„Mein Leben ist schön“
Am Welt-Down-Syndrom-Tag lernen sich Menschen mit und ohne Down Syndrom kennen
LINDAU (isa) - „Ich bin glücklich, weil ich Down-Syndrom habe“, sagt Manuel Müller. Der 25-Jährige ist einer von sechs Betroffenen, die am Welt-Down-Syndrom-Tag ihre Geschichte erzählen. Es ist der allererste, den Freie Schule, Volkshochschule, Behindertenbeirat, offene Behindertenarbeit im Landkreis Lindau und Stiftung Liebenau in Lindau zum Kennenlernen nutzen, wie Eike von Hoyer, Vorsitzender des Behindertenbeirats, das Ziel des Abends betonte. Ein Ziel, das sich für die etwa hundert Besucher, voll und ganz erfüllt hat. Denn sie begegneten nicht nur ganz besonderen Menschen, sondern bekamen auch noch jede Menge mit fürs Leben.
„90 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom werden abgetrieben“, sagt Angela Karl von der Stiftung Liebenau in Lindau der LZ und erklärt: „Wir wollen Begegnungen möglich machen und zeigen, dass ein Leben mit Down-Syndrom lebenswert ist.“
Dass dies so ist, davon haben sich die Besucher beim ersten WeltDown-Syndrom-Tag in Lindau in der Freien Schule überzeugt. Dabei bekamen sie keineswegs medizinische Fachvorträge über Trisomie 21 vorgesetzt, sondern Geschichten erzählt. Denn schließlich, so erklärte Robert Pakleppa, Vater an der Freien Schule, deren Kreativteam für das Konzept des Abends verantwortlich war, seien früher die Menschen auch nur beisammen gesessen, hätten in Erzählungen ihre Erfahrungen des Lebens miteinander geteilt und dadurch fürs Leben gelernt. So kam es, dass die Besucher lernten, indem sie sich von Cleo Lanz oder Manuel Müller von einem Leben mit DownSyndrom erzählen ließen.
Oder aber sich dazu entschieden Marion Trunz als Mutter, Andreas Judt und Berthold Zürn als Väter oder Antonia Judt als Schwester zuzuhören, die davon berichteten, wie es ist, mit einem Menschen mit Down-Syndrom zu leben.
Denn diesen Haken hatte die Methodik: Jeder Besucher musste sich für eine der sechs Geschichten entscheiden.
„Ich heiße Manuel Müller. Ich erzähle meine Geschichte und lade alle dazu ein“, leitet der 25-Jährige die Geschichte seines Lebens ein. Er hat sie unter die Überschrift „Mein Leben ist schön“gestellt und erklärt seinen Zuhörern zuerst einmal die Fotos, die ihn in den Bergen, im Urlaub in Kroatien oder mit seinem Lieblingsstar, der Schlagersängerin Helene Fischer, zeigen. Müller hat auch Fotos mitgebracht, die ihn bei seinen vielen Hobbys zeigen. Beim Wandern ebenso wie bei Touren mit seinem Mountainbike mit Elektromotor, das ihm vor zwei Jahren seine Oma geschenkt hat. Überhaupt treibt er viel Sport. Ob in der Reha-Gruppe, beim Trampolinspringen oder im Fitness-Center.
Auch das Künstlerische kommt nicht zu kurz. Denn leidenschaftlich gern spielt Manuel Theater, letzte Woche erst hat er mit dem Schlagzeugspielen angefangen und lernt im Tanzkurs neben Walzer und Fox jetzt auch noch Tango. Mit der Landjugend von Gestratz, seinem Heimatort, geht er ins Kino oder „auch mal nur so ins Bistro“. Und bei den monatlichen Treffen der offenen Behindertenarbeit oder den Freizeitangeboten der Behindertengruppen ist er auch immer dabei.
Manuel Müller war Gastschüler an der Grundschule in Gestratz
Zu Veranstaltungen in Gestratz geht er allein, denn, so sagt er, „ich kenne fast alle Leute bei uns im Dorf“. Schon allein deshalb, weil er in seiner Schulzeit an einem Tag in der Woche Gastschüler an der Grundschule war und mit den Nachbarskindern zur Kommunion und auf Geburtstage gegangen ist. „Ich bin sehr froh, dass ich lesen und schreiben kann, weil ich ein Handy und ein Tablet habe und ich SMS schreiben und lesen kann“, sagt Manuel und erzählt von seinen Eltern, seiner Schwester, seinen Großeltern und der Katze Hugo und von seinem Zimmer im Haus der Familie in Gestratz, das einen Balkon hat. „Ich wohne dort gern, will aber später in einer Wohngruppe wohnen.“Besonders stolz ist Manuel auf seine Arbeit in den Lindenberger Werkstätten, wo er in der Kabelmontage arbeitet. „Ich arbeite sehr gern dort. Ich habe Freunde und verdiene viel Geld. Das Kabelstecken macht mir viel Spaß, und ich werde in meiner Abteilung gebraucht.“
Dieses Jahr im August wird sich Manuel seinen „großen Traum“erfüllen. Dann nämlich fliegt er mit seinen Eltern nach Hawai. Denn, so sagt er selbstbewusst: „Ich träume nicht mein Leben, sondern ich lebe meinen Traum.“
Was nicht sein letztes Bekenntnis an diesem Abend bleiben sollte. Als die Besucher in der Aula der Schule zur Schlussrunde zusammenkommen und von ihren Empfindungen berichten, sagt auch der junge Mann: „Ich bin Manuel Müller und ich bin froh.“