Cebit will „Innovationsfestival“werden
Die IT-Messe in Hannover erneuert ihre Ausrichtung und setzt mehr auf normale Besucher
HANNOVER (dpa) - Der Fall in die Bedeutungslosigkeit drohte bereits: Die 1986 aus der Hannover-Messe ausgegliederte Cebit dümpelte in den vergangenen Jahren oft nur noch mäßig erfolgreich im Schatten großer Events wie dem Mobile World Congress in Barcelona oder der Consumer Electronics Show (Ces) in Las Vegas dahin. Immer wieder kamen daher Diskussionen um eine Neuausrichtung auf. Selbst eine Integration zurück in die Hannover Messe wurde diskutiert.
Am Mittwoch verkündete MesseChef Oliver Frese daher, was viele schon ahnten: Die Cebit erfindet sich neu – wieder einmal. Frese kündigte einen radikalen Strategiewechsel an, bei dem für den Blick in die Zukunft die Atmosphäre eines Universitätscampus geschaffen werden soll.
Von der „größten Veränderung seit der Ausgliederung aus der Hannover Messe“sprach er, mit der sich die Messe ein klares Profil zurückgeben will. Ein „Festival der Innovation“soll die Digitalisierung künftig erlebbarer machen. Auch die politische Komponente soll ausgebaut werden.
„Wir werden die Cebit zu Europas führender Eventplattform und zum Festival für digitale Technologie, digitale Innovation und Geschäftsanbahnung der digitalen Wirtschaft umbauen“, erklärte ein sichtlich gut gelaunter Messe-Chef. Künftig soll die Cebit nun im Sommer (11. - 15. Juni 2018) stattfinden, nachdem sie drei Jahrzehnte lang jeweils vier Wochen vor der größeren Hannover Messe stattfand. Außerdem wird die Technologie-Schau de facto um einen Tag verkürzt.
Gestartet war die Cebit 1986 als „Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation“. In ihren Hochzeiten war die von der Deutschen Messe AG veranstaltete Leistungsschau eine breit angelegte Publikumsmesse für Computerfans gewesen.
Mehr als 830 000 Technikfans, Geschäftsleute und Entwickler pilgerten 2001 auf das Messegelände. Doch in den Folgejahren gingen die Besucherzahlen kontinuierlich zurück, 2009 kamen nur noch rund 400 000 Besucher.
Zuspruch aus Politik und Wirtschaft
Der radikale Wandel zur reinen Businessmesse für Informationstechnik veränderte dann die Ausrichtung. Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“stand statt Computern und Unterhaltung die digitale Durchdringung von Wirtschaft und Gesellschaft im Fokus.
Die Messe sah sich zuletzt als Impulsgeber und Netzwerk-Biotop, das das Fenster in die Zukunft weit aufstoßen will. Die Messe-Macher wollten auch die Tatsache ausnutzen, dass die Vision einer vernetzten Industrie von morgen immer konkreter wurde. Das spiegelte sich dann auch auf dem Messegelände wieder: Die Zahl der Anwendungsbeispiele bei Drohnen, virtueller Realität, künstlicher Intelligenz oder autonomem Fahren stieg stetig. Der Branchenverband Bitkom sprach ebenso wie diverse Anbieter auf der Cebit von spürbarer „Aufbruchstimmung“.
„Für mich ist es eine logische Weiterentwicklung, weg von der Technik für alle“, sagte Heiko Meyer vom Messe-Ausschuss. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lobte den Wandel mit den Worten: „Das ist keine Weiterentwicklung, sondern eine Transformation in eine neue Cebit, in eine neue Leitmesse zur Zukunft der Digitalisierung.“Beifall kam auch vom Vorstand der Deutschen Telekom, Reinhard Clemens, der die Neuausrichtung „richtig und konsequent“nannte.
„Gemeinsam mit der digitalen Wirtschaft bauen wir die Cebit von Grund auf um“, sagte Messe-Chef Oliver Frese und betonte: „Wir haben die Cebit an den Puls der Zeit herangeführt; es wird cooler werden, und es wird mehr Networking geben.“ Abends soll künftig mit Partys und anderen Events das technikbegeisterte allgemeine Publikum angesprochen werden. Auch aus der Digitalwirtschaft gab es für den geplanten Umbau Zuspruch.
Neuer Termin im Sommer ist umstritten
Die Deutsche Telekom sieht die Neusausrichtung als richtigen Schritt an, will die eigene Teilnahme ab 2018 aber vom Konzept abhängig machen. Für Hewlett Packard Enterprise Deutschland ist es eine Chance, private Besucher mit einzubeziehen – es gebe keine andere Messe, die die Debatte über die Folgen der Digitalisierung in der Gesellschaft so breit führe, sagte Sprecher Patrik Endlund. Der IT-Sicherheitsspezialist Secu-smart reagierte dagegen überrascht. Secusmart-Sprecherin Swenja Hintzen sagte, sie habe geglaubt, einem Aprilscherz aufgesessen zu sein. Sie sei „sehr überrascht“, dass das vor einigen Jahren schon einmal neu entworfene Konzept mit Ausrichtung auf Geschäftskunden verworfen werde. Für Secusmart, Anbieter von sicherer Kommunikationstechnik, stelle sich die Frage, ob mit dem neuen Termin im Sommer die eigene Zielgruppe, nämlich die Behörden, noch erreicht werde.
Stefan Rojacher von Kaspersky Lab erklärte: „Die stark rückläufige Entwicklung der vergangenen Jahre und eine Verwässerung eines eindeutigen Messekonzepts machen es derzeit schwer, an einen erfolgreichen Neustart der Cebit zu glauben.“