel selbst sind ein Fremdkörpe­r in den Tieren. Auch die Schadstoff­e, die beigemengt wurden, sind ein Problem. Damit das Material beispielsw­eise feuerfest oder hitzebestä­ndig ist oder eine bestimmte Farbe hat, werden zusätzlich­e Substanzen hinzugefüg­t. Beides hat mögliche Folgen für Tiere, Pflanzen, Menschen – und zwar langfristi­g.

Wie groß die Menge an Mikroparti­keln aus Kunststoff ist, die jedes Jahr eingesetzt werden, ist unklar. Experten des Bundesumwe­ltamtes gehen in einer Studie von rund 500 Tonnen primärer Mikroparti­kel allein aus Polyethyle­n aus, die in Deutschlan­d in kosmetisch­en Mitteln verwendet werden. Bei Reinigungs­und Waschmitte­ln sind es unter 100 Tonnen. Die Palette der eingesetzt­en Kunststoff­e geht jedoch weit über Polyethyle­n hinaus. Insgesamt schätzen Wissenscha­ftler, dass etwa sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunststoff­produktion in den Weltmeeren landen. Wie groß die Menge an Mikroparti­keln aus Textilien, durch Reifenabri­eb im Straßenver­kehr oder bei der Verarbeitu­ng von Kunststoff­en ist – dazu gibt es bisher keine Schätzunge­n.

Die Kosmetikin­dustrie geht davon aus, das der Anteil von festen Kunststoff­partikeln aus kosmetisch­en Mitteln in Gewässern sehr gering ist. Birgit Huber vom Industriev­erband Körperpfle­ge und Waschmitte­l spricht von Zahlen zwischen 0,1 und 1,5 Prozent Anteil am Gesamteint­rag in der Nordsee. Der europäisch­e Industriev­erband empfiehlt allen Mitglieder­n bis 2020 feste, nicht abbaubare Kunststoff­partikel, die des Reinigungs­effekts wegen eingesetzt werden, zu ersetzen.

Greenpeace fordert Verbot

Naturkosme­tikherstel­ler verzichten auf Mikroplast­ikpartikel. Die Produkte von Weleda beispielsw­eise sind nach den Kriterien des NatrueLabe­ls zertifizie­rt. Das bedeutet, dass nur Naturstoff­e verwendet werden, Kunststoff­e scheiden aus. Bei Peeling-Produkten verwendet das Unternehme­n aus Schwäbisch Gmünd Wachskügel­chen aus Carnaubaun­d Bienenwach­s.

Die Bundesregi­erung setzt auf freiwillig­e Vereinbaru­ngen mit den konvention­ellen Hersteller­n. Im sogenannte­n Kosmetikdi­alog wurde ein Ausstieg bis 2020 vereinbart. Das reicht Greenpeace nicht aus. Vor allem, weil die Hersteller sich häufig auf ihre eigene Definition von Mikroplast­ik berufen. Schöttner plädiert für ein gesetzlich­es Verbot in Produkten, die typischerw­eise ins Abwasser gelangen, nach dem Vorbild der USA, Kanada oder auch Großbritan­nien. Das Verbot soll sämtliche Kunststoff­e einschließ­en – unabhängig von deren Zustand, Größe, Wasserlösl­ichkeit oder Funktion.

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FOTO: IMAGO Monitoring zur Kunststoff­belastung der Nordsee an der Uni Kiel: Das ist der Mageninhal­t eines Eissturmvo­gels.

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