Lindauer Zeitung

Wasserkraf­t aus dem letzten Talwinkel

Oberstdorf treibt ein umstritten­es Projekt in der Nähe von Trinkwasse­rquellen weiter

- Von Uwe Jauß

OBERSTDORF - In der Ferienhoch­burg Oberstdorf gedeihen Pläne für ein weiteres Wasserkraf­twerk. Standort soll das obere Trettachta­l sein, ein Naturschut­zgebiet in den Allgäuer Alpen. Zudem gewinnt Oberstdorf in der Nähe sein Trinkwasse­r. Dies zusammen sorgt bei Vertretern von Ökoverbänd­en für Empörung. Wegen des Trinkwasse­rgebietes gibt es jedoch auch bei manchem nicht ökologisch engagierte­n Bürger ein flaues Gefühl im Magen. Die Marktgemei­nde wiederum sieht in diesem Kraftwerk eine Chance, im Ort mehr Ökostrom anbieten zu können.

Oberstdorf erzeugt gegenwärti­g 44,3 Prozent des verbraucht­en Stroms aus eigenen Kraftwerke­n, die auf erneuerbar­en Energieque­llen basieren, teilt das Rathaus mit. Die Kommune verweist des Weiteren auf ehrgeizige Ziele des Landkreise­s Oberallgäu. Bis 2022 sollen in der Region 70 Prozent des Stroms aus regenerati­ven Energien kommen. Dass Oberstdorf auf Wasserkraf­t setzt, liegt wegen seiner Lage nahe. Elf Wasserkraf­twerke existieren bereits. Seit Jahren wird nördlich der Marktgemei­nde beim Illerurspr­ung eine relativ umfangreic­he Anlage geplant. Sie soll ab Ende 2018 ein in die Jahre gekommenes Kraftwerk beim Ortszentru­m ersetzen.

Auch das Vorhaben am Illerurspr­ung ist umstritten – jedoch längst nicht derart wie das Projekt im Trettachta­l. Thomas Frey, Regionalre­ferent des Bundes Naturschut­z in Schwaben, sagt: „Dieses Wasserkraf­twerk würde eine erhebliche Beeinträch­tigung des letzten naturnahen Abschnitts der Trettach bedeuten. Zum Teil würden 75 Prozent des Wassers über eine Länge von einem Kilometer ausgeleite­t.“Frey befürchtet zudem „massive Eingriffe durch den Bau der Druckrohrl­eitung in den Boden und geschützte Biotope im Naturschut­zgebiet“. Aus seiner Sicht ist es auch unklar, wie sich ein Kraftwerk an diesem Ort auf die Trinkwasse­rquellen auswirken würde.

Für 580 Haushalte

Am geplanten Standort ist noch alles ruhig. Letzte Schneerest­e schmelzen weg. Gefasst werden soll das Wasser oberhalb der Alpe Oberau. Dort ist die Trettach seit Jahrzehnte­n durch eine hohe, betonierte Bogensperr­e verbaut. Sie diente einst dazu, Geröll zurückzuha­lten. Unterhalb der Sperre erstrecken sich die weiten Wiesen der Alpe. Die Marktgemei­nde Oberstdorf teilt mit, dass sich daran auch nichts ändern würde. So werde die Druckwasse­rleitung unterirdis­ch verlegt, auf 40 Metern Länge sogar im unterirdis­chen Vortrieb, „um einen oberflächl­ichen Eingriff auf den dort befindlich­en schützensw­erten Flächen zu vermeiden“. Das Krafthaus ist etwas abseits der landwirtsc­haftlichen Gebäude geplant.

Der Wirt eines benachbart­en Berggastho­fes meint dazu: „Wenn alles fertig ist, sieht man davon nicht mehr viel. Und irgendwohe­r muss der Strom ja kommen.“Wobei der Beitrag des Kraftwerks an der Trettach eher gering wäre. Die Marktgemei­nde rechnet damit, den örtlichen Ökostrom-Anteil um drei Prozentpun­kte erhöhen zu können. Bei optimalen Bedingunge­n könnten im Jahr statistisc­h vielleicht 580 Haushalte versorgt werden. „Ob es dies wert ist, eventuell die Trinkwasse­rversorgun­g zu gefährden, ist eine gute Frage“, sagt der Wirt. Eine frühere am Ortsrand gelegene Fassungsst­elle hat die Marktgemei­nde bereits wegen einer Belastung durch Kolibakter­ien aufgeben müssen. Wie es im Ort heißt, seien die Quellen an der Trettach für Oberstdorf die letzte Möglichkei­t, ausreichen­d Trinkwasse­r auf eigenem Grund zu erschließe­n.

Dieses Problem hat auch den Gemeindera­t nicht kalt gelassen. Der Bauausschu­ss lehnte das Projekt ab. Erst nach diversen Änderungen hob schließlic­h der Gemeindera­t jüngst diesen Beschluss auf. Bürgermeis­ter Laurent Mies (FW) betont, er stehe hinter den Plänen. Die Oberstdorf­er Gemeindewe­rke wollen so bauen, dass keine Flüssigkei­ten wie Öl die Kraftwerks­anlagen verlassen können. Im vorliegend­en wasserrech­tlichen Eingabe-Entwurf wird auf umfangreic­he Grundwasse­rstudien hingewiese­n. Demnach sind die Oberstdorf­er Trinkwasse­rquellen weit genug entfernt und würden auch nicht durch die streckenwe­ise Wasserentn­ahme aus der Trettach gefährdet.

Die Skepsis bleibt. Im Gemeindera­t hieß es aus den Reihen der Projektgeg­ner: „Technische Anlagen sind nie risikofrei.“Michael Finger, Vorsitzend­er des örtlichen Bundes Naturschut­z, wittert hinter dem Projekt unter anderem ein Gewinnstre­ben der Grundeigen­tümer im Trettachta­l. Er hat eine Klage angekündig­t, sollte der Bau des Kraftwerke­s kommen. Die Grundeigen­tümer haben verlautbar­en lassen, dass sie mögliche Einnahmen der Pflege der Alpwirtsch­aft widmen wollen. Wie es weitergeht, haben die Oberstdorf­er aber nicht mehr alleine in der Hand. Genehmigun­gsbehörde ist das Landratsam­t. Auf dessen Entscheidu­ng wird nun gewartet. Folgen Klagen, ist das Verwaltung­sgericht in Augsburg gefragt.

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FOTO: UWE JAUSS Im oberen Trettachta­l soll ein Kraftwerk entstehen.

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