Ein starker Aufschlag
Mission Europa. In einer Woche, in der Sigmar Gabriel nach London reist, in der Europa die Modalitäten des Brexit diskutiert, in dieser bitteren Woche sucht sich Frank-Walter Steinmeier als Ort für seine erste Rede im Ausland Straßburg aus. Dass Steinmeier ein überzeugter Europäer ist, ist nicht neu. Neu aber ist die Leidenschaft, mit der er auch als Bundespräsident für Europa eintritt.
Der erste Mann im Staat kann keine Verträge verhandeln, er hat nur die Macht des Wortes, und die hat Steinmeier genutzt – zu einem starken Aufschlag. Er hat Donald Trump, er hat den Briten und den Ungarn gesagt, welches Europa er will. Es habe Leuchtturm zu sein für Rechtsstaat und Menschenrechte. Und nicht zu schweigen, wenn wissenschaftliche Freiheit in Gefahr gerät wie jetzt in Ungarn. Er hat den britischen Weg als unverantwortlich und falsch kritisiert. Denn ein Land wird alleine nicht stärker dastehen, wie manche Europäer jetzt meinen. Steinmeier hat deutlich gemacht, dass er auch in seiner neuen Rolle für ein vereintes Europa kämpfen wird, vielleicht bis an die Grenzen dessen gehen wird, was ein Bundespräsident anmahnen kann.
Steinmeier hat Führung als Verantwortung buchstabiert. Verantwortung, die alle für Europa tragen, aber Deutschland vielleicht ein bisschen mehr als andere. Steinmeier hat Partei ergriffen, Partei für Europa.
Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass er sein Amt tagespolitischer interpretieren wird als seine Vorgänger. Das ist richtig. Wer, wenn nicht Steinmeier, sollte in einer Zeit des Überdrusses Mut machen zu einem geeinten Europa? Steinmeier gehört der Generation an, die ganz selbstverständlich mit Europa groß geworden ist. Die vielleicht, diesseits und jenseits des Ärmelkanals die Vorzüge zu selbstverständlich genossen hat, um sie wertzuschätzen, und deren Erschrecken jetzt umso heftiger ist, in London wie in Berlin. Dass die Art und Weise des Brexits bislang keine weiteren Länder animiert, dem britischen Schritt zu folgen, gibt etwas Hoffnung. Mutmacher wie Steinmeier auch.