Wer wissen wollte, hätte es wissen können
Ludwig Heilmeyer, 1899 geboren, wurde 1946 Professor für Innere Medizin in Freiburg im Breisgau. Dort führte er die Psychosomatik und psychotherapeutische Behandlungsverfahren an der Uniklinik ein. Als bedeutender Nuklearmediziner wurde er zum Pionier bei der Anwendung von Radioisotopen in Diagnostik und Therapie. Wer in Ulm über Heilmeyer und über seine Rolle Bescheid wissen wollte, konnte sich durchaus informieren: „Es liegt einschlägige Fachliteratur vor, beispielsweise erwähnen Alexander Mitscherlich (1949), Susanne Zimmermann (2000) und Ernst Klee (2001) in ihren Publikationen Heilmeyer“, sagt Nicola Wenge, die Leiterin des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg, einer Institution, die neben der Gedenkstättenarbeit im ehemaligen Konzentrationslager Fort Oberer Kuhberg auch ein Bildungs- und Informationszentrum zur NS-Zeit in der Region betreibt. Freilich sei diese Literatur nur dem interessierten Fachpublikum bekannt gewesen: „Die Universität hätte die Informationen aber haben können, wenn es den Impuls gegeben hätte, Heilmeyers Biografie aufzuarbeiten.“Diesen hatte die alte Universitätsleitung bis 2015 ganz offensichtlich nicht. Doch spätestens 2010, als das Biografische Lexikon Ulm/Neu-Ulm erschien, konnte auch der NormalUlmer nachlesen, wo Heilmeyer tätig war. Aber ganz offensichtlich schaute sich niemand den Eintrag kritisch an: „Die Rolle von Ludwig Heilmeyer während der Nazi-Zeit war bisher kein Thema.“Der Ulmer Alt-Oberbürgermeister Ivo Gönner, seit einem Jahr im Ruhestand, ist überrascht, dass erst jetzt Fragen nach der braunen Vergangenheit Heilmeyers aufkommen. Er sagt aber nicht, wem er diese Verfehlung ankreidet. Sich selbst? Dem Stadtarchiv? Die Verärgerung ist Gönner anzumerken, dass er, als Stadtoberhaupt und Sozialdemokrat, all’ die Jahre nicht mehr über Heilmeyer wusste, als dass dieser ein renommierter Internist und Gründungsrektor der Universität Ulm war. Für eine Umbenennung der Heilmeyer-Steige in Ulm spricht aus Sicht des Ulmer Oberbürgermeisters Gunter Czisch derzeit nichts. Vor einer Entscheidung müsse das Ergebnis der Untersuchung der Universität vorliegen und ausgewertet sein. Die Stadt Ulm sei in der Vergangenheit mit Umbenennungen vorsichtig umgegangen. Zwei Kriterien seien ausschlaggebend: Handelte es sich um einen Funktionsträger? Hat derjenige Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen? (moe)