Martin Walser feiert seinen 90. Geburtstag
Die LZ hat mit Bekannten und Weggefährten des Autors aus Wasserburg und Umgebung gesprochen
WASSERBURG (andy) - Martin Walser feiert heute seinen 90. Geburtstag. Am 24. März 1927 ist er in Wasserburg zur Welt gekommen. Der Ort hat ihn als Schriftsteller geprägt. Einer seiner bekanntesten Romane „Ein springender Brunnen“spielt dort. 1984 ernannte ihn die Gemeinde zum Ehrenbürger. Einige seiner Weggefährten leben noch heute in Wasserburg und haben die eine oder andere Erinnerung an den Autor. Die LZ hat mit ihnen gesprochen.
Fritz Schlichte ist zwar sieben Jahre jünger als Walser. Er hat dennoch in seiner Kindheit viel Zeit mit ihm verbracht. Schlichtes Vater hatte ein Elektrogeschäft neben der Bahnhofsrestauration der Familie Walser. Schlichte sagt: „Ich war fast jeden Tag dort.“
Er erinnert sich, dass die WalserBuben häufig im Kohle-Handel, den die Eltern betrieben, helfen mussten. Schlichte sagt: „Oft ist abends um 22 Uhr ein Eisenbahnwaggon mit Kohle angekommen. Bis 6 Uhr musste er leer sein. Da haben die Buben die halbe Nacht durchgeschafft.“Tagsüber hätten sie dann die Kohle mit einem großen Leiterwagen ausgefahren. Dabei hat auch Schlichte geholfen. Er erzählt: „Der Martin saß meistens vorne und hat mit den Füßen gelenkt und wir haben hinten angeschoben.“
Wenn sie nicht arbeiten mussten, hätten sie stundenlang vor dem Walserhof Fußball gespielt oder seien auf die großen Kastanien geklettert. Außerdem gingen sie im Winter zusammen zum Skifahren auf dem Lausbichl, dem ehemaligen Wasserburger Hausberg. Nach dem Krieg habe Martin Walser studiert und sich lieber mit Schlichtes älterem Cousin getroffen. Schlichte sagt lachend: „Da waren wir nicht mehr gefragt.“
Auch Otto Lang wohnte in der Nachbarschaft von Walser. Seine Schwester Leni Schmiedinger ging mit dem späteren Autor zur Schule und war gut mit ihm befreundet. Lang erinnert sich, dass Walser häufig am Klavier saß. Er sagt: „Martin konnte so schön spielen.“Auch an den Kohle-Handel der Walsers erinnert er sich. Die Kohle hätte Walser häufig mit einem kleinen, dreirädrigen Wagen transportiert. Lang erzählt lachend: „Wir sind häufig hingelaufen und haben den Wagen festgehalten, damit er nicht wegfahren konnte. Und Martin hat aus dem Fenster geschimpft.“In seinem Buch „Ein springender Brunnen“habe Walser ziemlich genau beschrieben, wie die damalige Zeit war, sagt Lang.
Auch sein Bruder David Lang erinnert sich an ein Erlebnis mit Martin Walser. Er arbeitete in der Firma „Lindauer Zähne“. Eines Tages bat Walser um eine Führung. Er recherchierte für sein Buch „Jenseits der Liebe“. Darin geht es um den Angestellten einer Fabrik für künstliche Zähne. Als Dankeschön erhielt Lang eine signierte Ausgabe des Buches.
Lotte Köllner ging mit Walser auf die Volksschule in Wasserburg. Sie beschreibt ihn als sehr ruhigen und nachdenklichen Schüler. Da Köllner in Reutenen wohnte und Walser in Wasserburg hatten die beiden nach dem Unterricht nicht viel miteinander zu tun. Und so ging der Kontakt mit Walsers Wechsel auf die Oberschule in Lindau verloren. Erst bei späteren Klassentreffen sahen sie sich wieder. Auch dort sei er eher der stille Beobachter und Zuhörer gewesen, sagt Köllner. Schmunzelnd habe er den Erinnerungen aus der Schulzeit gelauscht.
Schulkamerad erinnert sich an Walsers hervorragende Aufsätze
Werner Stuhler besuchte mit Walser die Oberschule, das damalige Gymnasium, in Lindau. Er sagt: „In Deutsch war er unser Primus. Er hat hervorragende Aufsätze geschrieben.“Für den Fotografen aus Hergensweiler war es daher nicht überraschend, dass Walser später Schriftsteller wurde: „Das war eigentlich schon vorgezeichnet.“Auch Stuhler erinnert sich, dass Walser in seiner Jugend viel im elterlichen Betrieb geholfen hat: „Er musste Kohle schippen, während wir Fußball gespielt haben.“So sei er während der Schulzeit nicht eng mit ihm befreundet gewesen. Erst später hätten sie mehr Kontakt gehabt, sagt Stuhler. Die beiden hätten sich öfters gegenseitig besucht und ihre Frauen seien befreundet gewesen.
Eine Anekdote würde Walser gut charakterisieren, denkt der Fotograf. Stuhlers Frau hatte Geburtstag und die beiden Ehepaare saßen im Wohnzimmer in Hergensweiler. Plötzlich habe Walser die leere Kanne genommen, in der Küche Kaffee gekocht und allen Anwesenden sehr galant nachgeschenkt. Das zeige, wie freundlich und aufgeschlossen der Autor sei, sagt Stuhler. Zu seinem Geburtstag werde er ihm nicht gratulieren, sagt Stuhler. „Das machen wir grundsätzlich nicht. Ich glaube, er ist genauso ein Geburtstagsmuffel wie ich.“
Ortsheimatpfleger Altweck kennt viele Geschichten über Walser
Auch der Wasserburger Ortsheimatpfleger Fridolin Altweck hat Walser als bodenständig und freundlich kennengelernt: „Er ist wie Du und ich.“Erstmals traf er den Autor 1982. Leni und Alfred Schmiedinger machten Walser und Altweck nach einer Lesung in Lindau miteinander bekannt. Daraus ist eine Freundschaft entstanden. Altweck sagt: „Viele Bücher, die Walser geschrieben hat, habe ich um den Erscheinungstag herum mit persönlicher Widmung in meinem Briefkasten.“
Im Gegenzug schickt Altweck dem Autor alte Bilder von Wasserburg, die er bei seinen Recherchen für das Museum im Malhaus entdeckt. Dort hat der Ortsheimatpfleger im obersten Stockwerk eine Dauerausstellung über den Autor zusammengetragen.
Altweck ist ein großer Bewunderer des Autors. Er sagt: „Ich habe manche Stücke hundertmal gelesen und lese sie immer noch mit Vergnügen. Martin beherrscht die deutsche Sprache einfach von der Pike auf perfekt. Er ist ein absoluter Meister des Formulierens.“Während seiner Recherchen für die Ausstellung ist Altweck auf so manche Anekdote über Walser gestoßen. So weiß er, dass Walser als Kind ein großer KarlMay-Fan war und bereits mit 14 Jahren den Führerschein machte. Außerdem wollte der Autor mit neun oder zehn Jahren einmal Prediger werden. Erst als ein Zirkus in Wasserburg gastierte und er sich in das Zirkusmädchen Anita verguckte, verflog dieser Wunsch.