„Das Rollenverständnis müsste sich ändern“
Silke Süße erklärt, was Frauen die Gründung eines Unternehmens erleichtern würde
RAVENSBURG - Frauen sind in der Gründerszene noch immer Exotinnen. Nur 13 Prozent aller Gründer sind weiblich. Dr. Silke Süße hat den Schritt in die Selbstständigkeit 2005 gewagt und ihr eigenes Unternehmen, die DC Drogencheck GmbH – ein forensisch-toxikologisches Labor – aufgebaut. Im Interview mit Eva-Maria Peter erklärt die Unternehmerin, welche Nachteile sie als weibliche Gründerin hatte und was Frauen eine Gründung erleichtern würde.
Frauen sind in der Start-up-Szene stark unterrepräsentiert. Wieso gründen Frauen so selten?
Familie und Beruf lassen sich noch immer schwer miteinander vereinbaren. Die Gründung eines eigenen Unternehmens erfordert darüber hinaus deutlich mehr Zeit und das über viele Jahre hinweg. Männer sind in der Regel stark auf ihren Beruf fixiert und übernehmen aus Tradition gern die Versorger-Rolle.
Gibt es also noch immer Vorbehalte gegen Unternehmerinnen?
Die Gesellschaft erwartet auch von erfolgreichen Geschäftsfrauen, dass sie zusätzlich die traditionelle Mutterrolle übernehmen. Eine Familienmanagerin zu sein, ruft oft Argwohn hervor. Daher entscheiden sich viele Frauen mit Potenzial für ein Leben mit Familie und mehr Freizeit. Das liegt nicht daran, dass sie risikoscheuer oder weniger ehrgeizig sind. Hormone können uns Frauen jahrelang an unsere Kinder binden; wenn das Netzwerk und die Randbedingungen nicht günstig sind, bleibt wenig Raum für eine Gründung. Wenn ich nicht alleine gewesen wäre, hätte sich mein Berufsweg vielleicht auch anders entwickelt. Jetzt bin ich mit meinem Job verheiratet.
Weshalb haben Sie sich für eine Gründung entschieden?
Ich wurde schon von klein an ermuntert, Dinge selbstständig zu erarbeiten und sehr leistungsorientiert erzogen. Mein Lebenswunsch war es, nach dem Vorbild meines Vaters, der Physiker war, Forscherin zu werden. Nach der Promotion an der Universität hatte ich das Bedürfnis nach einem geordneten, selbstbestimmten Arbeitsumfeld. Da kam der Gedanke auf, ob ich mich für eine Selbstständigkeit eignen würde. In Stuttgart gab es ein Gründer-Seminar an der Uni, das habe ich ein halbes Jahr lang besucht. Bevor ich wusste, was ich gründen könnte, wusste ich, dass ich gründen werde.
Wie schwer war es, eine Geschäftsidee zu finden?
Ich habe mich darauf konzentriert, was gebraucht wird und habe nach Marktlücken gesucht. Auf Servietten habe ich im Alltag immer aufgeschrieben, was die Menschen brauchen könnten. Da waren auch ziemAnfangs lich bizarre Ideen dabei wie eine Physiotherapie für Pferde oder Originalzutaten für Pina Colada aus Mexico einzuführen. Jeden Mittwoch bin ich mit meinen Freunden zur Cocktailparty gegangen und habe meine Ideen dort vorgestellt. Irgendwann kam ich darauf, dass Haar-Analysen Zukunft haben könnten, weil man damit sehr viel nachweisen kann, zum Beispiel illegale Substanzen, Ernährungsdefizite oder Umwelteinflüsse.
Gab es für Sie als Frau bei der Gründung irgendwelche Nachteile?
hatte ich schon das Gefühl, ein wenig belächelt und dadurch benachteiligt zu werden. Ganz subjektiv hatte ich den Eindruck, dass Männern mehr zugetraut wird, beispielsweise bei Bankterminen oder im Gespräch mit etwaigen Geschäftspartnern. Nach und nach konnte ich aber die Skeptiker mit meinem Fachwissen überzeugen. Meine Erfahrung ist, wer als Frau nicht zu verbissen und mit ausreichend Sachverstand auftritt, wird mit der Zeit auch respektvoll behandelt.
Wie haben Sie es geschafft, sich in einem umkämpften Markt durchzusetzen?
Ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen und konnte so die richtigen Kontakte aufbauen. Ich hatte eine Kooperation mit einem ebenso frisch gegründeten Unternehmer aus London gestartet, der dieselbe Idee hatte wie ich. Er war ein Marketingspezialist und ich kannte bis dahin nur die Arbeit im Labor. Ich habe das Verfahren entwickelt und die Kollegen in London haben es auf den Markt gebracht. Es gab allerdings auch Rückschläge. Umsätze und Aufträge können unverhofft wegbrechen. Die Selbstständigkeit ist ein dauerhafter Kampf und man muss geduldig immer wieder neue Lösungswege finden.
Wer waren Ihre größten Fürsprecher?
Einen Ökonom aus meinem privaten Umfeld konnte ich innerhalb von zwei Stunden überzeugen und ihn als Mitgesellschafter gewinnen. Die Finanzierung ist oft ein Knackpunkt bei Gründungen. Viele müssen trotz einer guten Geschäftsidee wieder aufhören, weil sich kein Investor findet.
Was muss passieren, damit mehr Frauen eine Gründung wagen?
Das komplette Rollenverständnis von Mann und Frau müsste sich grundlegend ändern. Rollenvorbilder sind bei der Entscheidung zur Selbstständigkeit wichtig. Es fehlt oftmals an Identifikationsmöglichkeiten. Da spielt auch die Erziehung mit rein. Frauen sollten schon von klein an zu mehr Selbstständigkeit erzogen werden und nicht automatisch Männern die ökonomische Führung überlassen.