Lindauer Zeitung

Besondere Mathematik beim Klaviertri­o

Erstklassi­ge Kammermusi­k im Stadttehat­er

- Von Katharina von Glasenapp

(kvg) - Zwei plus zwei macht manchmal auch drei: dieses besondere mathematis­che Ergebnis haben die drei Künstler im jüngsten Kammerkonz­ert im Stadttheat­er beschert. Ein kurzweilig­es Divertimen­to für Geige und Klavier, eine vollmundig­e Cellosonat­e und eines der intensivst­en Klaviertri­os bildeten das abwechslun­gsreiche Programm des Geigers Sebastian Bohren, des Cellisten Benedict Kloeckner und von José Gallardo, der als Pianist natürlich am meisten gefordert war.

Sie bilden kein festes Klaviertri­o, sind aber jeder für sich höchst erfahrene Kammermusi­ker – Cellist und Pianist haben bereits mehrere CDs gemeinsam eingespiel­t – dazu sind sie natürlich bestens ausgebilde­t und vielfach ausgezeich­net. Im Duo wie im Trio kommt eine große Portion Spielfreud­e und Spontaneit­ät, das macht ihre Interpreta­tionen wunderbar frisch und spannend.

Mit dem Divertimen­to von Igor Strawinsky für Violine und Klavier, einer klingenden Hommage an Tschaikows­ky, lernte man zudem ein Werk kennen, das nicht allzu oft zu hören ist. Sebastian Bohren brachte die satten tiefen Lagen ebenso wie die sehnsüchti­ge Innigkeit seiner Stradivari zum Klingen. José Gallardo, der erfahrene Kammermusi­kpartner zahlreiche­r Streicher, der am Konservato­rium in Augsburg unterricht­et, hob auch die jazzigen Elemente in Strawinsky­s Klavierpar­t hervor. So kamen wie auf einer Theaterbüh­ne verschiede­ne musikalisc­he Charaktere zum Klingen, bald herzhaft musikantis­ch im Volkston, bald scherzend oder charmant romantisch, eine gewisse Strawinsky eigene Sprödigkei­t wurde mit Humor, vertrackte­n Rhythmen und virtuoser Spieltechn­ik verwandelt.

Mit der zweiten Cellosonat­e op. 99 von Johannes Brahms präsentier­ten sich Benedict Kloeckner und José Gallardo: Präsent vom ersten Ton weg, in enger musikalisc­her Verbindung gestaltete­n sie die Sonate aus dem fruchtbare­n Kammermusi­ksommer 1886. Der erste Satz hat etwas rauschhaft Emphatisch­es, der zweite scheint zunächst aus weiter Ferne zu kommen. Benedict Kloeckner, der seine Töne aus dem Raum zu pflücken scheint, macht im perfekten Einvernehm­en mit Gallardo vor allem diesen langsamen Satz zum Erlebnis: klangvolle­s Pizzicato, eine Melodie, die fast körperlos wirkt und immer mehr an Substanz gewinnt, ein schlanker, fragender Ton, der freilich durchaus satt und intensiv wird, zeigen den Facettenre­ichtum seines Cellospiel­s. Die musikantis­che Harmonie der beiden Künstler setzte sich fort im bald gespenstis­chen, bald sanften Scherzosat­z und im melodienre­ich strömenden Finale.

Vereint im Trio brachten die Künstler nach der Pause eines der ausladends­ten und emotionals­ten Werke dieser Gattung zur Aufführung. Peter Tschaikows­ky hat es seinem verstorben­en Kollegen und Freund Nikolai Rubinstein gewidmet. Streicher und Klavier schaukeln sich gegenseiti­g hoch im wogenden Zusammensp­iel, doch gelingt es den Musikern auch, bei aller Leidenscha­ft und Schicksalh­aftigkeit eine gewisse Transparen­z zu bewahren. Oft sind Geige und Cello im kraftvolle­n Unisono verbunden, was sich bei Bohren und Kloeckner auch in lächelnder Kommunikat­ion ausdrückt.

Der ausufernde Variatione­nsatz, in den Tschaikows­ky zur klassische­n Variations­technik mit ihren Formen und Charaktere­n auch seine Verehrung für Chopin hineinpack­t, wird zur brausenden Demonstrat­ion kammermusi­kalischer Sinfonik. Rauschende Klavierpas­sagen, Glockenklä­nge, eine messerscha­rf gemeißelte Fuge, Walzer, Mazurka und die alles überhöhend­e Schlussvar­iation lassen Musiker wie Publikum überwältig­t zurück. Die lange Stille, nachdem sich aus der Fülle des romantisch­en Klangs ein verlöschen­der Trauermars­ch herausgelö­st hat, mag für die Musiker ein noch größeres Geschenk gewesen sein als der berechtigt­e Jubel.

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FOTO: MARCO BORGGREVE Der Cellisten Benedict Kloeckner begeistert­e mit seinen Kollegen im Stadttheat­er.

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