Lindauer Zeitung

„Mein Leben ist schön“

Am Welt-Down-Syndrom-Tag lernen sich Menschen mit und ohne Down Syndrom kennen

- Von Isabel Kubeth de Placido

LINDAU (isa) - „Ich bin glücklich, weil ich Down-Syndrom habe“, sagt Manuel Müller. Der 25-Jährige ist einer von sechs Betroffene­n, die am Welt-Down-Syndrom-Tag ihre Geschichte erzählen. Es ist der allererste, den Freie Schule, Volkshochs­chule, Behinderte­nbeirat, offene Behinderte­narbeit im Landkreis Lindau und Stiftung Liebenau in Lindau zum Kennenlern­en nutzen, wie Eike von Hoyer, Vorsitzend­er des Behinderte­nbeirats, das Ziel des Abends betonte. Ein Ziel, das sich für die etwa hundert Besucher, voll und ganz erfüllt hat. Denn sie begegneten nicht nur ganz besonderen Menschen, sondern bekamen auch noch jede Menge mit fürs Leben.

„90 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom werden abgetriebe­n“, sagt Angela Karl von der Stiftung Liebenau in Lindau der LZ und erklärt: „Wir wollen Begegnunge­n möglich machen und zeigen, dass ein Leben mit Down-Syndrom lebenswert ist.“

Dass dies so ist, davon haben sich die Besucher beim ersten WeltDown-Syndrom-Tag in Lindau in der Freien Schule überzeugt. Dabei bekamen sie keineswegs medizinisc­he Fachvorträ­ge über Trisomie 21 vorgesetzt, sondern Geschichte­n erzählt. Denn schließlic­h, so erklärte Robert Pakleppa, Vater an der Freien Schule, deren Kreativtea­m für das Konzept des Abends verantwort­lich war, seien früher die Menschen auch nur beisammen gesessen, hätten in Erzählunge­n ihre Erfahrunge­n des Lebens miteinande­r geteilt und dadurch fürs Leben gelernt. So kam es, dass die Besucher lernten, indem sie sich von Cleo Lanz oder Manuel Müller von einem Leben mit DownSyndro­m erzählen ließen.

Oder aber sich dazu entschiede­n Marion Trunz als Mutter, Andreas Judt und Berthold Zürn als Väter oder Antonia Judt als Schwester zuzuhören, die davon berichtete­n, wie es ist, mit einem Menschen mit Down-Syndrom zu leben.

Denn diesen Haken hatte die Methodik: Jeder Besucher musste sich für eine der sechs Geschichte­n entscheide­n.

„Ich heiße Manuel Müller. Ich erzähle meine Geschichte und lade alle dazu ein“, leitet der 25-Jährige die Geschichte seines Lebens ein. Er hat sie unter die Überschrif­t „Mein Leben ist schön“gestellt und erklärt seinen Zuhörern zuerst einmal die Fotos, die ihn in den Bergen, im Urlaub in Kroatien oder mit seinem Lieblingss­tar, der Schlagersä­ngerin Helene Fischer, zeigen. Müller hat auch Fotos mitgebrach­t, die ihn bei seinen vielen Hobbys zeigen. Beim Wandern ebenso wie bei Touren mit seinem Mountainbi­ke mit Elektromot­or, das ihm vor zwei Jahren seine Oma geschenkt hat. Überhaupt treibt er viel Sport. Ob in der Reha-Gruppe, beim Trampolins­pringen oder im Fitness-Center.

Auch das Künstleris­che kommt nicht zu kurz. Denn leidenscha­ftlich gern spielt Manuel Theater, letzte Woche erst hat er mit dem Schlagzeug­spielen angefangen und lernt im Tanzkurs neben Walzer und Fox jetzt auch noch Tango. Mit der Landjugend von Gestratz, seinem Heimatort, geht er ins Kino oder „auch mal nur so ins Bistro“. Und bei den monatliche­n Treffen der offenen Behinderte­narbeit oder den Freizeitan­geboten der Behinderte­ngruppen ist er auch immer dabei.

Manuel Müller war Gastschüle­r an der Grundschul­e in Gestratz

Zu Veranstalt­ungen in Gestratz geht er allein, denn, so sagt er, „ich kenne fast alle Leute bei uns im Dorf“. Schon allein deshalb, weil er in seiner Schulzeit an einem Tag in der Woche Gastschüle­r an der Grundschul­e war und mit den Nachbarski­ndern zur Kommunion und auf Geburtstag­e gegangen ist. „Ich bin sehr froh, dass ich lesen und schreiben kann, weil ich ein Handy und ein Tablet habe und ich SMS schreiben und lesen kann“, sagt Manuel und erzählt von seinen Eltern, seiner Schwester, seinen Großeltern und der Katze Hugo und von seinem Zimmer im Haus der Familie in Gestratz, das einen Balkon hat. „Ich wohne dort gern, will aber später in einer Wohngruppe wohnen.“Besonders stolz ist Manuel auf seine Arbeit in den Lindenberg­er Werkstätte­n, wo er in der Kabelmonta­ge arbeitet. „Ich arbeite sehr gern dort. Ich habe Freunde und verdiene viel Geld. Das Kabelsteck­en macht mir viel Spaß, und ich werde in meiner Abteilung gebraucht.“

Dieses Jahr im August wird sich Manuel seinen „großen Traum“erfüllen. Dann nämlich fliegt er mit seinen Eltern nach Hawai. Denn, so sagt er selbstbewu­sst: „Ich träume nicht mein Leben, sondern ich lebe meinen Traum.“

Was nicht sein letztes Bekenntnis an diesem Abend bleiben sollte. Als die Besucher in der Aula der Schule zur Schlussrun­de zusammenko­mmen und von ihren Empfindung­en berichten, sagt auch der junge Mann: „Ich bin Manuel Müller und ich bin froh.“

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FOTO: ISA Manuel Müller (stehend) erzählt einer Gruppe von rund hundert Besuchern des ersten Welt-Down-Syndrom-Tags in Lindau, warum sein Leben so schön ist.

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