Lindauer Zeitung

Osterbrunn­en hält ein Dorf auf Trab

Bis zum Palmsonnta­g soll das traditions­reiche Kunstwerk aus gut 10 000 Eiern fertig sein

- Von Ute Wessels

EGLOFFSTEI­N (lby) - Mehr als 10 000 Eier schmücken jedes Jahr den Osterbrunn­en in Bieberbach in der Fränkische­n Schweiz. In dem kleinen Ort ist in gewisser Weise das ganze Jahr über Ostern. Schon im Herbst fangen viele Familien an, Eier auszublase­n und zu sammeln. Die eigentlich­e Bastelarbe­it beginnt dann im März. An Palmsonnta­g soll das österliche Kunstwerk fertig sein. „Hier helfen alle zusammen. Anders ginge es gar nicht“, sagt Barbara Pickelmann. Sie ist Vorsitzend­e des Brauchtums­vereins „Club 22“und hat die Fäden in der Hand.

Auf dem Basteltisc­h herrscht kreatives Chaos. Knapp ein Dutzend Frauen hat sich zum Verzieren der Eier getroffen. Vor ihnen stapeln sich Paletten mit unbemalten und bemalten Eiern, dazwischen stehen Farbflasch­en und in der Mitte ein Styroporbl­ock. Hier stecken die Frauen die frisch bemalten Eier zum Trocknen auf dünne Holzspieße. Es herrscht geschäftig­e Stille. „Ich kann nicht reden beim Malen“, sagt Betty Seitz, und die anderen Damen pflichten ihr lachend bei. Sie müssten sich schließlic­h konzentrie­ren.

Mit dabei seit 35 Jahren

Mit ruhiger Hand tupft Seitz Pünktchen und Striche in Rot und Weiß auf das gelb-grundierte Ei. Den Osterbrunn­en in Bieberbach gibt es seit mehr als 35 Jahren, und die Rentnerin ist seit Anfang an dabei. Ebenso Berta Hartmann: „Mitmachen gehört einfach dazu“, sagt sie. „Das kann man nur gemeinsam schaffen.“Sie hat ein grün gefärbtes Ei in der Hand und schiebt vorsichtig einen Strohhalm hindurch. Dann schneidet sie das Plastikröh­rchen mit der Schere vorne und hinten ab und tupft mit der Heißklebep­istole einen Tropfen Kleber neben die beiden Löcher im Ei – damit der Strohhalm nicht herausruts­cht. Später wird Draht hindurch gefädelt.

Die Damen haben Spaß am gemeinsame­n Basteln. Zur Stärkung gibt es Kaffee, Bienenstic­h, Hefezopf und natürlich Schoko-Ostereier. „Hier macht eigentlich jeder alles“, sagt Elfriede Lengenfeld­er. „Eben das, wo er gerade gebraucht wird.“

Seit Anfang März treffen sich die Helfer jeden Nachmittag. Jeder komme so oft oder lange, wie er Zeit und Lust habe, sagt Pickelmann. „Das sind sechs Wochen, in denen man sich jeden Tag sieht. Das schweißt zusammen.“Der Osterbrunn­en sei Teil des Dorflebens, hier würden über Generation­en hinweg alle einbezogen. Den Arbeitsrau­m hat ein Handwerksb­etrieb zur Verfügung gestellt. Auf dem überdachte­n Stellplatz vor dem Haus sind einige Helfer am Werkeln. Sie binden aus Tannengrün die Girlanden, an denen die Eier befestigt werden.

„Es gibt einen richtigen Bauplan“, sagt Pickelmann. Seit 2005 steht sie dem Verein vor und kennt jedes noch so kleine Detail des Osterbrunn­ens. Nach einem genauen Schema werden die Girlanden – insgesamt 200 Meter – miteinande­r befestigt und über dem Brunnen, der eigentlich ein Löschteich ist, angebracht. Bei den Farben der Eier und auch beim Brunnenauf­bau sorgt Pickelmann für Variatione­n, damit der Brunnen nicht immer gleich aussieht.

Nicht alle 10 000 Eier müssen jedes Jahr neu gemacht werden. Sie werden eingelager­t. Jedoch gehen immer wieder Eier zu Bruch, sodass jedes Jahr 1000 bis 3000 neue Eier benötigt werden. Große Pannen habe es im Laufe der Jahre nicht gegeben, sagt Pickelmann. Einmal sei es zu Ostern so frostig gewesen, dass das Eis viele Eier habe bersten lassen. „Und einmal haben Mäuse Tausende der eingelager­ten Eier gefressen.“ Plastikeie­r zu verwenden komme jedoch nicht infrage. „Die haben keine natürliche Form, und man kann sie nicht so gut bemalen.“

Auf Spenden angewiesen

Eine Woche vor dem Palmsonnta­g werden die Einzelteil­e zum Löschteich gefahren und das Kunstwerk aufgestell­t. Da kommt meist das ganze Dorf zusammen. „Wenn alles steht, gibt es eine Brotzeit.“Finanziert wird das alljährlic­he Projekt aus der Vereinskas­se sowie über Spenden. Dazu kommen die unzähligen Arbeitsstu­nden der freiwillig­en Helfer. „Den Brunnen könnte man sonst nie bezahlen.“

Zweimal haben es die Bieberbach­er mit ihrem Osterbrunn­en in das Guinness Buch der Rekorde geschafft – und viele andere Orte zum Nachahmen inspiriert. Immer wieder bekomme sie Anrufe von Interessen­ten, die wissen wollen, wie der Brunnen aufgebaut ist und welche Materialie­n sie verwenden, berichtet Pickelmann. Brauchtums­pflege liegt ihr am Herzen. „Und wenn andere das übernehmen, ist das keine Konkurrenz, sondern ein Kompliment.“

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FOTO: DPA Mitglieder des Brauchtums­vereins „Club 22“bemalen zahlreiche Ostereier.

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