Hochburg für Trauringe
Pforzheim feiert „250 Jahre Goldstadt“und hofft auf einen Imagewandel
(lsw) - Freiburg ist Münsterstadt, Stuttgart Autostadt – und Pforzheim Goldstadt. Die im Zweiten Weltkrieg am stärksten zerstörte Stadt im Südwesten schmückt sich mit dem wohl schönsten Etikett im Land. Und das, obwohl an der Enz kein Gold geschürft wird und weder das Erscheinungsbild noch die Haushaltslage in der 118 000-EinwohnerStadt glänzend sind.
Allen Nöten zum Trotz wird in diesem Jahr gefeiert: Das Jubiläum „250 Jahre Goldstadt“erinnert daran, dass hier die Wiege der deutschen Schmuck- und Uhrenindustrie stand. Und dass Pforzheim noch heute – neben dem rheinland-pfälzischen IdarOberstein und dem sächsischen Glashütte – bundesweit das bedeutendste Zentrum der Branche ist. Es ruft auch ins Gedächtnis, dass die Stadt am Rande des Nordschwarzwaldes nicht nur Hochburg der umstrittenen Partei AfD ist, sondern in erster Linie Hochburg für Trauringe.
„Im Grunde genommen feiern wir so etwas wie die DNA unserer Stadt“, sagt Oberbürgermeister Gert Hager (SPD). Zum Jubiläum will Pforzheim an alten Glanz anknüpfen und sich neu erfinden.
Schließlich blickt die Stadt zwischen Stuttgart und Karlsruhe auf eine lange Tradition zurück. Schon die Römer schätzten die Lage von „Portus“(„Hafen“) am Fluss Enz als Transportweg für Handelsgüter wie Holz, Erz und landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Ein Stich des berühmten Frankfurter Kupferstechers Matthias Merian d. Ä. aus dem Jahr 1643 weist „Pfortzheim“als blühende Stadt vor hügeliger Landschaft aus. Im 18. Jahrhundert war der Ort als ein Zentrum von Tuchmachern und Flößern bekannt, bevor eine Erlaubnis von Badens Markgraf Karl Friedrich zu einem besonderen Aufschwung führte: Am 6. April 1767 gestattete der Landesvater dem Franzosen Jean Francois Autran, eine Taschenuhrenmanufaktur zu errichten.
Ihm und anderen Fachleuten aus dem Ausland versprach der Markgraf Unterstützung, etwa durch Arbeitskräfte aus dem Waisen- und Zuchthaus. Die Experten mussten sich ihrerseits auf sechs Jahre verpflichten, „jährlich zwanzig Knaben und vier Mägdlein in der Uhrmacherei zu unterrichten“, notiert Stefan Pätzold in seiner „Kleinen Geschichte der Stadt Pforzheim“. An die vielen „Rassler“– die täglich von weither in die Stadt pendelnden Goldschmiede mit ihren eisenbeschlagenen Schuhen – erinnert heute ein Denkmal. Dank der Lage an den Verkehrsachsen Prag-Paris und Frankfurt-Ulm avancierte „Klein-Genf“, wie es im Ausland genannt wurde, schnell zu einem Zentrum der Uhrenund Schmuckfabrikation. Hundert Jahre später gab es schon mehr als 500 Unternehmen, die mit Uhren und Schmuck ihr Geld machten sowie viele Zulieferer wie Walzwerke, Chemikalienfabriken, Gießereien oder Prägeanstalten. Gold wurde tonnenweise nach Pforzheim geliefert und dort verarbeitet.
400 Unternehmen machen in Gold
Bis heute produzieren nach Angaben der Stadt Schmuckdesigner, Goldschmiede und andere Kreative aus Pforzheim etwa 80 Prozent der deutschen Schmuckwaren. Hier steht die bundesweit einzige Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule. Die Branche zählt allein in der Goldstadt 400 Unternehmen mit 2400 Beschäftigten.
Auch wenn Billigkonkurrenz aus Asien seit vielen Jahrzehnten der Traditionsindustrie zu schaffen macht: Schmuck und Uhren „Made in Pforzheim“sind nach Angaben des Bundesverbandes Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien nach wie vor weltweit gefragt.
Gerade hochwertiger Schmuck ist wieder im Kommen, beobachtet Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann. Bei Trauringen setzen die meisten Deutschen ohnehin auf badische Handwerkskunst.
Wenn es um künftigen Glanz geht, vertraut die Goldstadt jedoch auch auf die aus der Tradition entstandene Präzisions-, Medizin- und Stanztechnik. Besonders das landesweit ausgezeichnete Cluster Präzisionstechnik belegt für OB Hager die Wandlungsfähigkeit seiner Stadt, die etwa den Bau eines Zentrums für Präzisionstechnik plant. „Die Marke Goldstadt wird neu belebt“, sagt Jubiläumskoordinator Gerhard Baral, der schon ein neues „Wir-Gefühl“entdeckt haben will. Die Stadt, die mit einer für baden-württembergische Verhältnisse hohen Arbeitslosigkeit und den Problemen großer Zuwanderung kämpft, will dabei aus der Not eine Tugend machen.
Rathauschef Hager hat eine Vision für seine Multikulti-Goldstadt: „In dieser Stadt haben wir „die rote Laterne” bei der Arbeitslosigkeit längst abgegeben und die jungen Menschen, die zu uns gekommen sind, haben Arbeit und leben gerne und kreativ in Pforzheim am Rande des Nordschwarzwaldes.“Und, so betont er: „Wir arbeiten daran, damit das keine Vision bleibt.“