Besondere Mathematik beim Klaviertrio
Erstklassige Kammermusik im Stadttehater
(kvg) - Zwei plus zwei macht manchmal auch drei: dieses besondere mathematische Ergebnis haben die drei Künstler im jüngsten Kammerkonzert im Stadttheater beschert. Ein kurzweiliges Divertimento für Geige und Klavier, eine vollmundige Cellosonate und eines der intensivsten Klaviertrios bildeten das abwechslungsreiche Programm des Geigers Sebastian Bohren, des Cellisten Benedict Kloeckner und von José Gallardo, der als Pianist natürlich am meisten gefordert war.
Sie bilden kein festes Klaviertrio, sind aber jeder für sich höchst erfahrene Kammermusiker – Cellist und Pianist haben bereits mehrere CDs gemeinsam eingespielt – dazu sind sie natürlich bestens ausgebildet und vielfach ausgezeichnet. Im Duo wie im Trio kommt eine große Portion Spielfreude und Spontaneität, das macht ihre Interpretationen wunderbar frisch und spannend.
Mit dem Divertimento von Igor Strawinsky für Violine und Klavier, einer klingenden Hommage an Tschaikowsky, lernte man zudem ein Werk kennen, das nicht allzu oft zu hören ist. Sebastian Bohren brachte die satten tiefen Lagen ebenso wie die sehnsüchtige Innigkeit seiner Stradivari zum Klingen. José Gallardo, der erfahrene Kammermusikpartner zahlreicher Streicher, der am Konservatorium in Augsburg unterrichtet, hob auch die jazzigen Elemente in Strawinskys Klavierpart hervor. So kamen wie auf einer Theaterbühne verschiedene musikalische Charaktere zum Klingen, bald herzhaft musikantisch im Volkston, bald scherzend oder charmant romantisch, eine gewisse Strawinsky eigene Sprödigkeit wurde mit Humor, vertrackten Rhythmen und virtuoser Spieltechnik verwandelt.
Mit der zweiten Cellosonate op. 99 von Johannes Brahms präsentierten sich Benedict Kloeckner und José Gallardo: Präsent vom ersten Ton weg, in enger musikalischer Verbindung gestalteten sie die Sonate aus dem fruchtbaren Kammermusiksommer 1886. Der erste Satz hat etwas rauschhaft Emphatisches, der zweite scheint zunächst aus weiter Ferne zu kommen. Benedict Kloeckner, der seine Töne aus dem Raum zu pflücken scheint, macht im perfekten Einvernehmen mit Gallardo vor allem diesen langsamen Satz zum Erlebnis: klangvolles Pizzicato, eine Melodie, die fast körperlos wirkt und immer mehr an Substanz gewinnt, ein schlanker, fragender Ton, der freilich durchaus satt und intensiv wird, zeigen den Facettenreichtum seines Cellospiels. Die musikantische Harmonie der beiden Künstler setzte sich fort im bald gespenstischen, bald sanften Scherzosatz und im melodienreich strömenden Finale.
Vereint im Trio brachten die Künstler nach der Pause eines der ausladendsten und emotionalsten Werke dieser Gattung zur Aufführung. Peter Tschaikowsky hat es seinem verstorbenen Kollegen und Freund Nikolai Rubinstein gewidmet. Streicher und Klavier schaukeln sich gegenseitig hoch im wogenden Zusammenspiel, doch gelingt es den Musikern auch, bei aller Leidenschaft und Schicksalhaftigkeit eine gewisse Transparenz zu bewahren. Oft sind Geige und Cello im kraftvollen Unisono verbunden, was sich bei Bohren und Kloeckner auch in lächelnder Kommunikation ausdrückt.
Der ausufernde Variationensatz, in den Tschaikowsky zur klassischen Variationstechnik mit ihren Formen und Charakteren auch seine Verehrung für Chopin hineinpackt, wird zur brausenden Demonstration kammermusikalischer Sinfonik. Rauschende Klavierpassagen, Glockenklänge, eine messerscharf gemeißelte Fuge, Walzer, Mazurka und die alles überhöhende Schlussvariation lassen Musiker wie Publikum überwältigt zurück. Die lange Stille, nachdem sich aus der Fülle des romantischen Klangs ein verlöschender Trauermarsch herausgelöst hat, mag für die Musiker ein noch größeres Geschenk gewesen sein als der berechtigte Jubel.