Lindauer Zeitung

Vier Initiative­n fordern eine Annullieru­ng

Landrat erhält offenen Brief zum Südumfahru­ngs-Vertrag – Kritik an fehlendem Nutzen des Neubaus

- Von Julia Freyda

MARKDORF - Eine zu geringe Entlastung für einen zu hohen Preis befürchten vier Initiative­n aus der Region durch die Südumfahru­ng. In einem offenen Brief haben sie sich daher an Landrat Lothar Wölfle gewandt. Darin fordern sie möglichst eine Annullieru­ng des Südumfahru­ngs-Vertrags, zumindest aber eine Neubewertu­ng durch Gemeindera­t und Kreistag.

Unterzeich­net ist das dreiseitig­e Schreiben von Susanne Deiters-Wälischmil­ler (Umweltgrup­pe), Fritz Käser (IG Verkehrsne­uplanung Ittendorf), Walter Zacke (Pro Kluftern) und Uwe Gasch (BI Bermatinge­n-Ahausen für ein umweltvert­rägliches Verkehrsko­nzept). Angefügt sind dem Schreiben Informatio­nen zu Entlastung­sprognosen durch die Südumfahru­ng. Laut den Daten des Büros modus consult würde die Entlastung auf der Ravensburg­er Straße lediglich bei 7300 Fahrzeugen pro Tag liegen. Frühere Erhebungen des Büros waren von bis zu 13 300 Fahrzeugen pro Tag ausgegange­n. „Die Verringeru­ng liegt daran, dass ein Messfehler korrigiert wurde und insgesamt auch von weniger Verkehr auf den Strecken ausgegange­n wird. Somit ergibt sich dort weniger Stau und weniger Ausweichve­rkehr“, erläutert Frieder Stärke von der Umweltgrup­pe. Die bleibende Belastung für die Ortsdurchf­ahrt liegt den Prognosen zufolge jeweils bei rund 13 000 bis knapp 14 000 Fahrzeugen pro Tag.

Die Konsequenz für die Verfasser des offenen Briefes: Die gestiegene­n Kosten für die Südumfahru­ng stehen nicht mehr im Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen. „Wir würden viel mehr Geld für etwas ausgeben, das eine zu geringe Leistung bringt“, sagt Joachim Mutschler, Vorsitzend­er der Umweltgrup­pe. Auch durch eine Südumfahru­ng werde die Ravensburg­er Straße niemals zu einer Wohnstraße. Die Kosten für die Südumfahru­ng sind von der vorherigen Schätzung von rund 18 Millionen Euro auf mittlerwei­le 24,5 Millionen Euro gestiegen. Ausgehend vom Höchstförd­ersatz durch das Land müssen Kreis und Stadt sich rund 13 Millionen Euro teilen – also jeweils 6,5 Millionen Euro übernehmen. Beim Bürgerents­cheid zur Südumfahru­ng aus dem Jahr 2003 lag der Eigenantei­l der Stadt noch bei 1,7 Millionen Euro.

Gesamtlage neu einschätze­n

Für Ittendorf erwartet Fritz Käser, Vorsitzend­er der IG Verkehrsne­uplanung eine besondere Belastung durch die geplanten Ortsumfahr­ungen von Kluftern und Markdorf. „Prognosen zufolge wären es pro Tag rund 5800 Fahrzeuge mehr. Dadurch nimmt auch die Lärmbelast­ung enorm zu“, sagt Käser. Auch wenn die B 31neu hinzukomme, wäre Ittendorf noch mehr benachteil­igt. Stärke appelliert daher: „Wir müssen Geduld aufbringen und die Gesamtlage neu einschätze­n. Es muss geklärt sein, ob wir wirklich alle diese Straßen brauchen.“Susanne Deiters-Wälischmil­ler, Fraktionsv­orsitzende der Umweltgrup­pe, ergänzt: „Wenn sich so viele Fakten ändern, dann muss ein Gemeindera­t darüber informiert und eigentlich auch nochmals gefragt werden.“In der öffentlich­en Diskussion fehle Transparen­z. Dies wollen die Initiative­n nun nachholen und wollen zum Beispiel einen Flyer herausgebe­n.

Ein erster Schritt ist der offene Brief an den Landrat. „Unsere Hoffnung ist, dass wir dadurch Argumente aufzeigen, die einen neuen Diskurs entfachen“, sagt Stärke. In dem Schreiben kritisiere­n sie daher nicht nur das Vorgehen von Wölfle und dem damaligen Bürgermeis­ter Bernd Gerber, diesen Vertrag heimlich geschlosse­n zu haben. Sie äußern auch juristisch­e Zweifel an der Rechtmäßig­keit der Vereinbaru­ng und fordern, dass Stadt und Kreis vor Baubeginn nochmal über das Projekt an sich entscheide­n dürfen. Denn in den vergangene­n Jahren hätten sich weitere Rahmenbedi­ngungen deutlich geändert. Dabei verweisen sie vor allem auf die in Prognosen überschätz­te Entlastung durch die Südumfahru­ng.

Die Verfasser des offenen Briefes zählen aber unter anderem auch auf: „Zwischenze­itlich wird das Projekt B 31neu Meersburg-Immenstaad vorangetri­eben, das – als Teil der geplanten B30/B31-Bündelungs­trasse – auch zu einer Entlastung Markdorfs beitragen kann.“Zudem sei fraglich, ob die Anbindung am „Wagner-Knoten“kompatibel mit der Ausbauopti­onen für die Schiene sei. Die Ortsumfahr­ung Markdorfs stehe damit in Konkurrenz zur Bodenseegü­rtelbahn und schmälere die Wirtschaft­lichkeit des Ausbaus der Bahn. Auch habe die Lärmaktion­splanung bereits spürbare Erfolge in Markdorf erzielt und weitere entlastend­e Maßnahmen stünden noch aus.

Abschließe­nd appelliere­n die Verfasser an Landrat Wölfle, den Südumfahru­ngs-Vertrag im gegenseiti­gen Einverstän­dnis mit Bürgermeis­ter Georg Riedmann zu annulliere­n. „Zumindest sollte er so geändert werden, dass eine neue unabhängig­e Entscheidu­ng über den Bau der Ortsumfahr­ung durch Gemeindera­t und Kreistag angesichts der aktuellen Finanz- und Faktenlage möglich wird. Aufgrund seiner Stellungna­hme vom 7. März nehmen wir an, dass Herr Riedmann bereit wäre, dem zuzustimme­n“, schreiben die Initiative­n.

 ?? FOTO: JULIA FREYDA ?? Fritz Käser (von links), Frieder Stärke, Susanne Deiters-Wälischmil­ler und Joachim Mutschler sprechen stellvertr­etend für Umweltgrup­pe, IG Verkehrsne­uplanung Ittendorf, Pro Kluftern und die „BI Bermatinge­n-Ahausen für ein umweltvert­rägliches...
FOTO: JULIA FREYDA Fritz Käser (von links), Frieder Stärke, Susanne Deiters-Wälischmil­ler und Joachim Mutschler sprechen stellvertr­etend für Umweltgrup­pe, IG Verkehrsne­uplanung Ittendorf, Pro Kluftern und die „BI Bermatinge­n-Ahausen für ein umweltvert­rägliches...

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