Drama auf der Gorch Fock
Der Fernsehfilm „Tod einer Kadettin“lässt Raum für unterschiedliche Theorien
FRANKFURT (KNA) - Warum wollte eine junge Kadettin in der Nacht zu ihrem Geburtstag um jeden Preis Wache schieben? Ein Spielfilm schildert die Tragödie eines Mädchens, das nie an Bord eines Segelschulschiffs hätte sein dürfen.
Die 18-jährige Kadettin Jenny Böken verunglückte nach nur zwei Monaten im Dienst der Marine auf der Gorch Fock tödlich. In der Nacht des 4. September 2008 lag das Segelschulschiff vor Norderney. Die Kadettin hatte Wache und wurde gegen Mitternacht über Bord gespült. Die genauen Umstände ihres Todes sind bis heute nicht abschließend geklärt. Die Dokumentarfilmer Hannah und Raymond Ley nähern sich dem Thema in zweierlei Formen an: im Spielfilm und in einer Dokumentation.
Die ARD strahlt den Spielfilm „Tod einer Kadettin“am kommenden Mittwoch um 20.15 Uhr aus, anschließend die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock. Die Geschichte der Jenny Böken“. Die Autoren entwickelten das Drehbuch des Spielfilms nach Motiven des Sachbuchs „Unser Kind ist tot“von Dona Kujacinski. Zudem haben sie die Tagebücher der Kadettin ausgewertet und Interviews mit der Familie geführt. Sie entwerfen das Bild einer sensiblen jungen Frau, die sich selbst überschätzte und über ihre physischen Grenzen hinaus gefordert wurde.
Die Darstellerin der Kadettin, die im Spielfilm Lilly Borchert heißt, ist Maria Dragus, die für „Das weiße Band“den Deutschen Filmpreis erhielt. Sie spielt mit großer Intensität, lässt die Zuschauer die Härten und die grandiosen Momente einer Ausbildung auf einem großen Segelschulschiff erleben. Gedreht wurde im Herbst 2016 bei rauem Wetter in der Danziger Bucht vor der eindrucksvollen Kulisse des Schiffs Dar Mlodziezy.
Die junge Lilly will nach dem Abitur Medizin studieren und die Welt sehen. Trotz gesundheitlicher Bedenken wird sie bei der Marine zugelassen. Doch bald zeigt sich, dass sie den Anforderungen kaum gewachsen ist, sie wird von allen Seiten gemobbt. Verbissen kämpft sie sich durch. Doch das Macho-Gehabe von Kapitän und Stammbesatzung sowie der Drill übersteigen ihre körperlichen Kräfte. Sexistische Anmache der anderen Kadetten, frei zugänglicher Alkohol im Kühlschrank, abweisendes Konkurrenzverhalten der Kadettinnen und ständiger Schlafmangel tun ein Übriges.
Lilly vertraut ihren Frust ihrem Tagebuch an. Sie freut sich auf den Besuch bei ihren Eltern. Dann, in der Nacht des 4. September, übernimmt sie die Wache. Plötzlich melden einige Kadetten, dass sie einen Schrei gehört hätten. Lilly Borchert wird vermisst. Eine dramatische Suche beginnt, doch ohne Ergebnis. Die Leiche wird elf Tage später gefunden. Ein auf dem Schiff anwesender Journalist beginnt noch vor Ort, Nachforschungen anzustellen. War es ein Unfall, Selbstmord, oder wurde sie gestoßen? Der Spielfilm, ausgestattet mit opulenten Bildern vom Kampf gegen Wind und Wellen, gibt Raum für unterschiedliche Theorien über den Hergang des Unfalls.
Die Dokumentation konzentriert sich hingegen mehr auf das Umfeld und lässt Eltern, Freunde und Zeugen zu Wort kommen. In Teilen widersprechen sich Spielfilm und Dokumentation und machen so deutlich, dass die Suche nach der Wahrheit im Fall Jenny Böken noch nicht abgeschlossen ist.