Keine Auszeit von der Pflege
Wer für Angehörige im Oberallgäu einen Platz in der Kurzzeit-Pflege sucht, tut sich damit immer schwerer
OBERALLGÄU - „Wir brauchen eine Auszeit – dringend.“Die Oberallgäuerin ist ausgelaugt. Während sie und ihr Mann arbeiten, ist die hochdemente Mutter unter der Woche in Tagespflege. Sonst kümmert sich das Paar selbst um die 78-Jährige, die zwar körperlich fit ist, aber daheim nicht mal die Toilette findet. Das bedeutet: Pflege jede Nacht, jedes Wochenende. Vor Pfingsten wollten die Eheleute zwei Wochen Urlaub machen, neue Kraft schöpfen. Doch die Planung scheitert bisher, weil sich für die Mutter kein Kurzzeit-Pflegeplatz findet.
25 Heime habe sie gefragt, beklagt die Oberallgäuerin einen „absoluten Pflegenotstand“. Ein Platz für zwei Wochen? Fehlanzeige. Manche Häuser hätten Betten frei, aber nicht genug Personal. Man habe ihr geraten, im Augsburger Raum nachzufragen. „Das kann doch nicht sein“, sagt die Frau. Auch andere pflegende Angehörige wollten sicher mal in Urlaub. Wichtig wäre zudem, man könnte einen Angehörigen auch einmal im Monat übers Wochenende in Pflege geben.
Die Zeichen stehen schlecht. Die Zahl der Kurzzeit-Pflegeplätze sei stark rückläufig, kritisiert Ulli Leiner, Pflegeexperte der Grünen im Landtag. „Die Situation hat sich in jüngster Zeit verschärft.“Was mit daran liege, dass in der Region besonders viele Ältere leben. Menschen, die für ihren Lebensabend ins Allgäu zogen.
Einen Grund für die Misere sieht Leiner in der schlechten Finanzierung: Kurzzeit-Pflege rentiere sich nicht, da Heime nur Geld erhalten, wenn Betten belegt sind. Dazu kämen der Mangel an Fachkräften und die zu hohe Fachkraftquote von 50 Prozent. Leiner würde sie „auf 40 Prozent senken“. Zudem solle sich Bayerns Regierung dafür einsetzen, dass Kassen und Heimträger einen besseren Satz für Kurzzeit-Pflege aushandeln – das will Leiner im Landtag beantragen.
„Wir nehmen niemanden in Kurzzeit-Pflege auf. Wir sind schon froh, wenn wir die unterbringen, die dauerhaft einen Platz brauchen.“So bestätigt Ulrich Gräf, Geschäftsführer der Allgäu-Pflege, die aktuellen Probleme. Bei der AllgäuPflege seien einige Häuser voll belegt, in anderen bleiben Betten leer, weil Personal fehlt. Eine reduzierte Fachkraftquote könnte die Situation entspannen, ohne dass die Qualität leidet, sagt Gräf. Das sei eine Frage der Organisation. Die 50-Prozent-Vorgabe habe nichts mit der Praxis zu tun, sondern sei eine politisch willkürlich festgesetzte Zahl.
„Es brennt in Sachen Pflege an allen Ecken“, bedauert Landrat Anton Klotz. Das eingangs geschilderte Problem sei längst kein Einzelfall mehr. Grund genug, dass Städte und Landkreise in der Allgäu GmbH aktiv wurden. „Starke Pflege im Allgäu“heißt das Projekt, das laut Klotz schnell, Mitte des Jahres, anlaufen sollte. Man will eine eigene Stelle schaffen, die sich nur ums Thema Pflege kümmert. Die Personallücken lassen sich laut Klotz vielleicht mit ausländischen Mitarbeitern schließen – etwa aus Ländern wie Ungarn, Litauen, Polen und Slowenien. Das Anwerben soll die Allgäu GmbH organisieren, da einzelne Heime überfordert wären.
Und die Fachkraftquote? Gegen dieses „Riesenproblem“müsse man politisch vorgehen, fordert Klotz. Pflegehilfskräfte könnten viele Leistungen genauso erbringen wie examinierte Kräfte. „Entscheidend für die Qualität ist die Leitung.“Weiter müssten die in Bayern geltenden Ausbildungsbedingungen gelockert und das Image der Pflegeberufe verbessert werden. Klotz schließt auch nicht aus, Pflegekräfte vielleicht auch über ein Zuckerl zur Arbeit im Allgäu zu motivieren.